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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750.

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Der hundert und vierte Brief
von
Herrn Lovelace an Fräulein Clarissa
Harlowe.

So wenig ich auch Ursache habe, ein geneigtes
Ohr oder ein vergebendes Herz bey Jhnen
für mich zu erwarten: so kann ich mich doch nicht
entbrechen, noch einmal an Sie zu schreiben; wel-
ches ein Zudringen ist, das eher zu verzeihen seyn
wird, als ein Besuch seyn würde; um Sie zu er-
suchen, daß Sie mich in den Stand setzen, die
Beleidigungen, welche Jhnen von mir widerfah-
ren sind, so weit es möglich ist, auszusöhnen und
wieder gut zu machen.

Jhre englischreine Tugend und mein erwach-
tes Gewissen sind beständige Zeugnisse Jhrer er-
habenen Verdienste und meiner abscheulichen
Niederträchtigkeit: allein Jhre Vergebung wird
mir eine ewige Verbindlichkeit gegen Sie aufle-
gen - - Vergeben Sie mir denn, mein liebstes
Leben, mein irdisches Gut und sichtbarer Anker
meiner künstigen Hoffnung! Wie Sie selbst; da
Sie glauben, etwas an sich zu haben, weswegen
Jhnen Vergebung nöthig ist; wie Sie selbst hof-
fen, Verzeihung zu erlangen: so vergeben Sie
auch mir, und erklären sich geneigt, unter Jhuen

beliebi-




Der hundert und vierte Brief
von
Herrn Lovelace an Fraͤulein Clariſſa
Harlowe.

So wenig ich auch Urſache habe, ein geneigtes
Ohr oder ein vergebendes Herz bey Jhnen
fuͤr mich zu erwarten: ſo kann ich mich doch nicht
entbrechen, noch einmal an Sie zu ſchreiben; wel-
ches ein Zudringen iſt, das eher zu verzeihen ſeyn
wird, als ein Beſuch ſeyn wuͤrde; um Sie zu er-
ſuchen, daß Sie mich in den Stand ſetzen, die
Beleidigungen, welche Jhnen von mir widerfah-
ren ſind, ſo weit es moͤglich iſt, auszuſoͤhnen und
wieder gut zu machen.

Jhre engliſchreine Tugend und mein erwach-
tes Gewiſſen ſind beſtaͤndige Zeugniſſe Jhrer er-
habenen Verdienſte und meiner abſcheulichen
Niedertraͤchtigkeit: allein Jhre Vergebung wird
mir eine ewige Verbindlichkeit gegen Sie aufle-
gen ‒ ‒ Vergeben Sie mir denn, mein liebſtes
Leben, mein irdiſches Gut und ſichtbarer Anker
meiner kuͤnſtigen Hoffnung! Wie Sie ſelbſt; da
Sie glauben, etwas an ſich zu haben, weswegen
Jhnen Vergebung noͤthig iſt; wie Sie ſelbſt hof-
fen, Verzeihung zu erlangen: ſo vergeben Sie
auch mir, und erklaͤren ſich geneigt, unter Jhuen

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[712/0718] Der hundert und vierte Brief von Herrn Lovelace an Fraͤulein Clariſſa Harlowe. Montags, den 7ten Aug. So wenig ich auch Urſache habe, ein geneigtes Ohr oder ein vergebendes Herz bey Jhnen fuͤr mich zu erwarten: ſo kann ich mich doch nicht entbrechen, noch einmal an Sie zu ſchreiben; wel- ches ein Zudringen iſt, das eher zu verzeihen ſeyn wird, als ein Beſuch ſeyn wuͤrde; um Sie zu er- ſuchen, daß Sie mich in den Stand ſetzen, die Beleidigungen, welche Jhnen von mir widerfah- ren ſind, ſo weit es moͤglich iſt, auszuſoͤhnen und wieder gut zu machen. Jhre engliſchreine Tugend und mein erwach- tes Gewiſſen ſind beſtaͤndige Zeugniſſe Jhrer er- habenen Verdienſte und meiner abſcheulichen Niedertraͤchtigkeit: allein Jhre Vergebung wird mir eine ewige Verbindlichkeit gegen Sie aufle- gen ‒ ‒ Vergeben Sie mir denn, mein liebſtes Leben, mein irdiſches Gut und ſichtbarer Anker meiner kuͤnſtigen Hoffnung! Wie Sie ſelbſt; da Sie glauben, etwas an ſich zu haben, weswegen Jhnen Vergebung noͤthig iſt; wie Sie ſelbſt hof- fen, Verzeihung zu erlangen: ſo vergeben Sie auch mir, und erklaͤren ſich geneigt, unter Jhuen beliebi-

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 712. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/718>, abgerufen am 21.12.2024.