mal zu. Wenn sie die Wirklichkeit der Gefahr sehen, die zu diesem ihren unglücklichen Wider- willen Gelegenheit gegeben hat: so werden sie nicht so hart von mir denken. Und darf ich sie nicht bitten, ein Versprechen zu erfüllen, worauf ich eine nicht ganz und gar unedelmüthige Zu- versicht gesetzet habe?
Jch kann sie nicht sehen! O wäre es dem Himmel gefällig gewesen, daß ich sie nie gesehen hätte! Wenn ich schreibe: so ist das alles, was ich thun kann.
So lassen sie dann ihr Schreiben, mein lieb- stes Leben, auch ihr Versprechen bestätigen. Jn Erwartung desselben will ich weggehen.
Nach eilf Uhr.
Eben itzo klingelte sie, daß Dorcas kommen sollte, und gab ihr, mit der Thüre in der Hand, die nur halb geösfnet war, ein Zettelchen an mich.
Wie sahe das liebe Kind aus, Dorcas?
Sie war angekleidet, wandte ihr Gesicht ei- lend von mir weg und seufzete, als wenn ihr das Herz brechen wollte.
Angenehmes Kind! - - Jch küßte die nasse Oblate und zog sie mit meinem Odem von dem Papier.
Hier ist der Jnhalt. - Kein obengeschrieb- nes Herr! Kein Herr Lovelace!
Jch kann sie nicht sehen. Jch will es auch nicht, wofern ich es ändern kann. Worte kön-
nen
mal zu. Wenn ſie die Wirklichkeit der Gefahr ſehen, die zu dieſem ihren ungluͤcklichen Wider- willen Gelegenheit gegeben hat: ſo werden ſie nicht ſo hart von mir denken. Und darf ich ſie nicht bitten, ein Verſprechen zu erfuͤllen, worauf ich eine nicht ganz und gar unedelmuͤthige Zu- verſicht geſetzet habe?
Jch kann ſie nicht ſehen! O waͤre es dem Himmel gefaͤllig geweſen, daß ich ſie nie geſehen haͤtte! Wenn ich ſchreibe: ſo iſt das alles, was ich thun kann.
So laſſen ſie dann ihr Schreiben, mein lieb- ſtes Leben, auch ihr Verſprechen beſtaͤtigen. Jn Erwartung deſſelben will ich weggehen.
Nach eilf Uhr.
Eben itzo klingelte ſie, daß Dorcas kommen ſollte, und gab ihr, mit der Thuͤre in der Hand, die nur halb geoͤſfnet war, ein Zettelchen an mich.
Wie ſahe das liebe Kind aus, Dorcas?
Sie war angekleidet, wandte ihr Geſicht ei- lend von mir weg und ſeufzete, als wenn ihr das Herz brechen wollte.
Angenehmes Kind! ‒ ‒ Jch kuͤßte die naſſe Oblate und zog ſie mit meinem Odem von dem Papier.
Hier iſt der Jnhalt. ‒ Kein obengeſchrieb- nes Herr! Kein Herr Lovelace!
Jch kann ſie nicht ſehen. Jch will es auch nicht, wofern ich es aͤndern kann. Worte koͤn-
nen
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mal zu. Wenn ſie die Wirklichkeit der Gefahr
ſehen, die zu dieſem ihren ungluͤcklichen Wider-
willen Gelegenheit gegeben hat: ſo werden ſie
nicht ſo hart von mir denken. Und darf ich ſie
nicht bitten, ein Verſprechen zu erfuͤllen, worauf
ich eine nicht ganz und gar unedelmuͤthige Zu-
verſicht geſetzet habe?
Jch kann ſie nicht ſehen! O waͤre es dem
Himmel gefaͤllig geweſen, daß ich ſie nie geſehen
haͤtte! Wenn ich ſchreibe: ſo iſt das alles, was
ich thun kann.
So laſſen ſie dann ihr Schreiben, mein lieb-
ſtes Leben, auch ihr Verſprechen beſtaͤtigen. Jn
Erwartung deſſelben will ich weggehen.
Nach eilf Uhr.
Eben itzo klingelte ſie, daß Dorcas kommen
ſollte, und gab ihr, mit der Thuͤre in der Hand,
die nur halb geoͤſfnet war, ein Zettelchen an
mich.
Wie ſahe das liebe Kind aus, Dorcas?
Sie war angekleidet, wandte ihr Geſicht ei-
lend von mir weg und ſeufzete, als wenn ihr das
Herz brechen wollte.
Angenehmes Kind! ‒ ‒ Jch kuͤßte die naſſe
Oblate und zog ſie mit meinem Odem von dem
Papier.
Hier iſt der Jnhalt. ‒ Kein obengeſchrieb-
nes Herr! Kein Herr Lovelace!
Jch kann ſie nicht ſehen. Jch will es auch
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/99>, abgerufen am 21.11.2024.
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