Der vier und vierzigste Brief von Herrn Lovelace an Herrn Joh. Belford.
Sonntags, Abends.
Verweise mir nimmermehr, daß ich bey dieser wundernswürdigen Fräulein Kunst gebrau- chet habe. Wenn sich auch alle Fürsten der Lust, oder unter derselben, mit mir vereinigt hätten: so wäre es doch niemals möglich gewesen, sie zu überwinden; so lange sie den Gebrauch ihrer Sinne gehabt hätte.
Jch will mir selbst in meiner Erzählung nicht vorgreifen - - Nur dieß will ich dir sagen: ich bin durch dich viel zu munter gemacht, daß ich an den Schlaf gedenken sollte, wenn ich auch zu Bette ginge. Also werde ich nichts zu thun ha- ben, als daß ich eine Erzählung von unserer selt- samen Unterredung aussetze: da sie mein Gemüth noch so stark eingenommen hat, daß ich an sonst nichts gedenken kann.
Sie hatte einen Schlafrock an von weißem Damast, und war etwas mehr, als einige Tage her, geputz[e]t. Jch saß mit meiner Feder zwi- schen den Fingern: und stand mit großer Höf- lichkeit auf, da ich sie erst sahe; nicht anders, als wenn der gewünschte Tag noch immer in ihrer Gewalt wäre. Er ist es auch in der That.
Sie
S s 3
Der vier und vierzigſte Brief von Herrn Lovelace an Herrn Joh. Belford.
Sonntags, Abends.
Verweiſe mir nimmermehr, daß ich bey dieſer wundernswuͤrdigen Fraͤulein Kunſt gebrau- chet habe. Wenn ſich auch alle Fuͤrſten der Luſt, oder unter derſelben, mit mir vereinigt haͤtten: ſo waͤre es doch niemals moͤglich geweſen, ſie zu uͤberwinden; ſo lange ſie den Gebrauch ihrer Sinne gehabt haͤtte.
Jch will mir ſelbſt in meiner Erzaͤhlung nicht vorgreifen ‒ ‒ Nur dieß will ich dir ſagen: ich bin durch dich viel zu munter gemacht, daß ich an den Schlaf gedenken ſollte, wenn ich auch zu Bette ginge. Alſo werde ich nichts zu thun ha- ben, als daß ich eine Erzaͤhlung von unſerer ſelt- ſamen Unterredung auſſetze: da ſie mein Gemuͤth noch ſo ſtark eingenommen hat, daß ich an ſonſt nichts gedenken kann.
Sie hatte einen Schlafrock an von weißem Damaſt, und war etwas mehr, als einige Tage her, geputz[e]t. Jch ſaß mit meiner Feder zwi- ſchen den Fingern: und ſtand mit großer Hoͤf- lichkeit auf, da ich ſie erſt ſahe; nicht anders, als wenn der gewuͤnſchte Tag noch immer in ihrer Gewalt waͤre. Er iſt es auch in der That.
Sie
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Der vier und vierzigſte Brief
von
Herrn Lovelace an Herrn Joh. Belford.
Sonntags, Abends.
Verweiſe mir nimmermehr, daß ich bey dieſer
wundernswuͤrdigen Fraͤulein Kunſt gebrau-
chet habe. Wenn ſich auch alle Fuͤrſten der Luſt,
oder unter derſelben, mit mir vereinigt haͤtten: ſo
waͤre es doch niemals moͤglich geweſen, ſie zu
uͤberwinden; ſo lange ſie den Gebrauch ihrer
Sinne gehabt haͤtte.
Jch will mir ſelbſt in meiner Erzaͤhlung nicht
vorgreifen ‒ ‒ Nur dieß will ich dir ſagen: ich
bin durch dich viel zu munter gemacht, daß ich
an den Schlaf gedenken ſollte, wenn ich auch zu
Bette ginge. Alſo werde ich nichts zu thun ha-
ben, als daß ich eine Erzaͤhlung von unſerer ſelt-
ſamen Unterredung auſſetze: da ſie mein Gemuͤth
noch ſo ſtark eingenommen hat, daß ich an ſonſt
nichts gedenken kann.
Sie hatte einen Schlafrock an von weißem
Damaſt, und war etwas mehr, als einige Tage
her, geputzet. Jch ſaß mit meiner Feder zwi-
ſchen den Fingern: und ſtand mit großer Hoͤf-
lichkeit auf, da ich ſie erſt ſahe; nicht anders, als
wenn der gewuͤnſchte Tag noch immer in ihrer
Gewalt waͤre. Er iſt es auch in der That.
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 645. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/651>, abgerufen am 30.12.2024.
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