Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils zweyte Abtheilung: Neuere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.Viertes Kapitel. Entwickelung des Ganges, den die Veredlung der Begriffe über Geschlechtsverbindung und Liebe im zwölften und dreyzehnten Jahrhunderte nach dem herrschenden Charakter des Zeitalters hat nehmen müssen. Ich werde mich aber bey der Denkungsart des Pöbels über Geschlechtsverbindung und Liebe nicht weiter aufhalten, da diese zu allen Zeiten und in allen Ländern beynahe die nehmliche ist. Ich werde dagegen die Denkungsart der guten Gesellschaft über den angezeigten Punkt desto sorgfältiger entwickeln. Ehe ich zu den bestimmten Nachrichten übergehe, die aus diesen Zeiten auf uns gekommen sind, will ich den Gang zu zeichnen suchen, den die Denkungsart der damahligen guten Gesellschaft über die angezeigten Gegenstände nach der Lage der Dinge überhaupt, und der beyden Geschlechter gegen einander besonders, hat nehmen müssen. So wenig Spuren einer ausgezeichneten Achtung für das weibliche Geschlecht im Ganzen das zwölfte Jahrhundert liefert, so gewiß ist es doch, daß einige Edle den Werth einzelner Weiber geschätzt haben, welche sich durch Tugenden, die der Geist des Zeitalters anerkennen konnte, auszeichneten. Diese einzelnen außerordentlichen Weiber mußten um so stärker auf die Imagination der Männer wirken, da die Viertes Kapitel. Entwickelung des Ganges, den die Veredlung der Begriffe über Geschlechtsverbindung und Liebe im zwölften und dreyzehnten Jahrhunderte nach dem herrschenden Charakter des Zeitalters hat nehmen müssen. Ich werde mich aber bey der Denkungsart des Pöbels über Geschlechtsverbindung und Liebe nicht weiter aufhalten, da diese zu allen Zeiten und in allen Ländern beynahe die nehmliche ist. Ich werde dagegen die Denkungsart der guten Gesellschaft über den angezeigten Punkt desto sorgfältiger entwickeln. Ehe ich zu den bestimmten Nachrichten übergehe, die aus diesen Zeiten auf uns gekommen sind, will ich den Gang zu zeichnen suchen, den die Denkungsart der damahligen guten Gesellschaft über die angezeigten Gegenstände nach der Lage der Dinge überhaupt, und der beyden Geschlechter gegen einander besonders, hat nehmen müssen. So wenig Spuren einer ausgezeichneten Achtung für das weibliche Geschlecht im Ganzen das zwölfte Jahrhundert liefert, so gewiß ist es doch, daß einige Edle den Werth einzelner Weiber geschätzt haben, welche sich durch Tugenden, die der Geist des Zeitalters anerkennen konnte, auszeichneten. Diese einzelnen außerordentlichen Weiber mußten um so stärker auf die Imagination der Männer wirken, da die <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0064" n="64"/> <div n="2"> <head>Viertes Kapitel.<lb/></head> <argument> <p>Entwickelung des Ganges, den die Veredlung der Begriffe über Geschlechtsverbindung und Liebe im zwölften und dreyzehnten Jahrhunderte nach dem herrschenden Charakter des Zeitalters hat nehmen müssen.<lb/></p> </argument> <p>Ich werde mich aber bey der Denkungsart des Pöbels über Geschlechtsverbindung und Liebe nicht weiter aufhalten, da diese zu allen Zeiten und in allen Ländern beynahe die nehmliche ist. Ich werde dagegen die Denkungsart der guten Gesellschaft über den angezeigten Punkt desto sorgfältiger entwickeln.</p> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Ehe ich zu den bestimmten Nachrichten übergehe, die aus diesen Zeiten auf uns gekommen sind, will ich den Gang zu zeichnen suchen, den die Denkungsart der damahligen guten Gesellschaft über die angezeigten Gegenstände nach der Lage der Dinge überhaupt, und der beyden Geschlechter gegen einander besonders, hat nehmen müssen.</p> <p>So wenig Spuren einer ausgezeichneten Achtung für das weibliche Geschlecht im Ganzen das zwölfte Jahrhundert liefert, so gewiß ist es doch, daß einige Edle den Werth einzelner Weiber geschätzt haben, welche sich durch Tugenden, die der Geist des Zeitalters anerkennen konnte, auszeichneten. Diese einzelnen außerordentlichen Weiber mußten um so stärker auf die Imagination der Männer wirken, da die </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [64/0064]
Viertes Kapitel.
Entwickelung des Ganges, den die Veredlung der Begriffe über Geschlechtsverbindung und Liebe im zwölften und dreyzehnten Jahrhunderte nach dem herrschenden Charakter des Zeitalters hat nehmen müssen.
Ich werde mich aber bey der Denkungsart des Pöbels über Geschlechtsverbindung und Liebe nicht weiter aufhalten, da diese zu allen Zeiten und in allen Ländern beynahe die nehmliche ist. Ich werde dagegen die Denkungsart der guten Gesellschaft über den angezeigten Punkt desto sorgfältiger entwickeln.
Ehe ich zu den bestimmten Nachrichten übergehe, die aus diesen Zeiten auf uns gekommen sind, will ich den Gang zu zeichnen suchen, den die Denkungsart der damahligen guten Gesellschaft über die angezeigten Gegenstände nach der Lage der Dinge überhaupt, und der beyden Geschlechter gegen einander besonders, hat nehmen müssen.
So wenig Spuren einer ausgezeichneten Achtung für das weibliche Geschlecht im Ganzen das zwölfte Jahrhundert liefert, so gewiß ist es doch, daß einige Edle den Werth einzelner Weiber geschätzt haben, welche sich durch Tugenden, die der Geist des Zeitalters anerkennen konnte, auszeichneten. Diese einzelnen außerordentlichen Weiber mußten um so stärker auf die Imagination der Männer wirken, da die
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