Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834.Kap. II. Die Kirche im Anf. des 16. Jahrh. man zur Zeit der Wahlen sich der Ungünstigen, der Geg-ner zu entledigen. Jene suchte man als Prediger, als Pfarrverweser auszusenden: gegen diese scheute man selbst Dolch und Schwert nicht; oft griff man sie mit Gift an! 1) Indessen wurden die geistlichen Gnaden verkauft. Um schlechten Lohn gedungen, waren die Bettelmönche auf den zufälligen Gewinn begierig. "Wehe," ruft Einer jener Prälaten aus: "wer giebt Geistige Richtung. Könnten wir die Bücher der Geschichte, wie sie sich So sehr wir diese Verweltlichung der geistlichen 1) In einer großen Information Careffas an Clemens, wel-
che bei Bromato: Vita di Paolo IV. nur verstümmelt vorkommt, heißt es in der Handschrift von den Klöstern: Si viene ad homicidi non solo col veneno ma apertamente col coltello e con la spada, per non dire con schiopetti. Kap. II. Die Kirche im Anf. des 16. Jahrh. man zur Zeit der Wahlen ſich der Unguͤnſtigen, der Geg-ner zu entledigen. Jene ſuchte man als Prediger, als Pfarrverweſer auszuſenden: gegen dieſe ſcheute man ſelbſt Dolch und Schwert nicht; oft griff man ſie mit Gift an! 1) Indeſſen wurden die geiſtlichen Gnaden verkauft. Um ſchlechten Lohn gedungen, waren die Bettelmoͤnche auf den zufaͤlligen Gewinn begierig. „Wehe,“ ruft Einer jener Praͤlaten aus: „wer giebt Geiſtige Richtung. Koͤnnten wir die Buͤcher der Geſchichte, wie ſie ſich So ſehr wir dieſe Verweltlichung der geiſtlichen 1) In einer großen Information Careffas an Clemens, wel-
che bei Bromato: Vita di Paolo IV. nur verſtuͤmmelt vorkommt, heißt es in der Handſchrift von den Kloͤſtern: Si viene ad homicidi non solo col veneno ma apertamente col coltello e con la spada, per non dire con schiopetti. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0086" n="60"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Kap</hi>. <hi rendition="#aq">II.</hi><hi rendition="#g">Die Kirche im Anf. des 16. Jahrh</hi>.</fw><lb/> man zur Zeit der Wahlen ſich der Unguͤnſtigen, der Geg-<lb/> ner zu entledigen. Jene ſuchte man als Prediger, als<lb/> Pfarrverweſer auszuſenden: gegen dieſe ſcheute man ſelbſt<lb/> Dolch und Schwert nicht; oft griff man ſie mit Gift an! <note place="foot" n="1)">In einer großen Information Careffas an Clemens, wel-<lb/> che bei Bromato: <hi rendition="#aq">Vita di Paolo IV.</hi> nur verſtuͤmmelt vorkommt,<lb/> heißt es in der Handſchrift von den Kloͤſtern: <hi rendition="#aq">Si viene ad homicidi<lb/> non solo col veneno ma apertamente col coltello e con la<lb/> spada, per non dire con schiopetti.</hi></note><lb/> Indeſſen wurden die geiſtlichen Gnaden verkauft. Um<lb/> ſchlechten Lohn gedungen, waren die Bettelmoͤnche auf den<lb/> zufaͤlligen Gewinn begierig.</p><lb/> <p>„Wehe,“ ruft Einer jener Praͤlaten aus: „wer giebt<lb/> meinem Auge den Quell der Thraͤnen. Auch die Verſchloſ-<lb/> ſenen ſind abgefallen, der Weinberg des Herrn iſt verwuͤſtet.<lb/> Gingen ſie allein zu Grunde, ſo waͤre es ein Uebel, aber<lb/> man koͤnnte es erdulden; allein da ſie die ganze Chriſten-<lb/> heit, wie die Adern den Koͤrper durchziehen, ſo bringt ihr<lb/> Verfall den Ruin der Welt nothwendig mit ſich.“</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="3"> <head>Geiſtige Richtung.</head><lb/> <p>Koͤnnten wir die Buͤcher der Geſchichte, wie ſie ſich<lb/> ereignet hat, aufſchlagen, — ſtuͤnde uns das Voruͤberge-<lb/> hende Rede wie die Natur — wie oft wuͤrden wir, wie in<lb/> dieſer, in dem Verfalle, den wir betrauern, den neuen Keim<lb/> wahrnehmen, aus dem Tode das Leben hervorgehen ſehen.</p><lb/> <p>So ſehr wir dieſe Verweltlichung der geiſtlichen<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [60/0086]
Kap. II. Die Kirche im Anf. des 16. Jahrh.
man zur Zeit der Wahlen ſich der Unguͤnſtigen, der Geg-
ner zu entledigen. Jene ſuchte man als Prediger, als
Pfarrverweſer auszuſenden: gegen dieſe ſcheute man ſelbſt
Dolch und Schwert nicht; oft griff man ſie mit Gift an! 1)
Indeſſen wurden die geiſtlichen Gnaden verkauft. Um
ſchlechten Lohn gedungen, waren die Bettelmoͤnche auf den
zufaͤlligen Gewinn begierig.
„Wehe,“ ruft Einer jener Praͤlaten aus: „wer giebt
meinem Auge den Quell der Thraͤnen. Auch die Verſchloſ-
ſenen ſind abgefallen, der Weinberg des Herrn iſt verwuͤſtet.
Gingen ſie allein zu Grunde, ſo waͤre es ein Uebel, aber
man koͤnnte es erdulden; allein da ſie die ganze Chriſten-
heit, wie die Adern den Koͤrper durchziehen, ſo bringt ihr
Verfall den Ruin der Welt nothwendig mit ſich.“
Geiſtige Richtung.
Koͤnnten wir die Buͤcher der Geſchichte, wie ſie ſich
ereignet hat, aufſchlagen, — ſtuͤnde uns das Voruͤberge-
hende Rede wie die Natur — wie oft wuͤrden wir, wie in
dieſer, in dem Verfalle, den wir betrauern, den neuen Keim
wahrnehmen, aus dem Tode das Leben hervorgehen ſehen.
So ſehr wir dieſe Verweltlichung der geiſtlichen
1) In einer großen Information Careffas an Clemens, wel-
che bei Bromato: Vita di Paolo IV. nur verſtuͤmmelt vorkommt,
heißt es in der Handſchrift von den Kloͤſtern: Si viene ad homicidi
non solo col veneno ma apertamente col coltello e con la
spada, per non dire con schiopetti.
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