muß ich sehen, wohin sich mein Hertz neiget, und was durch die Liebe, die immer ihre Gestalt ver- ändert, ausgerichtet werden kann. Meine Liebe wird bald hochmüthig, bald demüthig seyn, bald warten, bald fodern, bald sich in ihrem Willen be- ruhigen müssen, bis ich sie ermüdet habe, mir län- ger zu widerstehen. Deutlicher will ich jetzt nicht seyn: ich werde aber künftig mehr schreiben, wenn ich mehr thue, und mich in meinen Entschliessun- gen bestärcke oder sie wieder fahren lasse. Wenn sie den vorigen Verdruß erneuren will - - wenn sie das thun will - - Doch stille! Vor jetzt keine weite- re Drohungen!
Der sechzehente Brief. Herrn Lovelaces Fortsetzung von dem vorigen Briefe.
Sehe ich nicht deutlich, daß ich weiter nichts nöthig habe, als Geduld, wenn ich alles in Händen haben will? Wie? wenn alle Klagen über die Nachrede, die sie sich zugezogen hat; alle täglich zunehmende Reue über die Unterredung mit mir; alle Unmöglichkeit, mir es zu vergeben, daß ich sie verführet habe; alle zornige Befehle, sie zu verlassen; keinen andern Endzweck hätten, als et- ne baldige Trauung? Wie? wenn alles ihr Misvergnügen und spitzige Worte keinen andern Grund hätten, als diesen, daß ich von der Ma- terie nicht mehr und deutlicher geredet habe?
Jch
muß ich ſehen, wohin ſich mein Hertz neiget, und was durch die Liebe, die immer ihre Geſtalt ver- aͤndert, ausgerichtet werden kann. Meine Liebe wird bald hochmuͤthig, bald demuͤthig ſeyn, bald warten, bald fodern, bald ſich in ihrem Willen be- ruhigen muͤſſen, bis ich ſie ermuͤdet habe, mir laͤn- ger zu widerſtehen. Deutlicher will ich jetzt nicht ſeyn: ich werde aber kuͤnftig mehr ſchreiben, wenn ich mehr thue, und mich in meinen Entſchlieſſun- gen beſtaͤrcke oder ſie wieder fahren laſſe. Wenn ſie den vorigen Verdruß erneuren will ‒ ‒ wenn ſie das thun will ‒ ‒ Doch ſtille! Vor jetzt keine weite- re Drohungen!
Der ſechzehente Brief. Herrn Lovelaces Fortſetzung von dem vorigen Briefe.
Sehe ich nicht deutlich, daß ich weiter nichts noͤthig habe, als Geduld, wenn ich alles in Haͤnden haben will? Wie? wenn alle Klagen uͤber die Nachrede, die ſie ſich zugezogen hat; alle taͤglich zunehmende Reue uͤber die Unterredung mit mir; alle Unmoͤglichkeit, mir es zu vergeben, daß ich ſie verfuͤhret habe; alle zornige Befehle, ſie zu verlaſſen; keinen andern Endzweck haͤtten, als et- ne baldige Trauung? Wie? wenn alles ihr Misvergnuͤgen und ſpitzige Worte keinen andern Grund haͤtten, als dieſen, daß ich von der Ma- terie nicht mehr und deutlicher geredet habe?
Jch
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muß ich ſehen, wohin ſich mein Hertz neiget, und
was durch die Liebe, die immer ihre Geſtalt ver-
aͤndert, ausgerichtet werden kann. Meine Liebe
wird bald hochmuͤthig, bald demuͤthig ſeyn, bald
warten, bald fodern, bald ſich in ihrem Willen be-
ruhigen muͤſſen, bis ich ſie ermuͤdet habe, mir laͤn-
ger zu widerſtehen. Deutlicher will ich jetzt nicht
ſeyn: ich werde aber kuͤnftig mehr ſchreiben, wenn
ich mehr thue, und mich in meinen Entſchlieſſun-
gen beſtaͤrcke oder ſie wieder fahren laſſe. Wenn ſie
den vorigen Verdruß erneuren will ‒ ‒ wenn ſie
das thun will ‒ ‒ Doch ſtille! Vor jetzt keine weite-
re Drohungen!
Der ſechzehente Brief.
Herrn Lovelaces Fortſetzung von dem vorigen
Briefe.
Sehe ich nicht deutlich, daß ich weiter nichts
noͤthig habe, als Geduld, wenn ich alles
in Haͤnden haben will? Wie? wenn alle Klagen
uͤber die Nachrede, die ſie ſich zugezogen hat; alle
taͤglich zunehmende Reue uͤber die Unterredung mit
mir; alle Unmoͤglichkeit, mir es zu vergeben, daß
ich ſie verfuͤhret habe; alle zornige Befehle, ſie zu
verlaſſen; keinen andern Endzweck haͤtten, als et-
ne baldige Trauung? Wie? wenn alles ihr
Misvergnuͤgen und ſpitzige Worte keinen andern
Grund haͤtten, als dieſen, daß ich von der Ma-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/174>, abgerufen am 21.11.2024.
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