Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite




Der drey und dreyßigste Brief
von
Herrn Lovelace an Herrn Joh. Belford.

So denken sie nun, Bruder, daß sie gewaltig
viel gewonnen haben. Allein sollte ich an-
deres Sinnes werden; sollte es mich reuen: so,
glaube ich, bin ich sicher - - Und gleichwohl fällt
es mir diesen Augenblick in den Sinn, daß dem
Dinge doch schwerlich zu trauen sey. Denn es
muß gewiß da, wo erst vor so kurzer Zeit Feuer
gewesen ist, noch etwas unter der Asche glimmen,
das sich aufrühren läßt, verbrennliche Waare, die
los darüber gestreuet ist, in Flamme zu setzen.
Mit der Liebe ist es nicht anders, als wie mit ei-
nigen Pflanzen oder Wurzeln, die sich selbst fort-
pflanzen, und schon stark in die Erde eingegriffen
haben. Wenn sie einmal tief in das Herz ge-
drungen: so läßt sie sich schwerlich jemals ganz
und gar
ausrotten; ausgenommen, in Wahr-
heit, durch die Ehe, welche das Grab für die
Liebe ist, weil sie leidet, daß die Liebe ein En-
de nehme. Dazu kommen noch diese Frauenzim-
mer, alle als Fürsprecherinnen für sie, mit ihr,
und vielleicht mit der Fräulein Howe, an ihrer
Spitze - - Nicht zu meinem Besten; - - das
erwarte ich von der Fräulein Howe nicht: - -

son-




Der drey und dreyßigſte Brief
von
Herrn Lovelace an Herrn Joh. Belford.

So denken ſie nun, Bruder, daß ſie gewaltig
viel gewonnen haben. Allein ſollte ich an-
deres Sinnes werden; ſollte es mich reuen: ſo,
glaube ich, bin ich ſicher ‒ ‒ Und gleichwohl faͤllt
es mir dieſen Augenblick in den Sinn, daß dem
Dinge doch ſchwerlich zu trauen ſey. Denn es
muß gewiß da, wo erſt vor ſo kurzer Zeit Feuer
geweſen iſt, noch etwas unter der Aſche glimmen,
das ſich aufruͤhren laͤßt, verbrennliche Waare, die
los daruͤber geſtreuet iſt, in Flamme zu ſetzen.
Mit der Liebe iſt es nicht anders, als wie mit ei-
nigen Pflanzen oder Wurzeln, die ſich ſelbſt fort-
pflanzen, und ſchon ſtark in die Erde eingegriffen
haben. Wenn ſie einmal tief in das Herz ge-
drungen: ſo laͤßt ſie ſich ſchwerlich jemals ganz
und gar
ausrotten; ausgenommen, in Wahr-
heit, durch die Ehe, welche das Grab fuͤr die
Liebe iſt, weil ſie leidet, daß die Liebe ein En-
de nehme. Dazu kommen noch dieſe Frauenzim-
mer, alle als Fuͤrſprecherinnen fuͤr ſie, mit ihr,
und vielleicht mit der Fraͤulein Howe, an ihrer
Spitze ‒ ‒ Nicht zu meinem Beſten; ‒ ‒ das
erwarte ich von der Fraͤulein Howe nicht: ‒ ‒

ſon-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0242" n="236"/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#fr">Der drey und dreyßig&#x017F;te Brief</hi><lb/>
von<lb/><hi rendition="#fr">Herrn Lovelace an Herrn Joh. Belford.</hi></head><lb/>
          <dateline> <hi rendition="#et">Mittwoch. den 12ten Jul.</hi> </dateline><lb/>
          <p><hi rendition="#in">S</hi>o denken &#x017F;ie nun, Bruder, daß &#x017F;ie gewaltig<lb/>
viel gewonnen haben. Allein <hi rendition="#fr">&#x017F;ollte</hi> ich an-<lb/>
deres Sinnes werden; <hi rendition="#fr">&#x017F;ollte</hi> es mich reuen: &#x017F;o,<lb/>
glaube ich, bin ich &#x017F;icher &#x2012; &#x2012; Und gleichwohl fa&#x0364;llt<lb/>
es mir die&#x017F;en Augenblick in den Sinn, daß dem<lb/>
Dinge doch &#x017F;chwerlich zu trauen &#x017F;ey. Denn es<lb/>
muß gewiß da, wo er&#x017F;t vor &#x017F;o kurzer Zeit Feuer<lb/>
gewe&#x017F;en i&#x017F;t, noch etwas unter der A&#x017F;che glimmen,<lb/>
das &#x017F;ich aufru&#x0364;hren la&#x0364;ßt, verbrennliche Waare, die<lb/>
los daru&#x0364;ber ge&#x017F;treuet i&#x017F;t, in Flamme zu &#x017F;etzen.<lb/>
Mit der Liebe i&#x017F;t es nicht anders, als wie mit ei-<lb/>
nigen Pflanzen oder Wurzeln, die &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t fort-<lb/>
pflanzen, und &#x017F;chon &#x017F;tark in die Erde eingegriffen<lb/>
haben. Wenn &#x017F;ie einmal tief in das Herz ge-<lb/>
drungen: &#x017F;o la&#x0364;ßt &#x017F;ie &#x017F;ich &#x017F;chwerlich jemals <hi rendition="#fr">ganz<lb/>
und gar</hi> ausrotten; ausgenommen, in Wahr-<lb/>
heit, durch die Ehe, welche das Grab fu&#x0364;r die<lb/>
Liebe i&#x017F;t, weil &#x017F;ie leidet, daß die Liebe ein En-<lb/>
de nehme. Dazu kommen noch die&#x017F;e Frauenzim-<lb/>
mer, alle als Fu&#x0364;r&#x017F;precherinnen fu&#x0364;r <hi rendition="#fr">&#x017F;ie,</hi> mit <hi rendition="#fr">ihr,</hi><lb/>
und vielleicht mit der Fra&#x0364;ulein Howe, an ihrer<lb/>
Spitze &#x2012; &#x2012; Nicht zu meinem Be&#x017F;ten; &#x2012; &#x2012; das<lb/>
erwarte ich von der Fra&#x0364;ulein Howe nicht: &#x2012; &#x2012;<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;on-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[236/0242] Der drey und dreyßigſte Brief von Herrn Lovelace an Herrn Joh. Belford. Mittwoch. den 12ten Jul. So denken ſie nun, Bruder, daß ſie gewaltig viel gewonnen haben. Allein ſollte ich an- deres Sinnes werden; ſollte es mich reuen: ſo, glaube ich, bin ich ſicher ‒ ‒ Und gleichwohl faͤllt es mir dieſen Augenblick in den Sinn, daß dem Dinge doch ſchwerlich zu trauen ſey. Denn es muß gewiß da, wo erſt vor ſo kurzer Zeit Feuer geweſen iſt, noch etwas unter der Aſche glimmen, das ſich aufruͤhren laͤßt, verbrennliche Waare, die los daruͤber geſtreuet iſt, in Flamme zu ſetzen. Mit der Liebe iſt es nicht anders, als wie mit ei- nigen Pflanzen oder Wurzeln, die ſich ſelbſt fort- pflanzen, und ſchon ſtark in die Erde eingegriffen haben. Wenn ſie einmal tief in das Herz ge- drungen: ſo laͤßt ſie ſich ſchwerlich jemals ganz und gar ausrotten; ausgenommen, in Wahr- heit, durch die Ehe, welche das Grab fuͤr die Liebe iſt, weil ſie leidet, daß die Liebe ein En- de nehme. Dazu kommen noch dieſe Frauenzim- mer, alle als Fuͤrſprecherinnen fuͤr ſie, mit ihr, und vielleicht mit der Fraͤulein Howe, an ihrer Spitze ‒ ‒ Nicht zu meinem Beſten; ‒ ‒ das erwarte ich von der Fraͤulein Howe nicht: ‒ ‒ ſon-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/242
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/242>, abgerufen am 21.11.2024.