nichts gewußt. Bey meiner Treue, Lovelace, ich werde nach diesem eine bessere Meynung von der Einsicht, und dem Geschmack vieler Pfarrer ha- ben, mit denen ich zu meiner Zeit zusammen gekommen bin, und die ich deswegen mit Ver- achtung angesehen, weil sie, wie ich dachte, die Art des Ausdrucks und die Aussprüche, welche in derselben gefunden werden, vor allen alten Dich- tern und Weltweisen zu hoch preiseten. Und eben dieß ist nun ein überzeugender Beweis für mich, der so wohl die vermessene Einbildung ei- nes Ungläubigen, als seine Unwissenheit beschä- met, daß diejenigen, welche am wenigsten wissen, die größten Spötter sind. Ein artiger Haufe von Klüglingen sind wir, die ohne Kenntniß ta- deln, ohne Ursache lachen, und am meisten lermen und schreyen gegen Dinge, von denen wir am wenigsten wissen!
Der zwey und siebzigste Brief von Hrn. Belford an Herrn Robert Lovelace.
Mittwoch. den 26ten Jul.
Jch bin erst heute frühe nach London gekom- men: weil der arme Belton mir auf dem Halse war, als ein Mensch, der sich sonst an nie- mand halten kann.
Jch
nichts gewußt. Bey meiner Treue, Lovelace, ich werde nach dieſem eine beſſere Meynung von der Einſicht, und dem Geſchmack vieler Pfarrer ha- ben, mit denen ich zu meiner Zeit zuſammen gekommen bin, und die ich deswegen mit Ver- achtung angeſehen, weil ſie, wie ich dachte, die Art des Ausdrucks und die Ausſpruͤche, welche in derſelben gefunden werden, vor allen alten Dich- tern und Weltweiſen zu hoch preiſeten. Und eben dieß iſt nun ein uͤberzeugender Beweis fuͤr mich, der ſo wohl die vermeſſene Einbildung ei- nes Unglaͤubigen, als ſeine Unwiſſenheit beſchaͤ- met, daß diejenigen, welche am wenigſten wiſſen, die groͤßten Spoͤtter ſind. Ein artiger Haufe von Kluͤglingen ſind wir, die ohne Kenntniß ta- deln, ohne Urſache lachen, und am meiſten lermen und ſchreyen gegen Dinge, von denen wir am wenigſten wiſſen!
Der zwey und ſiebzigſte Brief von Hrn. Belford an Herrn Robert Lovelace.
Mittwoch. den 26ten Jul.
Jch bin erſt heute fruͤhe nach London gekom- men: weil der arme Belton mir auf dem Halſe war, als ein Menſch, der ſich ſonſt an nie- mand halten kann.
Jch
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nichts gewußt. Bey meiner Treue, Lovelace, ich
werde nach dieſem eine beſſere Meynung von der
Einſicht, und dem Geſchmack vieler Pfarrer ha-
ben, mit denen ich zu meiner Zeit zuſammen
gekommen bin, und die ich deswegen mit Ver-
achtung angeſehen, weil ſie, wie ich dachte, die
Art des Ausdrucks und die Ausſpruͤche, welche in
derſelben gefunden werden, vor allen alten Dich-
tern und Weltweiſen zu hoch preiſeten. Und
eben dieß iſt nun ein uͤberzeugender Beweis fuͤr
mich, der ſo wohl die vermeſſene Einbildung ei-
nes Unglaͤubigen, als ſeine Unwiſſenheit beſchaͤ-
met, daß diejenigen, welche am wenigſten wiſſen,
die groͤßten Spoͤtter ſind. Ein artiger Haufe
von Kluͤglingen ſind wir, die ohne Kenntniß ta-
deln, ohne Urſache lachen, und am meiſten lermen
und ſchreyen gegen Dinge, von denen wir am
wenigſten wiſſen!
Der zwey und ſiebzigſte Brief
von
Hrn. Belford an Herrn Robert Lovelace.
Mittwoch. den 26ten Jul.
Jch bin erſt heute fruͤhe nach London gekom-
men: weil der arme Belton mir auf dem
Halſe war, als ein Menſch, der ſich ſonſt an nie-
mand halten kann.
Jch
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 520. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/526>, abgerufen am 21.12.2024.
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