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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.

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Sechstes Buch. Neuntes Capitel.
Zwang aufhören sollte. Eben dieses Zurückdrängen der re-
formatorischen Tendenzen bereitete nun aber den Boden
für die Lehren der Wiedertäufer am besten vor. Ein Schü-
ler Hoffmanns, Jan Matthys, Bäcker zu Leiden, verband
mit den schwärmerischen Religionsansichten des Lehrers
zugleich die Meinung, daß die Wiederbringung aller Dinge
in Kurzem bevorstehe, und mit dem Schwert herbeigeführt
werden müsse. Er selbst erklärte sich für den Henoch, der
diese Zukunft ankündigen solle, richtete sich seine propheti-
sche Haushaltung ein und schickte zwölf Apostel nach den
sechs benachbarten Provinzen aus, die nun überall Prose-
lyten machten und mit dem Bundeszeichen der Wiedertäu-
fer versiegelten. Unter andern begleiten wir Jan Bockelsohn
von Leiden nach Briel, Rotterdam, Amsterdam, Enkhuy-
sen, Alkmar: überall tauft er und stiftet kleine Gemeinden
von 10, 12, 15 Gläubigen, die nun diese Lehren ausbrei-
teten. In Holland finden wir überhaupt ein sehr starkes
wiedertäuferisches Element, was sich plötzlich allenthalben
regt, und nur für die weitere Entfaltung seiner Triebe einen
freien Raum zu gewinnen sucht.

Da geschah nun, daß die Dinge in Münster sich
auf eine Weise entwickelten, daß man ihnen Aufnahme
zu gewähren geneigt wurde. Die Apostel des Jan Mat-
thys, die dort erschienen, fanden nicht allein bei den Hand-
werkern Eingang, sondern auch bei den Predigern, die sich
mit dem Mark der evangelischen Lehre genährt.

Emporkommen der Wiedertäufer in Münster.

Es war nicht das erste Mal, daß eine ähnliche Hin-
neigung sich zeigte. Unter andern bemerken wir sie eine

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Zwang aufhören ſollte. Eben dieſes Zurückdrängen der re-
formatoriſchen Tendenzen bereitete nun aber den Boden
für die Lehren der Wiedertäufer am beſten vor. Ein Schü-
ler Hoffmanns, Jan Matthys, Bäcker zu Leiden, verband
mit den ſchwärmeriſchen Religionsanſichten des Lehrers
zugleich die Meinung, daß die Wiederbringung aller Dinge
in Kurzem bevorſtehe, und mit dem Schwert herbeigeführt
werden müſſe. Er ſelbſt erklärte ſich für den Henoch, der
dieſe Zukunft ankündigen ſolle, richtete ſich ſeine propheti-
ſche Haushaltung ein und ſchickte zwölf Apoſtel nach den
ſechs benachbarten Provinzen aus, die nun überall Proſe-
lyten machten und mit dem Bundeszeichen der Wiedertäu-
fer verſiegelten. Unter andern begleiten wir Jan Bockelſohn
von Leiden nach Briel, Rotterdam, Amſterdam, Enkhuy-
ſen, Alkmar: überall tauft er und ſtiftet kleine Gemeinden
von 10, 12, 15 Gläubigen, die nun dieſe Lehren ausbrei-
teten. In Holland finden wir überhaupt ein ſehr ſtarkes
wiedertäuferiſches Element, was ſich plötzlich allenthalben
regt, und nur für die weitere Entfaltung ſeiner Triebe einen
freien Raum zu gewinnen ſucht.

Da geſchah nun, daß die Dinge in Münſter ſich
auf eine Weiſe entwickelten, daß man ihnen Aufnahme
zu gewähren geneigt wurde. Die Apoſtel des Jan Mat-
thys, die dort erſchienen, fanden nicht allein bei den Hand-
werkern Eingang, ſondern auch bei den Predigern, die ſich
mit dem Mark der evangeliſchen Lehre genährt.

Emporkommen der Wiedertäufer in Münſter.

Es war nicht das erſte Mal, daß eine ähnliche Hin-
neigung ſich zeigte. Unter andern bemerken wir ſie eine

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[518/0534] Sechstes Buch. Neuntes Capitel. Zwang aufhören ſollte. Eben dieſes Zurückdrängen der re- formatoriſchen Tendenzen bereitete nun aber den Boden für die Lehren der Wiedertäufer am beſten vor. Ein Schü- ler Hoffmanns, Jan Matthys, Bäcker zu Leiden, verband mit den ſchwärmeriſchen Religionsanſichten des Lehrers zugleich die Meinung, daß die Wiederbringung aller Dinge in Kurzem bevorſtehe, und mit dem Schwert herbeigeführt werden müſſe. Er ſelbſt erklärte ſich für den Henoch, der dieſe Zukunft ankündigen ſolle, richtete ſich ſeine propheti- ſche Haushaltung ein und ſchickte zwölf Apoſtel nach den ſechs benachbarten Provinzen aus, die nun überall Proſe- lyten machten und mit dem Bundeszeichen der Wiedertäu- fer verſiegelten. Unter andern begleiten wir Jan Bockelſohn von Leiden nach Briel, Rotterdam, Amſterdam, Enkhuy- ſen, Alkmar: überall tauft er und ſtiftet kleine Gemeinden von 10, 12, 15 Gläubigen, die nun dieſe Lehren ausbrei- teten. In Holland finden wir überhaupt ein ſehr ſtarkes wiedertäuferiſches Element, was ſich plötzlich allenthalben regt, und nur für die weitere Entfaltung ſeiner Triebe einen freien Raum zu gewinnen ſucht. Da geſchah nun, daß die Dinge in Münſter ſich auf eine Weiſe entwickelten, daß man ihnen Aufnahme zu gewähren geneigt wurde. Die Apoſtel des Jan Mat- thys, die dort erſchienen, fanden nicht allein bei den Hand- werkern Eingang, ſondern auch bei den Predigern, die ſich mit dem Mark der evangeliſchen Lehre genährt. Emporkommen der Wiedertäufer in Münſter. Es war nicht das erſte Mal, daß eine ähnliche Hin- neigung ſich zeigte. Unter andern bemerken wir ſie eine

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 518. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/534>, abgerufen am 21.11.2024.