Der drey und achtzigste Brief von Frau Harlowe an Frau Judith Norton.
Sonntags, den 30ten Jul.
Wir kennen alle Jhre tugendhafte Klugheit, liebe Frau Norton: wir kennen sie alle. Aber Jhre Parteylichkeit für dieß ihr unbesonne- nes Schooßkind ist uns ebenfalls bekannt: und wir kennen nicht weniger die Gabe der Unglück- seligen, ihr Elend so nachdrücklich zu schildern, daß es einen Stein rühren möchte.
Jedermann ist der Meynung, daß das liebe boshaftige Kind es darauf anfängt, Vergebung zu erlangen und wieder aufgenommen zu werden. Aus der Ursache ist Elisabethen verboten worden; nicht von mir, das können Sie sicher glauben; etwas mehr von ihren Briefen zu sagen: denn sie redete mit meiner Arabelle von einigen rührenden Stellen, welche Sie ihr vorgelesen haben.
Dieß
Misfallen zuziehen: ſondern es wuͤrde ihr auch das Herz, welches ſchon halb gebrochen iſt, nur ganz brechen.
Der drey und achtzigſte Brief von Frau Harlowe an Frau Judith Norton.
Sonntags, den 30ten Jul.
Wir kennen alle Jhre tugendhafte Klugheit, liebe Frau Norton: wir kennen ſie alle. Aber Jhre Parteylichkeit fuͤr dieß ihr unbeſonne- nes Schooßkind iſt uns ebenfalls bekannt: und wir kennen nicht weniger die Gabe der Ungluͤck- ſeligen, ihr Elend ſo nachdruͤcklich zu ſchildern, daß es einen Stein ruͤhren moͤchte.
Jedermann iſt der Meynung, daß das liebe boshaftige Kind es darauf anfaͤngt, Vergebung zu erlangen und wieder aufgenommen zu werden. Aus der Urſache iſt Eliſabethen verboten worden; nicht von mir, das koͤnnen Sie ſicher glauben; etwas mehr von ihren Briefen zu ſagen: denn ſie redete mit meiner Arabelle von einigen ruͤhrenden Stellen, welche Sie ihr vorgeleſen haben.
Dieß
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Misfallen zuziehen: ſondern es wuͤrde ihr auch
das Herz, welches ſchon halb gebrochen iſt, nur
ganz brechen.
Jch bin, gnaͤdige Frau,
Jhre gehorſamſte und beſtaͤndig
verpflichtete Dienerinn
Judith Norton.
Der drey und achtzigſte Brief
von
Frau Harlowe an Frau Judith Norton.
Sonntags, den 30ten Jul.
Wir kennen alle Jhre tugendhafte Klugheit,
liebe Frau Norton: wir kennen ſie alle.
Aber Jhre Parteylichkeit fuͤr dieß ihr unbeſonne-
nes Schooßkind iſt uns ebenfalls bekannt: und
wir kennen nicht weniger die Gabe der Ungluͤck-
ſeligen, ihr Elend ſo nachdruͤcklich zu ſchildern,
daß es einen Stein ruͤhren moͤchte.
Jedermann iſt der Meynung, daß das liebe
boshaftige Kind es darauf anfaͤngt, Vergebung
zu erlangen und wieder aufgenommen zu werden.
Aus der Urſache iſt Eliſabethen verboten worden;
nicht von mir, das koͤnnen Sie ſicher glauben;
etwas mehr von ihren Briefen zu ſagen: denn ſie
redete mit meiner Arabelle von einigen ruͤhrenden
Stellen, welche Sie ihr vorgeleſen haben.
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 618. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/624>, abgerufen am 21.11.2024.
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