Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Zweyter Theil: Aesthetik der Liebe. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

für einander, an deren Stelle in der Folge der Zeit Zärtlichkeit, auf Achtung gegründet, getreten ist.

Fünftes Kapitel.

Berichtigung der gewöhnlichen Begriffe über die Seelenliebe.

Nach den bisherigen Bestimmungen muß es mir nicht schwer werden, die gewöhnlichen Begriffe über die Seelenliebe zu berichtigen.

Es ist ausgemacht, daß einzelne liebende Aufwallungen gegen eine Person von verschiedenem Geschlechte ohne alle Mitwirkung des Körpers, ja sogar der Geschlechtssympathie der Seele, Statt finden können. Aber davon spricht der große Haufe nicht, wenn er einem Verhältnisse zwischen beyden Geschlechtern den Nahmen der Seelenliebe beylegt: er spricht von zärtlicher Anhänglichkeit und von Leidenschaft.

Versteht man unter diesem Nahmen jene engeren gesellschaftlichen Verhältnisse zwischen zwey Personen von verschiedenem Geschlechte, die unter dem Nahmen des Hofmachens, oder auch der liaisons d' esprit bekannt sind: Verbindungen, die sich auf wechselseitige Eitelkeitsgewährungen, und eine bald tändelnde, kosende, bald geistige Unterhaltung gründen und beschränken; - so mögen immerhin hierbey gröbere Begierden des Körpers schweigen: die feineren werden demungeachtet mitwirken, und nie wird man einem solchen Verhältnisse barer Selbstheit den Nahmen der Liebe beylegen dürfen.

für einander, an deren Stelle in der Folge der Zeit Zärtlichkeit, auf Achtung gegründet, getreten ist.

Fünftes Kapitel.

Berichtigung der gewöhnlichen Begriffe über die Seelenliebe.

Nach den bisherigen Bestimmungen muß es mir nicht schwer werden, die gewöhnlichen Begriffe über die Seelenliebe zu berichtigen.

Es ist ausgemacht, daß einzelne liebende Aufwallungen gegen eine Person von verschiedenem Geschlechte ohne alle Mitwirkung des Körpers, ja sogar der Geschlechtssympathie der Seele, Statt finden können. Aber davon spricht der große Haufe nicht, wenn er einem Verhältnisse zwischen beyden Geschlechtern den Nahmen der Seelenliebe beylegt: er spricht von zärtlicher Anhänglichkeit und von Leidenschaft.

Versteht man unter diesem Nahmen jene engeren gesellschaftlichen Verhältnisse zwischen zwey Personen von verschiedenem Geschlechte, die unter dem Nahmen des Hofmachens, oder auch der liaisons d’ esprit bekannt sind: Verbindungen, die sich auf wechselseitige Eitelkeitsgewährungen, und eine bald tändelnde, kosende, bald geistige Unterhaltung gründen und beschränken; – so mögen immerhin hierbey gröbere Begierden des Körpers schweigen: die feineren werden demungeachtet mitwirken, und nie wird man einem solchen Verhältnisse barer Selbstheit den Nahmen der Liebe beylegen dürfen.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0107" n="107"/>
für einander, an deren Stelle in der Folge der Zeit Zärtlichkeit, auf Achtung gegründet, getreten ist.</p>
        </div>
        <div n="2">
          <head>Fünftes Kapitel.<lb/></head>
          <argument>
            <p>Berichtigung der gewöhnlichen Begriffe über die Seelenliebe.<lb/></p>
          </argument>
          <p>Nach den bisherigen Bestimmungen muß es mir nicht schwer werden, die gewöhnlichen Begriffe über die Seelenliebe zu berichtigen.</p>
          <p>Es ist ausgemacht, daß einzelne liebende Aufwallungen gegen eine Person von verschiedenem Geschlechte ohne alle Mitwirkung des Körpers, ja sogar der Geschlechtssympathie der Seele, Statt finden können. Aber davon spricht der große Haufe nicht, wenn er einem Verhältnisse zwischen beyden Geschlechtern den Nahmen der Seelenliebe beylegt: er spricht von zärtlicher Anhänglichkeit und von Leidenschaft.</p>
          <p>Versteht man unter diesem Nahmen jene engeren gesellschaftlichen Verhältnisse zwischen zwey Personen von verschiedenem Geschlechte, die unter dem Nahmen des Hofmachens, oder auch der <hi rendition="#aq">liaisons d&#x2019; esprit</hi> bekannt sind: Verbindungen, die sich auf wechselseitige Eitelkeitsgewährungen, und eine bald tändelnde, kosende, bald geistige Unterhaltung gründen und beschränken; &#x2013; so mögen immerhin hierbey gröbere Begierden des Körpers schweigen: die feineren werden demungeachtet mitwirken, und nie wird man einem solchen Verhältnisse barer Selbstheit den Nahmen der Liebe beylegen dürfen.</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[107/0107] für einander, an deren Stelle in der Folge der Zeit Zärtlichkeit, auf Achtung gegründet, getreten ist. Fünftes Kapitel. Berichtigung der gewöhnlichen Begriffe über die Seelenliebe. Nach den bisherigen Bestimmungen muß es mir nicht schwer werden, die gewöhnlichen Begriffe über die Seelenliebe zu berichtigen. Es ist ausgemacht, daß einzelne liebende Aufwallungen gegen eine Person von verschiedenem Geschlechte ohne alle Mitwirkung des Körpers, ja sogar der Geschlechtssympathie der Seele, Statt finden können. Aber davon spricht der große Haufe nicht, wenn er einem Verhältnisse zwischen beyden Geschlechtern den Nahmen der Seelenliebe beylegt: er spricht von zärtlicher Anhänglichkeit und von Leidenschaft. Versteht man unter diesem Nahmen jene engeren gesellschaftlichen Verhältnisse zwischen zwey Personen von verschiedenem Geschlechte, die unter dem Nahmen des Hofmachens, oder auch der liaisons d’ esprit bekannt sind: Verbindungen, die sich auf wechselseitige Eitelkeitsgewährungen, und eine bald tändelnde, kosende, bald geistige Unterhaltung gründen und beschränken; – so mögen immerhin hierbey gröbere Begierden des Körpers schweigen: die feineren werden demungeachtet mitwirken, und nie wird man einem solchen Verhältnisse barer Selbstheit den Nahmen der Liebe beylegen dürfen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-20T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-20T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-20T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als moderner Umlaut (ä, ö, ü) transkribiert.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus02_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus02_1798/107
Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Zweyter Theil: Aesthetik der Liebe. Leipzig, 1798, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus02_1798/107>, abgerufen am 21.12.2024.