Der siebende Brief von Herrn Lovelace an Hrn. Joh. Belford.
Donnerstags, Morgens um fünfe (den 8ten Jun.)
Nun ist meine Besserung gewiß: denn ich werde niemals ein anderes Frauenzimmer lieben! - O sie ist lauter Abwechselung! Sie muß mir allezeit neu seyn - Einen so ausneh- mend, so anständig liebreizenden Engel kann kei- ne Einbildungskraft vorstellen, viel weniger ein Pinsel schildern, noch die Seele der Mahlerey, die Dichtkunst, beschreiben! - - Jedoch ich will deine Ungeduld nicht zum voraus stillen. Ob die Sache gleich für ungeheiligte Augen zu heilig ist: so sollst du sie doch ganz vor dir sehen, wie sie zu- gegangen ist; und das nicht von einem witzigen Kopf, der seine Kunst zu beschreiben bey einem so reichen Stoffe sehen lassen will, sondern mit ei- nem Vorsatze deinen schwärmenden Gedanken ein Ziel zu stecken. Sie weiter gehn zu lassen, als ich gestehen werde, würde eine größere Bosheit seyn, als sich ein Lovelace jemals schuldig ge- macht hat.
So führe ich dich denn zur Sache: indem ich mein letztes Schreiben mit dem gegenwärti- gen verbinde.
Hast
E 3
Der ſiebende Brief von Herrn Lovelace an Hrn. Joh. Belford.
Donnerſtags, Morgens um fuͤnfe (den 8ten Jun.)
Nun iſt meine Beſſerung gewiß: denn ich werde niemals ein anderes Frauenzimmer lieben! ‒ O ſie iſt lauter Abwechſelung! Sie muß mir allezeit neu ſeyn ‒ Einen ſo ausneh- mend, ſo anſtaͤndig liebreizenden Engel kann kei- ne Einbildungskraft vorſtellen, viel weniger ein Pinſel ſchildern, noch die Seele der Mahlerey, die Dichtkunſt, beſchreiben! ‒ ‒ Jedoch ich will deine Ungeduld nicht zum voraus ſtillen. Ob die Sache gleich fuͤr ungeheiligte Augen zu heilig iſt: ſo ſollſt du ſie doch ganz vor dir ſehen, wie ſie zu- gegangen iſt; und das nicht von einem witzigen Kopf, der ſeine Kunſt zu beſchreiben bey einem ſo reichen Stoffe ſehen laſſen will, ſondern mit ei- nem Vorſatze deinen ſchwaͤrmenden Gedanken ein Ziel zu ſtecken. Sie weiter gehn zu laſſen, als ich geſtehen werde, wuͤrde eine groͤßere Bosheit ſeyn, als ſich ein Lovelace jemals ſchuldig ge- macht hat.
So fuͤhre ich dich denn zur Sache: indem ich mein letztes Schreiben mit dem gegenwaͤrti- gen verbinde.
Haſt
E 3
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Der ſiebende Brief
von
Herrn Lovelace an Hrn. Joh. Belford.
Donnerſtags, Morgens um fuͤnfe
(den 8ten Jun.)
Nun iſt meine Beſſerung gewiß: denn ich
werde niemals ein anderes Frauenzimmer
lieben! ‒ O ſie iſt lauter Abwechſelung! Sie
muß mir allezeit neu ſeyn ‒ Einen ſo ausneh-
mend, ſo anſtaͤndig liebreizenden Engel kann kei-
ne Einbildungskraft vorſtellen, viel weniger ein
Pinſel ſchildern, noch die Seele der Mahlerey,
die Dichtkunſt, beſchreiben! ‒ ‒ Jedoch ich will
deine Ungeduld nicht zum voraus ſtillen. Ob die
Sache gleich fuͤr ungeheiligte Augen zu heilig iſt:
ſo ſollſt du ſie doch ganz vor dir ſehen, wie ſie zu-
gegangen iſt; und das nicht von einem witzigen
Kopf, der ſeine Kunſt zu beſchreiben bey einem
ſo reichen Stoffe ſehen laſſen will, ſondern mit ei-
nem Vorſatze deinen ſchwaͤrmenden Gedanken ein
Ziel zu ſtecken. Sie weiter gehn zu laſſen, als
ich geſtehen werde, wuͤrde eine groͤßere Bosheit
ſeyn, als ſich ein Lovelace jemals ſchuldig ge-
macht hat.
So fuͤhre ich dich denn zur Sache: indem
ich mein letztes Schreiben mit dem gegenwaͤrti-
gen verbinde.
Haſt
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/75>, abgerufen am 30.12.2024.
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