Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Erster Theil: Naturkunde der Liebe. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

sie noch eine andere Verbindung kennen lehrt, als diejenige, welche gieriges Verzehren oder Ergetzen aus der Ferne mit sich führen. Sogar die Zunge weilt länger bey dem Auskosten der Speise, die mit pikantem Reitze allmählig auf ihr zerschmilzt! Und diese Ueppigkeit! - Ja! sie ist die erste Stufe der Geschlechtssympathie zwischen den Menschen; sie ist eine mit der Lüsternheit verwandte Kraft.

Fünftes Kapitel.

Lüsternheit des Körpers. *)

Ich wiederhole hier was ich schon gesagt habe: Lüsternheit ist jener Zustand einer überschwenglich wollüstigen Wirksamkeit der Lebenskraft unserer ganzen thierischen Organisation, wenn diese durch das Wohlverhältniß ihrer geschmeidigen Stärke zur hebenden Zartheit der Organisation eines angenäherten belebten Körpers in eine gleichzeitig leidende und thätige Spannung und Zärtelung geräth.

Es ist also hier nicht bloß von der Sensibilität unserer äußeren Sinnenorgane die Rede, sondern von der Lebenskraft der ganzen thierischen Organisation. Diese geräth bey der Lüsternheit in Aufruhr. Wir streben

*) Das eigentliche Wort ist Lascivität. Allein da dieß so wie der Deutsche Ausdruck, der jene Lateinische Benennung völlig wiedergiebt, eine unsittliche Nebenbedeutung erhalten hat, so habe ich mich dessen enthalten müssen. Ohnehin haben Thümmel und einige andere unserer klassischen Schriftsteller das Wort "Lüsternheit" bereits in ähnlicher Bedeutung gebraucht.

sie noch eine andere Verbindung kennen lehrt, als diejenige, welche gieriges Verzehren oder Ergetzen aus der Ferne mit sich führen. Sogar die Zunge weilt länger bey dem Auskosten der Speise, die mit pikantem Reitze allmählig auf ihr zerschmilzt! Und diese Ueppigkeit! – Ja! sie ist die erste Stufe der Geschlechtssympathie zwischen den Menschen; sie ist eine mit der Lüsternheit verwandte Kraft.

Fünftes Kapitel.

Lüsternheit des Körpers. *)

Ich wiederhole hier was ich schon gesagt habe: Lüsternheit ist jener Zustand einer überschwenglich wollüstigen Wirksamkeit der Lebenskraft unserer ganzen thierischen Organisation, wenn diese durch das Wohlverhältniß ihrer geschmeidigen Stärke zur hebenden Zartheit der Organisation eines angenäherten belebten Körpers in eine gleichzeitig leidende und thätige Spannung und Zärtelung geräth.

Es ist also hier nicht bloß von der Sensibilität unserer äußeren Sinnenorgane die Rede, sondern von der Lebenskraft der ganzen thierischen Organisation. Diese geräth bey der Lüsternheit in Aufruhr. Wir streben

*) Das eigentliche Wort ist Lascivität. Allein da dieß so wie der Deutsche Ausdruck, der jene Lateinische Benennung völlig wiedergiebt, eine unsittliche Nebenbedeutung erhalten hat, so habe ich mich dessen enthalten müssen. Ohnehin haben Thümmel und einige andere unserer klassischen Schriftsteller das Wort „Lüsternheit“ bereits in ähnlicher Bedeutung gebraucht.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="2">
            <p><pb facs="#f0140" n="140"/>
sie noch eine andere Verbindung kennen lehrt, als diejenige, welche gieriges Verzehren oder Ergetzen aus der Ferne mit sich führen. Sogar die Zunge weilt länger bey dem Auskosten der Speise, die mit pikantem Reitze allmählig auf ihr zerschmilzt! Und diese Ueppigkeit! &#x2013; Ja! sie ist die erste Stufe der Geschlechtssympathie zwischen den Menschen; sie ist eine mit der Lüsternheit verwandte Kraft.</p>
          </div>
          <div n="2">
            <head>Fünftes Kapitel.<lb/></head>
            <argument>
              <p>Lüsternheit des Körpers. <note place="foot" n="*)">Das eigentliche Wort ist Lascivität. Allein da dieß so wie der Deutsche Ausdruck, der jene Lateinische Benennung völlig wiedergiebt, eine unsittliche Nebenbedeutung erhalten hat, so habe ich mich dessen enthalten müssen. Ohnehin haben Thümmel und einige andere unserer klassischen Schriftsteller das Wort <hi rendition="#g">&#x201E;Lüsternheit&#x201C;</hi> bereits in ähnlicher Bedeutung gebraucht.</note><lb/></p>
            </argument>
            <p>Ich wiederhole hier was ich schon gesagt habe: <hi rendition="#g">Lüsternheit</hi> ist jener Zustand einer überschwenglich wollüstigen Wirksamkeit der Lebenskraft unserer ganzen thierischen Organisation, wenn diese durch das Wohlverhältniß ihrer geschmeidigen Stärke zur hebenden Zartheit der Organisation eines angenäherten belebten Körpers in eine gleichzeitig leidende und thätige Spannung und Zärtelung geräth.</p>
            <p>Es ist also hier nicht bloß von der Sensibilität unserer äußeren Sinnenorgane die Rede, sondern von der Lebenskraft der ganzen thierischen Organisation. Diese geräth bey der Lüsternheit in Aufruhr. Wir streben
</p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[140/0140] sie noch eine andere Verbindung kennen lehrt, als diejenige, welche gieriges Verzehren oder Ergetzen aus der Ferne mit sich führen. Sogar die Zunge weilt länger bey dem Auskosten der Speise, die mit pikantem Reitze allmählig auf ihr zerschmilzt! Und diese Ueppigkeit! – Ja! sie ist die erste Stufe der Geschlechtssympathie zwischen den Menschen; sie ist eine mit der Lüsternheit verwandte Kraft. Fünftes Kapitel. Lüsternheit des Körpers. *) Ich wiederhole hier was ich schon gesagt habe: Lüsternheit ist jener Zustand einer überschwenglich wollüstigen Wirksamkeit der Lebenskraft unserer ganzen thierischen Organisation, wenn diese durch das Wohlverhältniß ihrer geschmeidigen Stärke zur hebenden Zartheit der Organisation eines angenäherten belebten Körpers in eine gleichzeitig leidende und thätige Spannung und Zärtelung geräth. Es ist also hier nicht bloß von der Sensibilität unserer äußeren Sinnenorgane die Rede, sondern von der Lebenskraft der ganzen thierischen Organisation. Diese geräth bey der Lüsternheit in Aufruhr. Wir streben *) Das eigentliche Wort ist Lascivität. Allein da dieß so wie der Deutsche Ausdruck, der jene Lateinische Benennung völlig wiedergiebt, eine unsittliche Nebenbedeutung erhalten hat, so habe ich mich dessen enthalten müssen. Ohnehin haben Thümmel und einige andere unserer klassischen Schriftsteller das Wort „Lüsternheit“ bereits in ähnlicher Bedeutung gebraucht.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-20T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-20T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-20T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als moderner Umlaut (ä, ö, ü) transkribiert.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus01_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus01_1798/140
Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Erster Theil: Naturkunde der Liebe. Leipzig, 1798, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus01_1798/140>, abgerufen am 21.12.2024.