findet, daß sie eine höhere und ungewöhnliche Schreib- Art angenommen hat, so glaubt sie beynahe, daß dieses göttliche Eingebungen sind, dadurch ihre nie- dergeschlagene Freundin getröstet und aufgerichtet werden soll; die vielleicht durch die Versuchungen, welche sie so frühzeitig überfallen, allzusehr gedemü- thiget und muthlos gemacht wird, in der Dämme- rung fortzugehen, auf welche ein heiterer Tag folget: Jch will nichts weiter hinzu thun, als dieses, daß ich bin
Jhre ewige ergebene und getreue Anna Howe.
Der fünfte Brief von Fräulein Clarissa Harlowe an Fräulein Howe.
Freytags den 12ten May.
Jch muß zu dem Lobe stille schweigen, dadurch ich nur gedemüthiget werde, weil ich es mir bewußt bin, daß ich es nicht verdiene, ob mich gleich Jhre gütige Absicht, die Sie dabey haben, tröstet und muthig macht: denn es ist sehr angenehm, von denen, die wir lieben, hochgeschätzet zu werden, und zu er- fahren, daß einige Freundschaften stärcker sind als alle Unglücks-Fälle, und sich nicht blos nach Leib, Blut, und Verwandschaft richten. Mein Unglück mag mich grösser oder kleiner machen; so bin ich doch davon versichert, daß Sie nie grösser und
schöner
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findet, daß ſie eine hoͤhere und ungewoͤhnliche Schreib- Art angenommen hat, ſo glaubt ſie beynahe, daß dieſes goͤttliche Eingebungen ſind, dadurch ihre nie- dergeſchlagene Freundin getroͤſtet und aufgerichtet werden ſoll; die vielleicht durch die Verſuchungen, welche ſie ſo fruͤhzeitig uͤberfallen, allzuſehr gedemuͤ- thiget und muthlos gemacht wird, in der Daͤmme- rung fortzugehen, auf welche ein heiterer Tag folget: Jch will nichts weiter hinzu thun, als dieſes, daß ich bin
Jhre ewige ergebene und getreue Anna Howe.
Der fuͤnfte Brief von Fraͤulein Clariſſa Harlowe an Fraͤulein Howe.
Freytags den 12ten May.
Jch muß zu dem Lobe ſtille ſchweigen, dadurch ich nur gedemuͤthiget werde, weil ich es mir bewußt bin, daß ich es nicht verdiene, ob mich gleich Jhre guͤtige Abſicht, die Sie dabey haben, troͤſtet und muthig macht: denn es iſt ſehr angenehm, von denen, die wir lieben, hochgeſchaͤtzet zu werden, und zu er- fahren, daß einige Freundſchaften ſtaͤrcker ſind als alle Ungluͤcks-Faͤlle, und ſich nicht blos nach Leib, Blut, und Verwandſchaft richten. Mein Ungluͤck mag mich groͤſſer oder kleiner machen; ſo bin ich doch davon verſichert, daß Sie nie groͤſſer und
ſchoͤner
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findet, daß ſie eine hoͤhere und ungewoͤhnliche Schreib-
Art angenommen hat, ſo glaubt ſie beynahe, daß
dieſes goͤttliche Eingebungen ſind, dadurch ihre nie-
dergeſchlagene Freundin getroͤſtet und aufgerichtet
werden ſoll; die vielleicht durch die Verſuchungen,
welche ſie ſo fruͤhzeitig uͤberfallen, allzuſehr gedemuͤ-
thiget und muthlos gemacht wird, in der Daͤmme-
rung fortzugehen, auf welche ein heiterer Tag folget:
Jch will nichts weiter hinzu thun, als dieſes, daß
ich bin
Jhre ewige ergebene und getreue
Anna Howe.
Der fuͤnfte Brief
von
Fraͤulein Clariſſa Harlowe an Fraͤulein
Howe.
Freytags den 12ten May.
Jch muß zu dem Lobe ſtille ſchweigen, dadurch
ich nur gedemuͤthiget werde, weil ich es mir
bewußt bin, daß ich es nicht verdiene, ob mich gleich
Jhre guͤtige Abſicht, die Sie dabey haben, troͤſtet und
muthig macht: denn es iſt ſehr angenehm, von denen,
die wir lieben, hochgeſchaͤtzet zu werden, und zu er-
fahren, daß einige Freundſchaften ſtaͤrcker ſind als
alle Ungluͤcks-Faͤlle, und ſich nicht blos nach Leib,
Blut, und Verwandſchaft richten. Mein Ungluͤck
mag mich groͤſſer oder kleiner machen; ſo bin ich
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749/43>, abgerufen am 21.02.2025.
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