Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite
Gegensätze des 14ten u. 15ten Jahrh.
Gegensätze des vierzehnten und funfzehnten
Jahrhunderts.

An gewissen Stellen fühlt man sich besonders ver-
sucht, wenn wir es aussprechen dürfen, den Planen der
göttlichen Weltregierung, den Momenten der Erziehung
des Menschengeschlechtes nachzuforschen.

So mangelhaft auch die Entwickelung seyn mochte,
die wir bezeichneten, so war sie doch nothwendig, um das
Christenthum in dem Abendlande völlig einheimisch zu ma-
chen. Es gehörte etwas dazu, um die trotzigen, nordi-
schen Gemüther, die gesammten von althergebrachtem Aber-
glauben beherrschten Völkerschaften, mit den Ideen des
Christenthums zu durchdringen. Das geistliche Element
mußte eine Zeitlang vorherrschen, um das germanische We-
sen ganz zu ergreifen. Hierdurch vollzog sich zugleich jene
enge Vereinigung germanischer und romanischer Elemente.
Es giebt eine Gemeinschaftlichkeit der modernen Welt,
welche immer als eine Hauptgrundlage der gesammten Aus-
bildung derselben in Staat und Kirche, Sitte, Leben und
Literatur betrachtet worden ist. Um sie hervorzubringen,
mußten die westlichen Nationen einmal gleichsam einen ein-
zigen weltlich-geistlichen Staat ausmachen.

Aber in dem großen Fortgange der Dinge war auch
dieß nur ein Moment. Nachdem die Umwandelung voll-
bracht worden, traten neue Erfolge ein.

Schon darin kündigte sich eine andre Epoche an, daß
die Landessprachen fast allenthalben zur nehmlichen Zeit

3
Gegenſaͤtze des 14ten u. 15ten Jahrh.
Gegenſaͤtze des vierzehnten und funfzehnten
Jahrhunderts.

An gewiſſen Stellen fuͤhlt man ſich beſonders ver-
ſucht, wenn wir es ausſprechen duͤrfen, den Planen der
goͤttlichen Weltregierung, den Momenten der Erziehung
des Menſchengeſchlechtes nachzuforſchen.

So mangelhaft auch die Entwickelung ſeyn mochte,
die wir bezeichneten, ſo war ſie doch nothwendig, um das
Chriſtenthum in dem Abendlande voͤllig einheimiſch zu ma-
chen. Es gehoͤrte etwas dazu, um die trotzigen, nordi-
ſchen Gemuͤther, die geſammten von althergebrachtem Aber-
glauben beherrſchten Voͤlkerſchaften, mit den Ideen des
Chriſtenthums zu durchdringen. Das geiſtliche Element
mußte eine Zeitlang vorherrſchen, um das germaniſche We-
ſen ganz zu ergreifen. Hierdurch vollzog ſich zugleich jene
enge Vereinigung germaniſcher und romaniſcher Elemente.
Es giebt eine Gemeinſchaftlichkeit der modernen Welt,
welche immer als eine Hauptgrundlage der geſammten Aus-
bildung derſelben in Staat und Kirche, Sitte, Leben und
Literatur betrachtet worden iſt. Um ſie hervorzubringen,
mußten die weſtlichen Nationen einmal gleichſam einen ein-
zigen weltlich-geiſtlichen Staat ausmachen.

Aber in dem großen Fortgange der Dinge war auch
dieß nur ein Moment. Nachdem die Umwandelung voll-
bracht worden, traten neue Erfolge ein.

Schon darin kuͤndigte ſich eine andre Epoche an, daß
die Landesſprachen faſt allenthalben zur nehmlichen Zeit

3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0059" n="33"/>
            <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Gegen&#x017F;a&#x0364;tze des 14ten u. 15ten Jahrh</hi>.</fw>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>Gegen&#x017F;a&#x0364;tze des vierzehnten und funfzehnten<lb/>
Jahrhunderts.</head><lb/>
            <p>An gewi&#x017F;&#x017F;en Stellen fu&#x0364;hlt man &#x017F;ich be&#x017F;onders ver-<lb/>
&#x017F;ucht, wenn wir es aus&#x017F;prechen du&#x0364;rfen, den Planen der<lb/>
go&#x0364;ttlichen Weltregierung, den Momenten der Erziehung<lb/>
des Men&#x017F;chenge&#x017F;chlechtes nachzufor&#x017F;chen.</p><lb/>
            <p>So mangelhaft auch die Entwickelung &#x017F;eyn mochte,<lb/>
die wir bezeichneten, &#x017F;o war &#x017F;ie doch nothwendig, um das<lb/>
Chri&#x017F;tenthum in dem Abendlande vo&#x0364;llig einheimi&#x017F;ch zu ma-<lb/>
chen. Es geho&#x0364;rte etwas dazu, um die trotzigen, nordi-<lb/>
&#x017F;chen Gemu&#x0364;ther, die ge&#x017F;ammten von althergebrachtem Aber-<lb/>
glauben beherr&#x017F;chten Vo&#x0364;lker&#x017F;chaften, mit den Ideen des<lb/>
Chri&#x017F;tenthums zu durchdringen. Das gei&#x017F;tliche Element<lb/>
mußte eine Zeitlang vorherr&#x017F;chen, um das germani&#x017F;che We-<lb/>
&#x017F;en ganz zu ergreifen. Hierdurch vollzog &#x017F;ich zugleich jene<lb/>
enge Vereinigung germani&#x017F;cher und romani&#x017F;cher Elemente.<lb/>
Es giebt eine Gemein&#x017F;chaftlichkeit der modernen Welt,<lb/>
welche immer als eine Hauptgrundlage der ge&#x017F;ammten Aus-<lb/>
bildung der&#x017F;elben in Staat und Kirche, Sitte, Leben und<lb/>
Literatur betrachtet worden i&#x017F;t. Um &#x017F;ie hervorzubringen,<lb/>
mußten die we&#x017F;tlichen Nationen einmal gleich&#x017F;am einen ein-<lb/>
zigen weltlich-gei&#x017F;tlichen Staat ausmachen.</p><lb/>
            <p>Aber in dem großen Fortgange der Dinge war auch<lb/>
dieß nur ein Moment. Nachdem die Umwandelung voll-<lb/>
bracht worden, traten neue Erfolge ein.</p><lb/>
            <p>Schon darin ku&#x0364;ndigte &#x017F;ich eine andre Epoche an, daß<lb/>
die Landes&#x017F;prachen fa&#x017F;t allenthalben zur nehmlichen Zeit<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">3</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[33/0059] Gegenſaͤtze des 14ten u. 15ten Jahrh. Gegenſaͤtze des vierzehnten und funfzehnten Jahrhunderts. An gewiſſen Stellen fuͤhlt man ſich beſonders ver- ſucht, wenn wir es ausſprechen duͤrfen, den Planen der goͤttlichen Weltregierung, den Momenten der Erziehung des Menſchengeſchlechtes nachzuforſchen. So mangelhaft auch die Entwickelung ſeyn mochte, die wir bezeichneten, ſo war ſie doch nothwendig, um das Chriſtenthum in dem Abendlande voͤllig einheimiſch zu ma- chen. Es gehoͤrte etwas dazu, um die trotzigen, nordi- ſchen Gemuͤther, die geſammten von althergebrachtem Aber- glauben beherrſchten Voͤlkerſchaften, mit den Ideen des Chriſtenthums zu durchdringen. Das geiſtliche Element mußte eine Zeitlang vorherrſchen, um das germaniſche We- ſen ganz zu ergreifen. Hierdurch vollzog ſich zugleich jene enge Vereinigung germaniſcher und romaniſcher Elemente. Es giebt eine Gemeinſchaftlichkeit der modernen Welt, welche immer als eine Hauptgrundlage der geſammten Aus- bildung derſelben in Staat und Kirche, Sitte, Leben und Literatur betrachtet worden iſt. Um ſie hervorzubringen, mußten die weſtlichen Nationen einmal gleichſam einen ein- zigen weltlich-geiſtlichen Staat ausmachen. Aber in dem großen Fortgange der Dinge war auch dieß nur ein Moment. Nachdem die Umwandelung voll- bracht worden, traten neue Erfolge ein. Schon darin kuͤndigte ſich eine andre Epoche an, daß die Landesſprachen faſt allenthalben zur nehmlichen Zeit 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/59
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/59>, abgerufen am 21.11.2024.