Der achtzehnte Brief von Fräulein Clarissa Harlowe an Fräulein Howe.
Donnerstags, den 6ten Jul.
Wenige Personen von jungen Jahren haben wohl überzeugendere Proben geben kön- nen, als ich selbst, wie wenig wahre Glückselig- keit in dem Genusse desjenigen, was wir selbst gewünschet, zu finden sey.
Jch will nur ein Beyspiel von der Wahr- heit dieser Anmerkung anführen. Was würde ich vor einigen Wochen darum gegeben haben: wenn ich von meiner lieben Fräulein Howe, auf de- ren Freundschaft ich allen meinen übrigen Trost und Hoffnung setzte, mit einem Briefe begünsti- get wäre? Jch ließ mir nicht in den Sinn kom- men, daß der erste Brief, mit dem Sie mich be- ehren würde, eine solche Sprache führen sollte, daß ich deswegen mehr als einmal auf die Un- terschrift zurück sehen müßte, damit ich versichert wäre, weil der Name nicht ganz ausgeschrieben, daß er nicht von einer andern A. H. unterzeich- net worden. Denn gewiß, dachte ich, dieß ist meiner Schwester Arabellens Schreibart. Wahrlich, Fräulein Howe; Sie mag mich in andern Stücken tadeln, so viel es Jhr gefällt;
hat
F 4
Der achtzehnte Brief von Fraͤulein Clariſſa Harlowe an Fraͤulein Howe.
Donnerſtags, den 6ten Jul.
Wenige Perſonen von jungen Jahren haben wohl uͤberzeugendere Proben geben koͤn- nen, als ich ſelbſt, wie wenig wahre Gluͤckſelig- keit in dem Genuſſe desjenigen, was wir ſelbſt gewuͤnſchet, zu finden ſey.
Jch will nur ein Beyſpiel von der Wahr- heit dieſer Anmerkung anfuͤhren. Was wuͤrde ich vor einigen Wochen darum gegeben haben: wenn ich von meiner lieben Fraͤulein Howe, auf de- ren Freundſchaft ich allen meinen uͤbrigen Troſt und Hoffnung ſetzte, mit einem Briefe beguͤnſti- get waͤre? Jch ließ mir nicht in den Sinn kom- men, daß der erſte Brief, mit dem Sie mich be- ehren wuͤrde, eine ſolche Sprache fuͤhren ſollte, daß ich deswegen mehr als einmal auf die Un- terſchrift zuruͤck ſehen muͤßte, damit ich verſichert waͤre, weil der Name nicht ganz ausgeſchrieben, daß er nicht von einer andern A. H. unterzeich- net worden. Denn gewiß, dachte ich, dieß iſt meiner Schweſter Arabellens Schreibart. Wahrlich, Fraͤulein Howe; Sie mag mich in andern Stuͤcken tadeln, ſo viel es Jhr gefaͤllt;
hat
F 4
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0093"n="87"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><divn="2"><head><hirendition="#fr">Der achtzehnte Brief</hi><lb/>
von<lb/><hirendition="#fr">Fraͤulein Clariſſa Harlowe an Fraͤulein<lb/>
Howe.</hi></head><lb/><dateline><hirendition="#et">Donnerſtags, den 6ten Jul.</hi></dateline><lb/><p><hirendition="#in">W</hi>enige Perſonen von jungen Jahren haben<lb/>
wohl uͤberzeugendere Proben geben koͤn-<lb/>
nen, als ich ſelbſt, wie wenig wahre Gluͤckſelig-<lb/>
keit in dem Genuſſe desjenigen, was wir ſelbſt<lb/>
gewuͤnſchet, zu finden ſey.</p><lb/><p>Jch will nur ein Beyſpiel von der Wahr-<lb/>
heit dieſer Anmerkung anfuͤhren. Was wuͤrde<lb/>
ich vor einigen Wochen darum gegeben haben:<lb/>
wenn ich von meiner lieben Fraͤulein Howe, auf de-<lb/>
ren Freundſchaft ich allen meinen uͤbrigen Troſt<lb/>
und Hoffnung ſetzte, mit einem Briefe beguͤnſti-<lb/>
get waͤre? Jch ließ mir nicht in den Sinn kom-<lb/>
men, daß der erſte Brief, mit dem Sie mich be-<lb/>
ehren wuͤrde, eine ſolche Sprache fuͤhren ſollte,<lb/>
daß ich deswegen mehr als einmal auf die Un-<lb/>
terſchrift zuruͤck ſehen muͤßte, damit ich verſichert<lb/>
waͤre, weil der Name nicht ganz ausgeſchrieben,<lb/>
daß er nicht von einer andern A. H. unterzeich-<lb/>
net worden. Denn gewiß, dachte ich, dieß iſt<lb/>
meiner Schweſter Arabellens Schreibart.<lb/>
Wahrlich, Fraͤulein Howe; Sie mag mich in<lb/>
andern Stuͤcken tadeln, ſo viel es Jhr gefaͤllt;<lb/><fwplace="bottom"type="sig">F 4</fw><fwplace="bottom"type="catch">hat</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[87/0093]
Der achtzehnte Brief
von
Fraͤulein Clariſſa Harlowe an Fraͤulein
Howe.
Donnerſtags, den 6ten Jul.
Wenige Perſonen von jungen Jahren haben
wohl uͤberzeugendere Proben geben koͤn-
nen, als ich ſelbſt, wie wenig wahre Gluͤckſelig-
keit in dem Genuſſe desjenigen, was wir ſelbſt
gewuͤnſchet, zu finden ſey.
Jch will nur ein Beyſpiel von der Wahr-
heit dieſer Anmerkung anfuͤhren. Was wuͤrde
ich vor einigen Wochen darum gegeben haben:
wenn ich von meiner lieben Fraͤulein Howe, auf de-
ren Freundſchaft ich allen meinen uͤbrigen Troſt
und Hoffnung ſetzte, mit einem Briefe beguͤnſti-
get waͤre? Jch ließ mir nicht in den Sinn kom-
men, daß der erſte Brief, mit dem Sie mich be-
ehren wuͤrde, eine ſolche Sprache fuͤhren ſollte,
daß ich deswegen mehr als einmal auf die Un-
terſchrift zuruͤck ſehen muͤßte, damit ich verſichert
waͤre, weil der Name nicht ganz ausgeſchrieben,
daß er nicht von einer andern A. H. unterzeich-
net worden. Denn gewiß, dachte ich, dieß iſt
meiner Schweſter Arabellens Schreibart.
Wahrlich, Fraͤulein Howe; Sie mag mich in
andern Stuͤcken tadeln, ſo viel es Jhr gefaͤllt;
hat
F 4
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/93>, abgerufen am 21.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.