dung alle ihre gütigen Absichten zu nichte. O mein Kind, ich bin jetzt durch eine Erfahrung, die mir theuer zu stehen kommt, überzeuget, daß Kinder sich nicht unterstehen müssen, auch bey der reinesten Absicht, sich selbst in wichtigen Dingen zu rathen, so lange sie noch Eltern oder andere Vorgesetzte ha- ben, die sie um Rath fragen können.
Es fängt jetzt eine neue Hoffnung einer Aussöh- nung mit meinen Eltern bey mir an zu tagen, weil Sie mir berichten, daß sich meine Mutter meiner hätte annehmen wollen, wenn ich nicht geflohen wä- re. Diese Hoffnung wird dadurch stärcker, weil nach meiner Mutter Einsicht mein Onckle Har- lowe im Stande gewesen seyn würde, etwas auszu- richten, wenn er sich meiner hätte annehmen wollen. Vielleicht ist es mir zu rathen, daß ich mich bey Gelegenheit an diesen lieben Onckle wende.
Der acht und funfzigste Brief von Herrn Lovelace an Herrn Johann Belford.
Montags den 24ten April.
Das Schicksal bereitet deinem Freunde ein son- derbares Netz. Jch kann nicht anders se- hen, als daß ich nothwendig muß bestricket werden.
Jch habe mich bemühet, ihre Tugend auf das künstlichste zu untergraben, ich habe ihr die verbor- gensten Fallen gelegt, ich bin über meine Erfindun- gen hochmüthig gewesen, durch die ich dieses unver-
gleich-
dung alle ihre guͤtigen Abſichten zu nichte. O mein Kind, ich bin jetzt durch eine Erfahrung, die mir theuer zu ſtehen kommt, uͤberzeuget, daß Kinder ſich nicht unterſtehen muͤſſen, auch bey der reineſten Abſicht, ſich ſelbſt in wichtigen Dingen zu rathen, ſo lange ſie noch Eltern oder andere Vorgeſetzte ha- ben, die ſie um Rath fragen koͤnnen.
Es faͤngt jetzt eine neue Hoffnung einer Ausſoͤh- nung mit meinen Eltern bey mir an zu tagen, weil Sie mir berichten, daß ſich meine Mutter meiner haͤtte annehmen wollen, wenn ich nicht geflohen waͤ- re. Dieſe Hoffnung wird dadurch ſtaͤrcker, weil nach meiner Mutter Einſicht mein Onckle Har- lowe im Stande geweſen ſeyn wuͤrde, etwas auszu- richten, wenn er ſich meiner haͤtte annehmen wollen. Vielleicht iſt es mir zu rathen, daß ich mich bey Gelegenheit an dieſen lieben Onckle wende.
Der acht und funfzigſte Brief von Herrn Lovelace an Herrn Johann Belford.
Montags den 24ten April.
Das Schickſal bereitet deinem Freunde ein ſon- derbares Netz. Jch kann nicht anders ſe- hen, als daß ich nothwendig muß beſtricket werden.
Jch habe mich bemuͤhet, ihre Tugend auf das kuͤnſtlichſte zu untergraben, ich habe ihr die verbor- genſten Fallen gelegt, ich bin uͤber meine Erfindun- gen hochmuͤthig geweſen, durch die ich dieſes unver-
gleich-
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dung alle ihre guͤtigen Abſichten zu nichte. O mein
Kind, ich bin jetzt durch eine Erfahrung, die mir
theuer zu ſtehen kommt, uͤberzeuget, daß Kinder
ſich nicht unterſtehen muͤſſen, auch bey der reineſten
Abſicht, ſich ſelbſt in wichtigen Dingen zu rathen,
ſo lange ſie noch Eltern oder andere Vorgeſetzte ha-
ben, die ſie um Rath fragen koͤnnen.
Es faͤngt jetzt eine neue Hoffnung einer Ausſoͤh-
nung mit meinen Eltern bey mir an zu tagen, weil
Sie mir berichten, daß ſich meine Mutter meiner
haͤtte annehmen wollen, wenn ich nicht geflohen waͤ-
re. Dieſe Hoffnung wird dadurch ſtaͤrcker, weil
nach meiner Mutter Einſicht mein Onckle Har-
lowe im Stande geweſen ſeyn wuͤrde, etwas auszu-
richten, wenn er ſich meiner haͤtte annehmen wollen.
Vielleicht iſt es mir zu rathen, daß ich mich bey
Gelegenheit an dieſen lieben Onckle wende.
Der acht und funfzigſte Brief
von
Herrn Lovelace an Herrn Johann Belford.
Montags den 24ten April.
Das Schickſal bereitet deinem Freunde ein ſon-
derbares Netz. Jch kann nicht anders ſe-
hen, als daß ich nothwendig muß beſtricket werden.
Jch habe mich bemuͤhet, ihre Tugend auf das
kuͤnſtlichſte zu untergraben, ich habe ihr die verbor-
genſten Fallen gelegt, ich bin uͤber meine Erfindun-
gen hochmuͤthig geweſen, durch die ich dieſes unver-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 424. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/438>, abgerufen am 21.11.2024.
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