Denke, wie mirs geht. Jch verlange von dem verfluchten Juden, dem Kaufmanne N. tau- send Thaler. Jch habe sie mit der artigsten Art von der Welt verlangt, und der Schurke hat mir es nicht allein abgeschlagen, sondern mich auch noch um zweytausend Thaler gemahnet, die ich ihm schul- dig bin, und die ich schon lange vergessen hatte. Er ist diesen Morgen bey mir gewesen, und droht mit dem Arreste. Sey so gut, und strecke mir die zweytausend Thaler vor, bis auf künftigen Wollmarkt. Jch will Dich redlich bezahlen. Jch erwarte diese Freundschaft von Dir gewiß, da Du auch weißt, wie einem zu Muthe ist, den die Wechsel verfolgen. Unterschreib wenigstens mei- nen Wechsel mit; vielleicht giebt mir der Hund noch ein halb Jahr Nachsicht. Unterschreiben wirst Du doch? Das wird ein Cavalier dem an- dern nicht leicht abschlagen. Lebe wohl, und antworte geschwind.
Antwort.
Herr Bruder,
Kurz von der Sache zu kommen; ich habe kein Geld, und so lange ich nicht besoffen bin, un- terschreibe ich mich für Niemanden. Das ist eben unser Unglück, daß wir Cavaliere für einander mit Freuden unterschreiben, und mit Angst bezahlen
müssen.
Satyriſche Briefe.
Herr Bruder,
Denke, wie mirs geht. Jch verlange von dem verfluchten Juden, dem Kaufmanne N. tau- ſend Thaler. Jch habe ſie mit der artigſten Art von der Welt verlangt, und der Schurke hat mir es nicht allein abgeſchlagen, ſondern mich auch noch um zweytauſend Thaler gemahnet, die ich ihm ſchul- dig bin, und die ich ſchon lange vergeſſen hatte. Er iſt dieſen Morgen bey mir geweſen, und droht mit dem Arreſte. Sey ſo gut, und ſtrecke mir die zweytauſend Thaler vor, bis auf kuͤnftigen Wollmarkt. Jch will Dich redlich bezahlen. Jch erwarte dieſe Freundſchaft von Dir gewiß, da Du auch weißt, wie einem zu Muthe iſt, den die Wechſel verfolgen. Unterſchreib wenigſtens mei- nen Wechſel mit; vielleicht giebt mir der Hund noch ein halb Jahr Nachſicht. Unterſchreiben wirſt Du doch? Das wird ein Cavalier dem an- dern nicht leicht abſchlagen. Lebe wohl, und antworte geſchwind.
Antwort.
Herr Bruder,
Kurz von der Sache zu kommen; ich habe kein Geld, und ſo lange ich nicht beſoffen bin, un- terſchreibe ich mich fuͤr Niemanden. Das iſt eben unſer Ungluͤck, daß wir Cavaliere fuͤr einander mit Freuden unterſchreiben, und mit Angſt bezahlen
muͤſſen.
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Satyriſche Briefe.
Herr Bruder,
Denke, wie mirs geht. Jch verlange von dem
verfluchten Juden, dem Kaufmanne N. tau-
ſend Thaler. Jch habe ſie mit der artigſten Art
von der Welt verlangt, und der Schurke hat mir es
nicht allein abgeſchlagen, ſondern mich auch noch um
zweytauſend Thaler gemahnet, die ich ihm ſchul-
dig bin, und die ich ſchon lange vergeſſen hatte.
Er iſt dieſen Morgen bey mir geweſen, und droht
mit dem Arreſte. Sey ſo gut, und ſtrecke mir
die zweytauſend Thaler vor, bis auf kuͤnftigen
Wollmarkt. Jch will Dich redlich bezahlen. Jch
erwarte dieſe Freundſchaft von Dir gewiß, da Du
auch weißt, wie einem zu Muthe iſt, den die
Wechſel verfolgen. Unterſchreib wenigſtens mei-
nen Wechſel mit; vielleicht giebt mir der Hund
noch ein halb Jahr Nachſicht. Unterſchreiben
wirſt Du doch? Das wird ein Cavalier dem an-
dern nicht leicht abſchlagen. Lebe wohl, und
antworte geſchwind.
Antwort.
Herr Bruder,
Kurz von der Sache zu kommen; ich habe kein
Geld, und ſo lange ich nicht beſoffen bin, un-
terſchreibe ich mich fuͤr Niemanden. Das iſt eben
unſer Ungluͤck, daß wir Cavaliere fuͤr einander mit
Freuden unterſchreiben, und mit Angſt bezahlen
muͤſſen.
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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752, S. 394. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/422>, abgerufen am 20.11.2024.
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