einmahl über einen jungen Fecht-Hahn, der seinen demüthigen Nächsten, einen andern Hahn, bestän- dig hackete, so zornig ward, daß ich ihm aus Mensch- lichkeit den Hals umdrehen lies. Was war die Folge davon? Der andere Hahn ward eben so schlimm, als er kein Creutz mehr hatte, und hackete die Hähne wieder, die schwächer waren als er. Jch sahe, daß ich den ersten hätte können leben lassen, und daß die Feindseeligkeit in der Natur der Thiere gegründet ist.
Verzeihen Sie mir meine losen Einfälle. Jch wollte gerne verursachen, daß Sie mitten in Jhrer Ernsthaftigkeit lachen müsten. Jch wünschte, daß ich bey Jhnen wäre. O wenn Sie doch mein An- erbieten Sie zu begleiten angenommen hätten. Doch ich sehe, es ist Jhnen nichts angenehm, was ich anbiete. Nehmen Sie sich in Acht! ich werde recht böse auf Sie werden, und alsdenn pflege ich niemanden zu schonen. Denn so sehr ich Sie liebe, kann ich doch nicht unterlassen bisweilen zu seyn
Jhre eigensinnige Anna Howe.
Der drey und viertzigste Brief von Fräulein Clarissa Harlowe an Fräulein Howe.
Freytags den 21ten April.
Herr Lovelace hat mir diesen Morgen sehr früh von meines Bruders Vorhaben Nach-
richt
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einmahl uͤber einen jungen Fecht-Hahn, der ſeinen demuͤthigen Naͤchſten, einen andern Hahn, beſtaͤn- dig hackete, ſo zornig ward, daß ich ihm aus Menſch- lichkeit den Hals umdrehen lies. Was war die Folge davon? Der andere Hahn ward eben ſo ſchlimm, als er kein Creutz mehr hatte, und hackete die Haͤhne wieder, die ſchwaͤcher waren als er. Jch ſahe, daß ich den erſten haͤtte koͤnnen leben laſſen, und daß die Feindſeeligkeit in der Natur der Thiere gegruͤndet iſt.
Verzeihen Sie mir meine loſen Einfaͤlle. Jch wollte gerne verurſachen, daß Sie mitten in Jhrer Ernſthaftigkeit lachen muͤſten. Jch wuͤnſchte, daß ich bey Jhnen waͤre. O wenn Sie doch mein An- erbieten Sie zu begleiten angenommen haͤtten. Doch ich ſehe, es iſt Jhnen nichts angenehm, was ich anbiete. Nehmen Sie ſich in Acht! ich werde recht boͤſe auf Sie werden, und alsdenn pflege ich niemanden zu ſchonen. Denn ſo ſehr ich Sie liebe, kann ich doch nicht unterlaſſen bisweilen zu ſeyn
Jhre eigenſinnige Anna Howe.
Der drey und viertzigſte Brief von Fraͤulein Clariſſa Harlowe an Fraͤulein Howe.
Freytags den 21ten April.
Herr Lovelace hat mir dieſen Morgen ſehr fruͤh von meines Bruders Vorhaben Nach-
richt
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einmahl uͤber einen jungen Fecht-Hahn, der ſeinen
demuͤthigen Naͤchſten, einen andern Hahn, beſtaͤn-
dig hackete, ſo zornig ward, daß ich ihm aus Menſch-
lichkeit den Hals umdrehen lies. Was war die
Folge davon? Der andere Hahn ward eben ſo
ſchlimm, als er kein Creutz mehr hatte, und hackete
die Haͤhne wieder, die ſchwaͤcher waren als er.
Jch ſahe, daß ich den erſten haͤtte koͤnnen leben
laſſen, und daß die Feindſeeligkeit in der Natur der
Thiere gegruͤndet iſt.
Verzeihen Sie mir meine loſen Einfaͤlle. Jch
wollte gerne verurſachen, daß Sie mitten in Jhrer
Ernſthaftigkeit lachen muͤſten. Jch wuͤnſchte, daß
ich bey Jhnen waͤre. O wenn Sie doch mein An-
erbieten Sie zu begleiten angenommen haͤtten.
Doch ich ſehe, es iſt Jhnen nichts angenehm, was
ich anbiete. Nehmen Sie ſich in Acht! ich werde
recht boͤſe auf Sie werden, und alsdenn pflege ich
niemanden zu ſchonen. Denn ſo ſehr ich Sie liebe,
kann ich doch nicht unterlaſſen bisweilen zu ſeyn
Jhre eigenſinnige
Anna Howe.
Der drey und viertzigſte Brief
von
Fraͤulein Clariſſa Harlowe an Fraͤulein
Howe.
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Herr Lovelace hat mir dieſen Morgen ſehr
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 339. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/353>, abgerufen am 21.11.2024.
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