CHRIA APHTHONIANA. Wird um eine Rectoratstelle in einem kleinen Städtchen gebeten.
Hochedelgebohrne Frau, Hochzuehrende Frau Bürgermeisterinn,
Sokrates, die Zierde Griechenlandes, der Phö- nix seiner Zeit, der Weise, welcher unter den andern Weisen hervor leuchtete, gleichsam als der Mond unter den kleinen Feuern, tanquam inter ignes luna minores, Sokrates, sage ich, den Hochedelgebohrne Frau, Xantippe selbst nicht von seiner philosophischen Höhe herunter zanken konnte; dieser hat sehr wohl und gelehrt gesagt apud Xe- nophontem, memor. Lib. IV. c. I.
Ai aristai dokousai einai phuseis, malista paideias deontai,
zu deutsch also lautend:
Drum glaubet mir zu dieser Frist, Daß die Natur, so schön sie ist, Dennoch den Unterricht vermißt.
Er wollte damit gleichsam andeuten, daß die vortrefflichsten Gemüther der Jugend die meiste Zucht nöthig hätten, oder, wie es nach dem eigent- lichen Verstande unsers Grundtextes lauten möch-
te,
Satyriſche Briefe.
CHRIA APHTHONIANA. Wird um eine Rectoratſtelle in einem kleinen Staͤdtchen gebeten.
Hochedelgebohrne Frau, Hochzuehrende Frau Buͤrgermeiſterinn,
Sokrates, die Zierde Griechenlandes, der Phoͤ- nix ſeiner Zeit, der Weiſe, welcher unter den andern Weiſen hervor leuchtete, gleichſam als der Mond unter den kleinen Feuern, tanquam inter ignes luna minores, Sokrates, ſage ich, den Hochedelgebohrne Frau, Xantippe ſelbſt nicht von ſeiner philoſophiſchen Hoͤhe herunter zanken konnte; dieſer hat ſehr wohl und gelehrt geſagt apud Xe- nophontem, memor. Lib. IV. c. I.
Drum glaubet mir zu dieſer Friſt, Daß die Natur, ſo ſchoͤn ſie iſt, Dennoch den Unterricht vermißt.
Er wollte damit gleichſam andeuten, daß die vortrefflichſten Gemuͤther der Jugend die meiſte Zucht noͤthig haͤtten, oder, wie es nach dem eigent- lichen Verſtande unſers Grundtextes lauten moͤch-
te,
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0080"n="52"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Satyriſche Briefe.</hi></fw><lb/><p><hirendition="#c"><hirendition="#aq">CHRIA APHTHONIANA.</hi><lb/>
Wird um eine Rectoratſtelle in einem kleinen<lb/>
Staͤdtchen gebeten.</hi></p><lb/><floatingText><body><divtype="letter"><salute><hirendition="#fr">Hochedelgebohrne Frau,<lb/><hirendition="#et">Hochzuehrende Frau Buͤrgermeiſterinn,</hi></hi></salute><lb/><noteplace="left"><hirendition="#aq">Laus auto-<lb/>
ris & di-<lb/>
ctum.</hi></note><p><hirendition="#in">S</hi>okrates, die Zierde Griechenlandes, der Phoͤ-<lb/>
nix ſeiner Zeit, der Weiſe, welcher unter den<lb/>
andern Weiſen hervor leuchtete, gleichſam als der<lb/>
Mond unter den kleinen Feuern, <hirendition="#aq">tanquam inter<lb/>
ignes luna minores,</hi> Sokrates, ſage ich, den<lb/>
Hochedelgebohrne Frau, Xantippe ſelbſt nicht von<lb/>ſeiner philoſophiſchen Hoͤhe herunter zanken konnte;<lb/>
dieſer hat ſehr wohl und gelehrt geſagt <hirendition="#aq">apud Xe-<lb/>
nophontem, memor. Lib. IV. c. I.</hi></p><lb/><cit><quote>Αἱἀρισταιδοκουσαιεἰναιφυσεις, μαλισταπαιδειας<lb/><hirendition="#et">δεονται,</hi></quote><bibl/></cit><lb/><p>zu deutſch alſo lautend:</p><lb/><lgtype="poem"><l>Drum glaubet mir zu dieſer Friſt,</l><lb/><l>Daß die Natur, ſo ſchoͤn ſie iſt,</l><lb/><l>Dennoch den Unterricht vermißt.</l></lg><lb/><noteplace="left"><hirendition="#aq">Paraphra-<lb/>ſis.</hi></note><p>Er wollte damit gleichſam andeuten, daß die<lb/>
vortrefflichſten Gemuͤther der Jugend die meiſte<lb/>
Zucht noͤthig haͤtten, oder, wie es nach dem eigent-<lb/>
lichen Verſtande unſers Grundtextes lauten moͤch-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">te,</fw><lb/></p></div></body></floatingText></div></body></text></TEI>
[52/0080]
Satyriſche Briefe.
CHRIA APHTHONIANA.
Wird um eine Rectoratſtelle in einem kleinen
Staͤdtchen gebeten.
Hochedelgebohrne Frau,
Hochzuehrende Frau Buͤrgermeiſterinn,
Sokrates, die Zierde Griechenlandes, der Phoͤ-
nix ſeiner Zeit, der Weiſe, welcher unter den
andern Weiſen hervor leuchtete, gleichſam als der
Mond unter den kleinen Feuern, tanquam inter
ignes luna minores, Sokrates, ſage ich, den
Hochedelgebohrne Frau, Xantippe ſelbſt nicht von
ſeiner philoſophiſchen Hoͤhe herunter zanken konnte;
dieſer hat ſehr wohl und gelehrt geſagt apud Xe-
nophontem, memor. Lib. IV. c. I.
Αἱ ἀρισται δοκουσαι εἰναι φυσεις, μαλιστα παιδειας
δεονται,
zu deutſch alſo lautend:
Drum glaubet mir zu dieſer Friſt,
Daß die Natur, ſo ſchoͤn ſie iſt,
Dennoch den Unterricht vermißt.
Er wollte damit gleichſam andeuten, daß die
vortrefflichſten Gemuͤther der Jugend die meiſte
Zucht noͤthig haͤtten, oder, wie es nach dem eigent-
lichen Verſtande unſers Grundtextes lauten moͤch-
te,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/80>, abgerufen am 06.01.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.