kreideweiß im Lichte, und zu grün in den Schatten. Ueberhaupt fehlt es diesem Bilde an Wärme und Harmonie.
Es ist bekannt, daß Raphael eine große Com- position von diesem Süjet gemahlt hat, welche in Bo- logna hängt. Es ist interessant, die Verschiedenheit des Charakters beider Meister aufzuspühren, in der verschiedenen Art, wie sie sich den Charakter der Hei- ligen und die Stimmung ihrer Seele in dem Augen- blicke, wie sie die himmlische Musik hört, gedacht haben. Raphael mahlte das Entzücken eines Gei- stes, der zu überirrdischen Empfindungen hingerissen wird; Domenichino den sinnlichen Eindruck des furcht- samen Aufhorchens. So zeigt sich der eine als Mann von hoher Einbildungskraft, und großen Gefühlen, der andere als feiner Bemerker wahrer aber nicht un- gewöhnlicher Empfindungen. Man könnte sagen, beide wären nur in der Wahl des Augenblicks verschie- den, denn man denke sich sehr wohl die Regung, die Domenichino darstellte als den Anfang des Eindrucks, der sich nachher beim Raphael bis zum kühneren En- thusiasmus verstärkte. Allein die Physiognomie einer Cäcilia des Domenichino würde sich zu dem Ausdruck der Cäcilia eines Raphaels nie passen, und die Wahl des Augenblicks allein bestätigt die angezeigte Verschie- denheit des Charakters beider Meister.
Fünftes Zimmer.
+ Aeneas, der seinen Vater trägt, vonAeneas und Anchises von Baroccio. Barozio oder Baroccio wie andere schreiben. Der
Mahler
T 5
Pallaſt Borgheſe.
kreideweiß im Lichte, und zu gruͤn in den Schatten. Ueberhaupt fehlt es dieſem Bilde an Waͤrme und Harmonie.
Es iſt bekannt, daß Raphael eine große Com- poſition von dieſem Suͤjet gemahlt hat, welche in Bo- logna haͤngt. Es iſt intereſſant, die Verſchiedenheit des Charakters beider Meiſter aufzuſpuͤhren, in der verſchiedenen Art, wie ſie ſich den Charakter der Hei- ligen und die Stimmung ihrer Seele in dem Augen- blicke, wie ſie die himmliſche Muſik hoͤrt, gedacht haben. Raphael mahlte das Entzuͤcken eines Gei- ſtes, der zu uͤberirrdiſchen Empfindungen hingeriſſen wird; Domenichino den ſinnlichen Eindruck des furcht- ſamen Aufhorchens. So zeigt ſich der eine als Mann von hoher Einbildungskraft, und großen Gefuͤhlen, der andere als feiner Bemerker wahrer aber nicht un- gewoͤhnlicher Empfindungen. Man koͤnnte ſagen, beide waͤren nur in der Wahl des Augenblicks verſchie- den, denn man denke ſich ſehr wohl die Regung, die Domenichino darſtellte als den Anfang des Eindrucks, der ſich nachher beim Raphael bis zum kuͤhneren En- thuſiasmus verſtaͤrkte. Allein die Phyſiognomie einer Caͤcilia des Domenichino wuͤrde ſich zu dem Ausdruck der Caͤcilia eines Raphaels nie paſſen, und die Wahl des Augenblicks allein beſtaͤtigt die angezeigte Verſchie- denheit des Charakters beider Meiſter.
Fuͤnftes Zimmer.
† Aeneas, der ſeinen Vater traͤgt, vonAeneas und Anchiſes von Baroccio. Barozio oder Baroccio wie andere ſchreiben. Der
Mahler
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Pallaſt Borgheſe.
kreideweiß im Lichte, und zu gruͤn in den Schatten.
Ueberhaupt fehlt es dieſem Bilde an Waͤrme und
Harmonie.
Es iſt bekannt, daß Raphael eine große Com-
poſition von dieſem Suͤjet gemahlt hat, welche in Bo-
logna haͤngt. Es iſt intereſſant, die Verſchiedenheit
des Charakters beider Meiſter aufzuſpuͤhren, in der
verſchiedenen Art, wie ſie ſich den Charakter der Hei-
ligen und die Stimmung ihrer Seele in dem Augen-
blicke, wie ſie die himmliſche Muſik hoͤrt, gedacht
haben. Raphael mahlte das Entzuͤcken eines Gei-
ſtes, der zu uͤberirrdiſchen Empfindungen hingeriſſen
wird; Domenichino den ſinnlichen Eindruck des furcht-
ſamen Aufhorchens. So zeigt ſich der eine als Mann
von hoher Einbildungskraft, und großen Gefuͤhlen,
der andere als feiner Bemerker wahrer aber nicht un-
gewoͤhnlicher Empfindungen. Man koͤnnte ſagen,
beide waͤren nur in der Wahl des Augenblicks verſchie-
den, denn man denke ſich ſehr wohl die Regung, die
Domenichino darſtellte als den Anfang des Eindrucks,
der ſich nachher beim Raphael bis zum kuͤhneren En-
thuſiasmus verſtaͤrkte. Allein die Phyſiognomie einer
Caͤcilia des Domenichino wuͤrde ſich zu dem Ausdruck
der Caͤcilia eines Raphaels nie paſſen, und die Wahl
des Augenblicks allein beſtaͤtigt die angezeigte Verſchie-
denheit des Charakters beider Meiſter.
Fuͤnftes Zimmer.
† Aeneas, der ſeinen Vater traͤgt, von
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Aeneas und
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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 1. Leipzig, 1787, S. 297. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei01_1787/319>, abgerufen am 22.02.2025.
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