Der zwey und sechzigste Brief von Herrn Lovelace an Herrn Joh. Belford.
Freytags in der Nacht, oder vielmehr Sonn- abends frühe um ein Uhr.
Jch dachte, ich würde weder Zeit noch Lust ge- habt haben, annoch eine Zeile zu schreiben, ehe ich zu M. Hall ankäme. Aber die erste ist schon da; und die letzte muß sich finden: weil ich weder schlafen, noch etwas anders thun kann, als schreiben; wo ich dieß noch thun kann. Jch bin verzweifelt verdrieslich. Die Ursache mag fol- gen: wo sie folgen will - - Jch mache keine Vorbereitung dazu.
Jch versuchte durch Freundlichkeit und Liebe zu erweichen - - Was? - - Marmor. Ein Herz, das weder zur Liebe, noch zur Freundlich- keit geschickt ist. Jhre vorigen Beleidigungen stecken ihr ewig in dem Kopfe. Sie war wohl bereit, eine Gunstbezeigung, die Erlaubniß, daß sie nach Hampstead gehen möchte, anzunehmen: aber, sie weder zu verdienen, noch durch irgend eine Gunst an ihrer Seite zu vergelten, geneigt. Also ward mein Vorschlag, sie durch Güte zu ge- winnen, bald aufgegeben.
Jch wollte dann nur gereizet seyn: wie ein feiger Bube, der auf den ersten Schlag wartet,
ehe
Der zwey und ſechzigſte Brief von Herrn Lovelace an Herrn Joh. Belford.
Freytags in der Nacht, oder vielmehr Sonn- abends fruͤhe um ein Uhr.
Jch dachte, ich wuͤrde weder Zeit noch Luſt ge- habt haben, annoch eine Zeile zu ſchreiben, ehe ich zu M. Hall ankaͤme. Aber die erſte iſt ſchon da; und die letzte muß ſich finden: weil ich weder ſchlafen, noch etwas anders thun kann, als ſchreiben; wo ich dieß noch thun kann. Jch bin verzweifelt verdrieslich. Die Urſache mag fol- gen: wo ſie folgen will ‒ ‒ Jch mache keine Vorbereitung dazu.
Jch verſuchte durch Freundlichkeit und Liebe zu erweichen ‒ ‒ Was? ‒ ‒ Marmor. Ein Herz, das weder zur Liebe, noch zur Freundlich- keit geſchickt iſt. Jhre vorigen Beleidigungen ſtecken ihr ewig in dem Kopfe. Sie war wohl bereit, eine Gunſtbezeigung, die Erlaubniß, daß ſie nach Hampſtead gehen moͤchte, anzunehmen: aber, ſie weder zu verdienen, noch durch irgend eine Gunſt an ihrer Seite zu vergelten, geneigt. Alſo ward mein Vorſchlag, ſie durch Guͤte zu ge- winnen, bald aufgegeben.
Jch wollte dann nur gereizet ſeyn: wie ein feiger Bube, der auf den erſten Schlag wartet,
ehe
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[798/0804]
Der zwey und ſechzigſte Brief
von
Herrn Lovelace an Herrn Joh. Belford.
Freytags in der Nacht, oder vielmehr Sonn-
abends fruͤhe um ein Uhr.
Jch dachte, ich wuͤrde weder Zeit noch Luſt ge-
habt haben, annoch eine Zeile zu ſchreiben,
ehe ich zu M. Hall ankaͤme. Aber die erſte iſt
ſchon da; und die letzte muß ſich finden: weil ich
weder ſchlafen, noch etwas anders thun kann, als
ſchreiben; wo ich dieß noch thun kann. Jch bin
verzweifelt verdrieslich. Die Urſache mag fol-
gen: wo ſie folgen will ‒ ‒ Jch mache keine
Vorbereitung dazu.
Jch verſuchte durch Freundlichkeit und Liebe
zu erweichen ‒ ‒ Was? ‒ ‒ Marmor. Ein
Herz, das weder zur Liebe, noch zur Freundlich-
keit geſchickt iſt. Jhre vorigen Beleidigungen
ſtecken ihr ewig in dem Kopfe. Sie war wohl
bereit, eine Gunſtbezeigung, die Erlaubniß, daß
ſie nach Hampſtead gehen moͤchte, anzunehmen:
aber, ſie weder zu verdienen, noch durch irgend
eine Gunſt an ihrer Seite zu vergelten, geneigt.
Alſo ward mein Vorſchlag, ſie durch Guͤte zu ge-
winnen, bald aufgegeben.
Jch wollte dann nur gereizet ſeyn: wie ein
feiger Bube, der auf den erſten Schlag wartet,
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 798. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/804>, abgerufen am 03.12.2024.
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