Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749.

Bild:
<< vorherige Seite



schöpfe sein Siegel drücken werde? Gebrauchen Sie
sich nur Jhrer gewöhnlichen Klugheit, so wird das
Ende gut seyn.

Jch habe sonst gleiche Gedancken mit Jhnen von
einem väterlichen Fluche: allein ich muß den Fluch
solcher Eltern ausnehmen, die selbst mehr Schuld.
an den Vergehungen, die sie verfluchen, haben,
als das Kind. Sollen solche entsetzliche Flüche von
einiger Kraft seyn, so müssen sich bey den Eltern lau-
tere Absichten befinden, der Ungehorsam des Kindes
muß ohne Entschuldigung, und dessen getroffene
Wahl ebenfalls gantz und gar nicht zu rechtferti-
gen seyn.

Von dieser Seite sollten Sie und jederman die
Flüche der Eltern ansehen. Es wird Jhnen die
Wahrheit dieser Sätze immer klärer in die Augen
leuchten, wenn Sie sich nur jetzt der verzweiflenden
Gedancken entschlagen, und Sie werden sehen, daß
Jhnen keinen falschen Trost zugesprochen hat,
Jhre ewig ergebene und getreue

Anna Howe.

Jch schicke diesen Brief eilig durch Robert weg. Jch
werde mich erkundigen, ob das Vorgeben der Frau
Hervey richtig ist, daß man gelinder mit Jhnen hätte
verfahren wollen, wenn Sie nicht geflüchtet wären.



Der fünf und funfzigste Brief
von
Fräulein Clarissa Harlowe an Fräulein
Howe.

Jch bin durch Jhren Brief von neuen aufge-
lebet. Was für eine angenehme Probe von

der



ſchoͤpfe ſein Siegel druͤcken werde? Gebrauchen Sie
ſich nur Jhrer gewoͤhnlichen Klugheit, ſo wird das
Ende gut ſeyn.

Jch habe ſonſt gleiche Gedancken mit Jhnen von
einem vaͤterlichen Fluche: allein ich muß den Fluch
ſolcher Eltern ausnehmen, die ſelbſt mehr Schuld.
an den Vergehungen, die ſie verfluchen, haben,
als das Kind. Sollen ſolche entſetzliche Fluͤche von
einiger Kraft ſeyn, ſo muͤſſen ſich bey den Eltern lau-
tere Abſichten befinden, der Ungehorſam des Kindes
muß ohne Entſchuldigung, und deſſen getroffene
Wahl ebenfalls gantz und gar nicht zu rechtferti-
gen ſeyn.

Von dieſer Seite ſollten Sie und jederman die
Fluͤche der Eltern anſehen. Es wird Jhnen die
Wahrheit dieſer Saͤtze immer klaͤrer in die Augen
leuchten, wenn Sie ſich nur jetzt der verzweiflenden
Gedancken entſchlagen, und Sie werden ſehen, daß
Jhnen keinen falſchen Troſt zugeſprochen hat,
Jhre ewig ergebene und getreue

Anna Howe.

Jch ſchicke dieſen Brief eilig durch Robert weg. Jch
werde mich erkundigen, ob das Vorgeben der Frau
Hervey richtig iſt, daß man gelinder mit Jhnen haͤtte
verfahren wollen, wenn Sie nicht gefluͤchtet waͤren.



Der fuͤnf und funfzigſte Brief
von
Fraͤulein Clariſſa Harlowe an Fraͤulein
Howe.

Jch bin durch Jhren Brief von neuen aufge-
lebet. Was fuͤr eine angenehme Probe von

der
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0424" n="410"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
&#x017F;cho&#x0364;pfe &#x017F;ein Siegel dru&#x0364;cken werde? Gebrauchen Sie<lb/>
&#x017F;ich nur Jhrer gewo&#x0364;hnlichen Klugheit, &#x017F;o wird das<lb/>
Ende gut &#x017F;eyn.</p><lb/>
          <p>Jch habe &#x017F;on&#x017F;t gleiche Gedancken mit Jhnen von<lb/>
einem va&#x0364;terlichen Fluche: allein ich muß den Fluch<lb/>
&#x017F;olcher Eltern ausnehmen, die &#x017F;elb&#x017F;t mehr Schuld.<lb/>
an den Vergehungen, die &#x017F;ie verfluchen, haben,<lb/>
als das Kind. Sollen &#x017F;olche ent&#x017F;etzliche Flu&#x0364;che von<lb/>
einiger Kraft &#x017F;eyn, &#x017F;o mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich bey den Eltern lau-<lb/>
tere Ab&#x017F;ichten befinden, der Ungehor&#x017F;am des Kindes<lb/>
muß ohne Ent&#x017F;chuldigung, und de&#x017F;&#x017F;en getroffene<lb/>
Wahl ebenfalls gantz und gar nicht zu rechtferti-<lb/>
gen &#x017F;eyn.</p><lb/>
          <p>Von die&#x017F;er Seite &#x017F;ollten Sie und jederman die<lb/>
Flu&#x0364;che der Eltern an&#x017F;ehen. Es wird Jhnen die<lb/>
Wahrheit die&#x017F;er Sa&#x0364;tze immer kla&#x0364;rer in die Augen<lb/>
leuchten, wenn Sie &#x017F;ich nur jetzt der verzweiflenden<lb/>
Gedancken ent&#x017F;chlagen, und Sie werden &#x017F;ehen, daß<lb/>
Jhnen keinen fal&#x017F;chen Tro&#x017F;t zuge&#x017F;prochen hat,<lb/><hi rendition="#et">Jhre ewig ergebene und getreue</hi></p><lb/>
          <closer>
            <salute> <hi rendition="#et"> <hi rendition="#fr">Anna Howe.</hi> </hi> </salute>
          </closer>
        </div><lb/>
        <div>
          <p>Jch &#x017F;chicke die&#x017F;en Brief eilig durch <hi rendition="#fr">Robert</hi> weg. Jch<lb/>
werde mich erkundigen, ob das Vorgeben der Frau<lb/>
Hervey richtig i&#x017F;t, daß man gelinder mit Jhnen ha&#x0364;tte<lb/>
verfahren wollen, wenn Sie nicht geflu&#x0364;chtet wa&#x0364;ren.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#fr">Der fu&#x0364;nf und funfzig&#x017F;te Brief</hi><lb/>
von<lb/><hi rendition="#fr">Fra&#x0364;ulein Clari&#x017F;&#x017F;a Harlowe an Fra&#x0364;ulein<lb/>
Howe.</hi></head><lb/>
          <dateline> <hi rendition="#et">Mittewochens Morgens den 26ten April.</hi> </dateline><lb/>
          <p><hi rendition="#in">J</hi>ch bin durch Jhren Brief von neuen aufge-<lb/>
lebet. Was fu&#x0364;r eine angenehme Probe von<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">der</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[410/0424] ſchoͤpfe ſein Siegel druͤcken werde? Gebrauchen Sie ſich nur Jhrer gewoͤhnlichen Klugheit, ſo wird das Ende gut ſeyn. Jch habe ſonſt gleiche Gedancken mit Jhnen von einem vaͤterlichen Fluche: allein ich muß den Fluch ſolcher Eltern ausnehmen, die ſelbſt mehr Schuld. an den Vergehungen, die ſie verfluchen, haben, als das Kind. Sollen ſolche entſetzliche Fluͤche von einiger Kraft ſeyn, ſo muͤſſen ſich bey den Eltern lau- tere Abſichten befinden, der Ungehorſam des Kindes muß ohne Entſchuldigung, und deſſen getroffene Wahl ebenfalls gantz und gar nicht zu rechtferti- gen ſeyn. Von dieſer Seite ſollten Sie und jederman die Fluͤche der Eltern anſehen. Es wird Jhnen die Wahrheit dieſer Saͤtze immer klaͤrer in die Augen leuchten, wenn Sie ſich nur jetzt der verzweiflenden Gedancken entſchlagen, und Sie werden ſehen, daß Jhnen keinen falſchen Troſt zugeſprochen hat, Jhre ewig ergebene und getreue Anna Howe. Jch ſchicke dieſen Brief eilig durch Robert weg. Jch werde mich erkundigen, ob das Vorgeben der Frau Hervey richtig iſt, daß man gelinder mit Jhnen haͤtte verfahren wollen, wenn Sie nicht gefluͤchtet waͤren. Der fuͤnf und funfzigſte Brief von Fraͤulein Clariſſa Harlowe an Fraͤulein Howe. Mittewochens Morgens den 26ten April. Jch bin durch Jhren Brief von neuen aufge- lebet. Was fuͤr eine angenehme Probe von der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/424
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 410. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/424>, abgerufen am 21.12.2024.