Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751.

Bild:
<< vorherige Seite




Der achtzehnte Brief
von
Herrn Wyerley an Fräulein Clarissa
Harlowe.

Wertheste Fräulein.

Sie werden sich wundern, daß Sie, nach Ver-
lauf so langer Zeit, einen Antrag, der so aus-
drücklich, ob gleich so höflich, abgelehnet ist, wie-
der erneuret finden: allein, es mag aufgenommen
werden, wie es will, ich muß ihn erneuren. Je-
dermann hat gehöret, daß auf eine schändliche Art
mit Jhnen umgegangen ist: von einem Men-
schen, welcher der schändlichste Kerl in der Welt
seyn mußte, daß er Jhnen übel begegnen konnte.
Jedermann weiß Jhren gerechten Unwillen über
seine niederträchtige Begegnung: daß Sie fest
entschlossen sind, sich niemals mit ihm wieder aus-
zusöhnen; und daß Sie gegen alles Flehen seiner
edlen Anverwandten, gegen alles Bitten und alle
Reue des unedlen Menschen selbst, in dieser Ent-
schließung beharren. Und alle Welt, die die Eh-
re hat, Sie zu kennen, oder von ihm gehöret hat,
loben Jhren Entschluß mit vielem Beyfall, als
einen Vorsatz, der sich für Sie selbst, der sich für
Jhre Tugend und die genaue Beobachtung der

Ehre




Der achtzehnte Brief
von
Herrn Wyerley an Fraͤulein Clariſſa
Harlowe.

Wertheſte Fraͤulein.

Sie werden ſich wundern, daß Sie, nach Ver-
lauf ſo langer Zeit, einen Antrag, der ſo aus-
druͤcklich, ob gleich ſo hoͤflich, abgelehnet iſt, wie-
der erneuret finden: allein, es mag aufgenommen
werden, wie es will, ich muß ihn erneuren. Je-
dermann hat gehoͤret, daß auf eine ſchaͤndliche Art
mit Jhnen umgegangen iſt: von einem Men-
ſchen, welcher der ſchaͤndlichſte Kerl in der Welt
ſeyn mußte, daß er Jhnen uͤbel begegnen konnte.
Jedermann weiß Jhren gerechten Unwillen uͤber
ſeine niedertraͤchtige Begegnung: daß Sie feſt
entſchloſſen ſind, ſich niemals mit ihm wieder aus-
zuſoͤhnen; und daß Sie gegen alles Flehen ſeiner
edlen Anverwandten, gegen alles Bitten und alle
Reue des unedlen Menſchen ſelbſt, in dieſer Ent-
ſchließung beharren. Und alle Welt, die die Eh-
re hat, Sie zu kennen, oder von ihm gehoͤret hat,
loben Jhren Entſchluß mit vielem Beyfall, als
einen Vorſatz, der ſich fuͤr Sie ſelbſt, der ſich fuͤr
Jhre Tugend und die genaue Beobachtung der

Ehre
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0150" n="144"/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#fr">Der achtzehnte Brief</hi><lb/>
von<lb/><hi rendition="#fr">Herrn Wyerley an Fra&#x0364;ulein Clari&#x017F;&#x017F;a<lb/>
Harlowe.</hi></head><lb/>
          <dateline> <hi rendition="#et">Mittwoch. den 23ten Aug.</hi> </dateline><lb/>
          <salute> <hi rendition="#b">Werthe&#x017F;te Fra&#x0364;ulein.</hi> </salute><lb/>
          <p><hi rendition="#in">S</hi>ie werden &#x017F;ich wundern, daß Sie, nach Ver-<lb/>
lauf &#x017F;o langer Zeit, einen Antrag, der &#x017F;o aus-<lb/>
dru&#x0364;cklich, ob gleich &#x017F;o ho&#x0364;flich, abgelehnet i&#x017F;t, wie-<lb/>
der erneuret finden: allein, es mag aufgenommen<lb/>
werden, wie es will, ich <hi rendition="#fr">muß</hi> ihn erneuren. Je-<lb/>
dermann hat geho&#x0364;ret, daß auf eine &#x017F;cha&#x0364;ndliche Art<lb/>
mit Jhnen umgegangen <hi rendition="#fr">i&#x017F;t:</hi> von einem Men-<lb/>
&#x017F;chen, welcher der &#x017F;cha&#x0364;ndlich&#x017F;te Kerl in der Welt<lb/>
&#x017F;eyn mußte, daß er <hi rendition="#fr">Jhnen</hi> u&#x0364;bel begegnen konnte.<lb/>
Jedermann weiß Jhren gerechten Unwillen u&#x0364;ber<lb/>
&#x017F;eine niedertra&#x0364;chtige Begegnung: daß Sie fe&#x017F;t<lb/>
ent&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ind, &#x017F;ich niemals mit ihm wieder aus-<lb/>
zu&#x017F;o&#x0364;hnen; und daß Sie gegen alles Flehen &#x017F;einer<lb/>
edlen Anverwandten, gegen alles Bitten und alle<lb/>
Reue des unedlen Men&#x017F;chen &#x017F;elb&#x017F;t, in die&#x017F;er Ent-<lb/>
&#x017F;chließung beharren. Und alle Welt, die die Eh-<lb/>
re hat, <hi rendition="#fr">Sie</hi> zu kennen, oder von <hi rendition="#fr">ihm</hi> geho&#x0364;ret hat,<lb/>
loben Jhren Ent&#x017F;chluß mit vielem Beyfall, als<lb/>
einen Vor&#x017F;atz, der &#x017F;ich fu&#x0364;r Sie &#x017F;elb&#x017F;t, der &#x017F;ich fu&#x0364;r<lb/>
Jhre Tugend und die genaue Beobachtung der<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Ehre</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[144/0150] Der achtzehnte Brief von Herrn Wyerley an Fraͤulein Clariſſa Harlowe. Mittwoch. den 23ten Aug. Wertheſte Fraͤulein. Sie werden ſich wundern, daß Sie, nach Ver- lauf ſo langer Zeit, einen Antrag, der ſo aus- druͤcklich, ob gleich ſo hoͤflich, abgelehnet iſt, wie- der erneuret finden: allein, es mag aufgenommen werden, wie es will, ich muß ihn erneuren. Je- dermann hat gehoͤret, daß auf eine ſchaͤndliche Art mit Jhnen umgegangen iſt: von einem Men- ſchen, welcher der ſchaͤndlichſte Kerl in der Welt ſeyn mußte, daß er Jhnen uͤbel begegnen konnte. Jedermann weiß Jhren gerechten Unwillen uͤber ſeine niedertraͤchtige Begegnung: daß Sie feſt entſchloſſen ſind, ſich niemals mit ihm wieder aus- zuſoͤhnen; und daß Sie gegen alles Flehen ſeiner edlen Anverwandten, gegen alles Bitten und alle Reue des unedlen Menſchen ſelbſt, in dieſer Ent- ſchließung beharren. Und alle Welt, die die Eh- re hat, Sie zu kennen, oder von ihm gehoͤret hat, loben Jhren Entſchluß mit vielem Beyfall, als einen Vorſatz, der ſich fuͤr Sie ſelbſt, der ſich fuͤr Jhre Tugend und die genaue Beobachtung der Ehre

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/150
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/150>, abgerufen am 30.12.2024.