Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite




Der drey und sechzigste Brief
von
Frau Harlowe an Frau Howe.

Gnädige Frau.

Jch sende Jhnen eingeschlossene Abschriften
von fünf Briefen, die zwischen Fräulein
Howe und meiner Arabelle gewechselt sind. Sie
besitzen so viel Klugheit und Einsicht, und kön-
nen, da Sie selbst eine Mutter sind, an dem Un-
glück unserer ganzen Familie wegen der Unbeson-
nenheit und Undankbarkeit eines Kindes, von
welchem wir ehemals ganz eingenommen waren,
so wohl Theil nehmen, daß ich sagen darf, Sie
werden die wunderlichen Freyheiten, die sich Jh-
re Tochter gegen uns alle herausgenommen hat,
nicht billigen und befördern. Die gegenwärti-
gen sind nicht die einzigen, worüber wir uns zu
beklagen haben: allein wir haben zu den andern
stille geschwiegen; weil sie nicht, wie diese, zu Pa-
pier gebracht sind. Wir bitten nur, daß wir mit
den Anmerkungen von einem jungen Frauenzim-
mer verschont werden mögen, welches nicht weiß,
was wir durch die Unbesonnenheit eines leichtfer-
tigen Mägdchens gelitten haben, und noch leiden;
eines leichtfertigen Mägdchens, das über sich
selbst Unglück, und über eine Familie, die sie alles

Ver-




Der drey und ſechzigſte Brief
von
Frau Harlowe an Frau Howe.

Gnaͤdige Frau.

Jch ſende Jhnen eingeſchloſſene Abſchriften
von fuͤnf Briefen, die zwiſchen Fraͤulein
Howe und meiner Arabelle gewechſelt ſind. Sie
beſitzen ſo viel Klugheit und Einſicht, und koͤn-
nen, da Sie ſelbſt eine Mutter ſind, an dem Un-
gluͤck unſerer ganzen Familie wegen der Unbeſon-
nenheit und Undankbarkeit eines Kindes, von
welchem wir ehemals ganz eingenommen waren,
ſo wohl Theil nehmen, daß ich ſagen darf, Sie
werden die wunderlichen Freyheiten, die ſich Jh-
re Tochter gegen uns alle herausgenommen hat,
nicht billigen und befoͤrdern. Die gegenwaͤrti-
gen ſind nicht die einzigen, woruͤber wir uns zu
beklagen haben: allein wir haben zu den andern
ſtille geſchwiegen; weil ſie nicht, wie dieſe, zu Pa-
pier gebracht ſind. Wir bitten nur, daß wir mit
den Anmerkungen von einem jungen Frauenzim-
mer verſchont werden moͤgen, welches nicht weiß,
was wir durch die Unbeſonnenheit eines leichtfer-
tigen Maͤgdchens gelitten haben, und noch leiden;
eines leichtfertigen Maͤgdchens, das uͤber ſich
ſelbſt Ungluͤck, und uͤber eine Familie, die ſie alles

Ver-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0476" n="470"/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#fr">Der drey und &#x017F;echzig&#x017F;te Brief</hi><lb/>
von<lb/><hi rendition="#fr">Frau Harlowe an Frau Howe.</hi></head><lb/>
          <dateline> <hi rendition="#et">Sonnabends, den 22ten Jul.</hi> </dateline><lb/>
          <salute> <hi rendition="#b">Gna&#x0364;dige Frau.</hi> </salute><lb/>
          <p><hi rendition="#in">J</hi>ch &#x017F;ende Jhnen einge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;ene Ab&#x017F;chriften<lb/>
von fu&#x0364;nf Briefen, die zwi&#x017F;chen Fra&#x0364;ulein<lb/>
Howe und meiner Arabelle gewech&#x017F;elt &#x017F;ind. Sie<lb/>
be&#x017F;itzen &#x017F;o viel Klugheit und Ein&#x017F;icht, und ko&#x0364;n-<lb/>
nen, da Sie &#x017F;elb&#x017F;t eine Mutter &#x017F;ind, an dem Un-<lb/>
glu&#x0364;ck un&#x017F;erer ganzen Familie wegen der Unbe&#x017F;on-<lb/>
nenheit und Undankbarkeit eines Kindes, von<lb/>
welchem wir ehemals ganz eingenommen waren,<lb/>
&#x017F;o wohl Theil nehmen, daß ich &#x017F;agen darf, Sie<lb/>
werden die wunderlichen Freyheiten, die &#x017F;ich Jh-<lb/>
re Tochter gegen uns alle herausgenommen hat,<lb/>
nicht billigen und befo&#x0364;rdern. Die gegenwa&#x0364;rti-<lb/>
gen &#x017F;ind nicht die einzigen, woru&#x0364;ber wir uns zu<lb/>
beklagen haben: allein wir haben zu den andern<lb/>
&#x017F;tille ge&#x017F;chwiegen; weil &#x017F;ie nicht, wie die&#x017F;e, zu Pa-<lb/>
pier gebracht &#x017F;ind. Wir bitten nur, daß wir mit<lb/>
den Anmerkungen von einem jungen Frauenzim-<lb/>
mer ver&#x017F;chont werden mo&#x0364;gen, welches nicht weiß,<lb/>
was wir durch die Unbe&#x017F;onnenheit eines leichtfer-<lb/>
tigen Ma&#x0364;gdchens gelitten haben, und noch leiden;<lb/>
eines leichtfertigen Ma&#x0364;gdchens, das u&#x0364;ber &#x017F;ich<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t Unglu&#x0364;ck, und u&#x0364;ber eine Familie, die &#x017F;ie alles<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Ver-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[470/0476] Der drey und ſechzigſte Brief von Frau Harlowe an Frau Howe. Sonnabends, den 22ten Jul. Gnaͤdige Frau. Jch ſende Jhnen eingeſchloſſene Abſchriften von fuͤnf Briefen, die zwiſchen Fraͤulein Howe und meiner Arabelle gewechſelt ſind. Sie beſitzen ſo viel Klugheit und Einſicht, und koͤn- nen, da Sie ſelbſt eine Mutter ſind, an dem Un- gluͤck unſerer ganzen Familie wegen der Unbeſon- nenheit und Undankbarkeit eines Kindes, von welchem wir ehemals ganz eingenommen waren, ſo wohl Theil nehmen, daß ich ſagen darf, Sie werden die wunderlichen Freyheiten, die ſich Jh- re Tochter gegen uns alle herausgenommen hat, nicht billigen und befoͤrdern. Die gegenwaͤrti- gen ſind nicht die einzigen, woruͤber wir uns zu beklagen haben: allein wir haben zu den andern ſtille geſchwiegen; weil ſie nicht, wie dieſe, zu Pa- pier gebracht ſind. Wir bitten nur, daß wir mit den Anmerkungen von einem jungen Frauenzim- mer verſchont werden moͤgen, welches nicht weiß, was wir durch die Unbeſonnenheit eines leichtfer- tigen Maͤgdchens gelitten haben, und noch leiden; eines leichtfertigen Maͤgdchens, das uͤber ſich ſelbſt Ungluͤck, und uͤber eine Familie, die ſie alles Ver-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/476
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 470. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/476>, abgerufen am 21.11.2024.