Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite

Zweites Buch. Drittes Capitel.
die bisher für die Ertheilung der akademischen Grade ge-
macht wurden. Allerdings trat man hiedurch in im-
mer stärkeren Gegensatz gegen die übrigen Universitäten:
man gelangte zu neuen Wahrnehmungen und Ideen: in
Luthers Briefen zeigt sich wie es in ihm gährte; aber zu-
gleich ergiebt sich doch auch, daß man noch keineswegs das
Bewußtseyn eines Kampfes gegen die römische Kirche über-
haupt hatte. Wir sahen wie sorgfältig sich Luther inner-
halb der kirchlichen Schranken hielt: in einer seiner Vorreden
rühmt Melanchthon noch einmal die Verdienste seines Für-
sten um die Klöster. 1 Es entspricht das der Stellung
die Miltitz und auch der Legat zuletzt angenommen: alles
ließ sich friedlich an.

Eben in diesem Moment aber, wo wenigstens die äu-
ßere Ruhe hergestellt war, und man zwar bei den inneren
Gegensätzen der Meinung und Bildung lebhafte Kämpfe vor-
aussehn mußte, aber vielleicht noch innerhalb der Kreise der
Schulgelehrsamkeit, brach eine Streitigkeit aus, welche die
wichtigsten Lehren berührte, auf die Kirche und Staat ge-
gründet waren, und den Krieg hervorrief, der seitdem nicht
mehr hat beigelegt werden können. Man muß gestehn, daß
Luther es nicht war, der seinen Ausbruch veranlaßte.

Disputation zu Leipzig.

Während des Reichstags von 1518 war auch Eck
in Augsburg erschienen: mißvergnügt daß seine bisherigen
Streitschriften ihm weder Belohnungen eingetragen noch

1 Dedication des Lucian in calumniam C. E. I, 47.

Zweites Buch. Drittes Capitel.
die bisher für die Ertheilung der akademiſchen Grade ge-
macht wurden. Allerdings trat man hiedurch in im-
mer ſtärkeren Gegenſatz gegen die übrigen Univerſitäten:
man gelangte zu neuen Wahrnehmungen und Ideen: in
Luthers Briefen zeigt ſich wie es in ihm gährte; aber zu-
gleich ergiebt ſich doch auch, daß man noch keineswegs das
Bewußtſeyn eines Kampfes gegen die römiſche Kirche über-
haupt hatte. Wir ſahen wie ſorgfältig ſich Luther inner-
halb der kirchlichen Schranken hielt: in einer ſeiner Vorreden
rühmt Melanchthon noch einmal die Verdienſte ſeines Für-
ſten um die Klöſter. 1 Es entſpricht das der Stellung
die Miltitz und auch der Legat zuletzt angenommen: alles
ließ ſich friedlich an.

Eben in dieſem Moment aber, wo wenigſtens die äu-
ßere Ruhe hergeſtellt war, und man zwar bei den inneren
Gegenſätzen der Meinung und Bildung lebhafte Kämpfe vor-
ausſehn mußte, aber vielleicht noch innerhalb der Kreiſe der
Schulgelehrſamkeit, brach eine Streitigkeit aus, welche die
wichtigſten Lehren berührte, auf die Kirche und Staat ge-
gründet waren, und den Krieg hervorrief, der ſeitdem nicht
mehr hat beigelegt werden können. Man muß geſtehn, daß
Luther es nicht war, der ſeinen Ausbruch veranlaßte.

Disputation zu Leipzig.

Während des Reichstags von 1518 war auch Eck
in Augsburg erſchienen: mißvergnügt daß ſeine bisherigen
Streitſchriften ihm weder Belohnungen eingetragen noch

1 Dedication des Lucian in calumniam C. E. I, 47.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0414" n="396"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweites Buch. Drittes Capitel</hi>.</fw><lb/>
die bisher für die Ertheilung der akademi&#x017F;chen Grade ge-<lb/>
macht wurden. Allerdings trat man hiedurch in im-<lb/>
mer &#x017F;tärkeren Gegen&#x017F;atz gegen die übrigen Univer&#x017F;itäten:<lb/>
man gelangte zu neuen Wahrnehmungen und Ideen: in<lb/>
Luthers Briefen zeigt &#x017F;ich wie es in ihm gährte; aber zu-<lb/>
gleich ergiebt &#x017F;ich doch auch, daß man noch keineswegs das<lb/>
Bewußt&#x017F;eyn eines Kampfes gegen die römi&#x017F;che Kirche über-<lb/>
haupt hatte. Wir &#x017F;ahen wie &#x017F;orgfältig &#x017F;ich Luther inner-<lb/>
halb der kirchlichen Schranken hielt: in einer &#x017F;einer Vorreden<lb/>
rühmt Melanchthon noch einmal die Verdien&#x017F;te &#x017F;eines Für-<lb/>
&#x017F;ten um die Klö&#x017F;ter. <note place="foot" n="1">Dedication des Lucian <hi rendition="#aq">in calumniam C. E. I,</hi> 47.</note> Es ent&#x017F;pricht das der Stellung<lb/>
die Miltitz und auch der Legat zuletzt angenommen: alles<lb/>
ließ &#x017F;ich friedlich an.</p><lb/>
            <p>Eben in die&#x017F;em Moment aber, wo wenig&#x017F;tens die äu-<lb/>
ßere Ruhe herge&#x017F;tellt war, und man zwar bei den inneren<lb/>
Gegen&#x017F;ätzen der Meinung und Bildung lebhafte Kämpfe vor-<lb/>
aus&#x017F;ehn mußte, aber vielleicht noch innerhalb der Krei&#x017F;e der<lb/>
Schulgelehr&#x017F;amkeit, brach eine Streitigkeit aus, welche die<lb/>
wichtig&#x017F;ten Lehren berührte, auf die Kirche und Staat ge-<lb/>
gründet waren, und den Krieg hervorrief, der &#x017F;eitdem nicht<lb/>
mehr hat beigelegt werden können. Man muß ge&#x017F;tehn, daß<lb/>
Luther es nicht war, der &#x017F;einen Ausbruch veranlaßte.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>Disputation zu Leipzig.</head><lb/>
            <p>Während des Reichstags von 1518 war auch Eck<lb/>
in Augsburg er&#x017F;chienen: mißvergnügt daß &#x017F;eine bisherigen<lb/>
Streit&#x017F;chriften ihm weder Belohnungen eingetragen noch<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[396/0414] Zweites Buch. Drittes Capitel. die bisher für die Ertheilung der akademiſchen Grade ge- macht wurden. Allerdings trat man hiedurch in im- mer ſtärkeren Gegenſatz gegen die übrigen Univerſitäten: man gelangte zu neuen Wahrnehmungen und Ideen: in Luthers Briefen zeigt ſich wie es in ihm gährte; aber zu- gleich ergiebt ſich doch auch, daß man noch keineswegs das Bewußtſeyn eines Kampfes gegen die römiſche Kirche über- haupt hatte. Wir ſahen wie ſorgfältig ſich Luther inner- halb der kirchlichen Schranken hielt: in einer ſeiner Vorreden rühmt Melanchthon noch einmal die Verdienſte ſeines Für- ſten um die Klöſter. 1 Es entſpricht das der Stellung die Miltitz und auch der Legat zuletzt angenommen: alles ließ ſich friedlich an. Eben in dieſem Moment aber, wo wenigſtens die äu- ßere Ruhe hergeſtellt war, und man zwar bei den inneren Gegenſätzen der Meinung und Bildung lebhafte Kämpfe vor- ausſehn mußte, aber vielleicht noch innerhalb der Kreiſe der Schulgelehrſamkeit, brach eine Streitigkeit aus, welche die wichtigſten Lehren berührte, auf die Kirche und Staat ge- gründet waren, und den Krieg hervorrief, der ſeitdem nicht mehr hat beigelegt werden können. Man muß geſtehn, daß Luther es nicht war, der ſeinen Ausbruch veranlaßte. Disputation zu Leipzig. Während des Reichstags von 1518 war auch Eck in Augsburg erſchienen: mißvergnügt daß ſeine bisherigen Streitſchriften ihm weder Belohnungen eingetragen noch 1 Dedication des Lucian in calumniam C. E. I, 47.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/414
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 396. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/414>, abgerufen am 21.11.2024.