Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752.

Bild:
<< vorherige Seite

Satyrische Briefe.
cessen, und einer ziemlichen Summe aussenstehen-
der Sporteln, die ich mit der größten Strenge
einzutreiben suchte, um zu zeigen, daß ich meines
Vaters Tochter sey. Es konnte dieses ohne Wi-
derspruch nicht geschehn, und fast in allen Sachen
diente der Advocat wider mich, der mich seiner Lie-
be ehedem in dem zärtlichsten Canzleystil so eilfer-
tig versichert hatte. Gemeiniglich ist es bey an-
dern Advocaten der Eigennutz, welcher sie erhitzt,
für die Sache zu kämpfen, zu welcher sie gedun-
gen sind; bey diesem aber kam noch ein Bewe-
gungsgrund dazu, die Rache. Er verfuhr un-
barmherzig mit mir. Jch sann auf ein Mittel, ihn
zahm zu machen, und, damit er recht zahm wer-
den sollte: so setzte ich mir vor, seine Frau zu wer-
den. Jch fiel ihn mit den Waffen des Eigennu-
tzes, und der Liebe an, und hielt meinen Sieg für
gewiß. Jch schrieb ihm:

Mein Herr,

"Jch übersende Jhnen mit diesem Boten die Un-
"kosten, deren Bezahlung mir in dem letzten
"Urthel zuerkannt worden ist. Sie können glau-
"ben, mein Herr, daß der Verlust einer so an-
"sehnlichen Rechtssache mir nicht so empfindlich ist,
"als der Eifer, mit welchem Sie Klägern wider
"mich gedient haben. So gewiß ich auch von der
"Billigkeit meiner Sache überzeugt war: so we-

nig

Satyriſche Briefe.
ceſſen, und einer ziemlichen Summe auſſenſtehen-
der Sporteln, die ich mit der groͤßten Strenge
einzutreiben ſuchte, um zu zeigen, daß ich meines
Vaters Tochter ſey. Es konnte dieſes ohne Wi-
derſpruch nicht geſchehn, und faſt in allen Sachen
diente der Advocat wider mich, der mich ſeiner Lie-
be ehedem in dem zaͤrtlichſten Canzleyſtil ſo eilfer-
tig verſichert hatte. Gemeiniglich iſt es bey an-
dern Advocaten der Eigennutz, welcher ſie erhitzt,
fuͤr die Sache zu kaͤmpfen, zu welcher ſie gedun-
gen ſind; bey dieſem aber kam noch ein Bewe-
gungsgrund dazu, die Rache. Er verfuhr un-
barmherzig mit mir. Jch ſann auf ein Mittel, ihn
zahm zu machen, und, damit er recht zahm wer-
den ſollte: ſo ſetzte ich mir vor, ſeine Frau zu wer-
den. Jch fiel ihn mit den Waffen des Eigennu-
tzes, und der Liebe an, und hielt meinen Sieg fuͤr
gewiß. Jch ſchrieb ihm:

Mein Herr,

Jch uͤberſende Jhnen mit dieſem Boten die Un-
„koſten, deren Bezahlung mir in dem letzten
„Urthel zuerkannt worden iſt. Sie koͤnnen glau-
„ben, mein Herr, daß der Verluſt einer ſo an-
„ſehnlichen Rechtsſache mir nicht ſo empfindlich iſt,
„als der Eifer, mit welchem Sie Klaͤgern wider
„mich gedient haben. So gewiß ich auch von der
„Billigkeit meiner Sache uͤberzeugt war: ſo we-

nig
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0276" n="248"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Satyri&#x017F;che Briefe.</hi></fw><lb/>
ce&#x017F;&#x017F;en, und einer ziemlichen Summe au&#x017F;&#x017F;en&#x017F;tehen-<lb/>
der Sporteln, die ich mit der gro&#x0364;ßten Strenge<lb/>
einzutreiben &#x017F;uchte, um zu zeigen, daß ich meines<lb/>
Vaters Tochter &#x017F;ey. Es konnte die&#x017F;es ohne Wi-<lb/>
der&#x017F;pruch nicht ge&#x017F;chehn, und fa&#x017F;t in allen Sachen<lb/>
diente der Advocat wider mich, der mich &#x017F;einer Lie-<lb/>
be ehedem in dem za&#x0364;rtlich&#x017F;ten Canzley&#x017F;til &#x017F;o eilfer-<lb/>
tig ver&#x017F;ichert hatte. Gemeiniglich i&#x017F;t es bey an-<lb/>
dern Advocaten der Eigennutz, welcher &#x017F;ie erhitzt,<lb/>
fu&#x0364;r die Sache zu ka&#x0364;mpfen, zu welcher &#x017F;ie gedun-<lb/>
gen &#x017F;ind; bey die&#x017F;em aber kam noch ein Bewe-<lb/>
gungsgrund dazu, die Rache. Er verfuhr un-<lb/>
barmherzig mit mir. Jch &#x017F;ann auf ein Mittel, ihn<lb/>
zahm zu machen, und, damit er recht zahm wer-<lb/>
den &#x017F;ollte: &#x017F;o &#x017F;etzte ich mir vor, &#x017F;eine Frau zu wer-<lb/>
den. Jch fiel ihn mit den Waffen des Eigennu-<lb/>
tzes, und der Liebe an, und hielt meinen Sieg fu&#x0364;r<lb/>
gewiß. Jch &#x017F;chrieb ihm:</p><lb/>
        <floatingText>
          <body>
            <div type="letter">
              <salute> <hi rendition="#et"> <hi rendition="#fr">Mein Herr,</hi> </hi> </salute><lb/>
              <p>&#x201E;<hi rendition="#in">J</hi>ch u&#x0364;ber&#x017F;ende Jhnen mit die&#x017F;em Boten die Un-<lb/>
&#x201E;ko&#x017F;ten, deren Bezahlung mir in dem letzten<lb/>
&#x201E;Urthel zuerkannt worden i&#x017F;t. Sie ko&#x0364;nnen glau-<lb/>
&#x201E;ben, mein Herr, daß der Verlu&#x017F;t einer &#x017F;o an-<lb/>
&#x201E;&#x017F;ehnlichen Rechts&#x017F;ache mir nicht &#x017F;o empfindlich i&#x017F;t,<lb/>
&#x201E;als der Eifer, mit welchem Sie Kla&#x0364;gern wider<lb/>
&#x201E;mich gedient haben. So gewiß ich auch von der<lb/>
&#x201E;Billigkeit meiner Sache u&#x0364;berzeugt war: &#x017F;o we-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">nig</fw><lb/></p>
            </div>
          </body>
        </floatingText>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[248/0276] Satyriſche Briefe. ceſſen, und einer ziemlichen Summe auſſenſtehen- der Sporteln, die ich mit der groͤßten Strenge einzutreiben ſuchte, um zu zeigen, daß ich meines Vaters Tochter ſey. Es konnte dieſes ohne Wi- derſpruch nicht geſchehn, und faſt in allen Sachen diente der Advocat wider mich, der mich ſeiner Lie- be ehedem in dem zaͤrtlichſten Canzleyſtil ſo eilfer- tig verſichert hatte. Gemeiniglich iſt es bey an- dern Advocaten der Eigennutz, welcher ſie erhitzt, fuͤr die Sache zu kaͤmpfen, zu welcher ſie gedun- gen ſind; bey dieſem aber kam noch ein Bewe- gungsgrund dazu, die Rache. Er verfuhr un- barmherzig mit mir. Jch ſann auf ein Mittel, ihn zahm zu machen, und, damit er recht zahm wer- den ſollte: ſo ſetzte ich mir vor, ſeine Frau zu wer- den. Jch fiel ihn mit den Waffen des Eigennu- tzes, und der Liebe an, und hielt meinen Sieg fuͤr gewiß. Jch ſchrieb ihm: Mein Herr, „Jch uͤberſende Jhnen mit dieſem Boten die Un- „koſten, deren Bezahlung mir in dem letzten „Urthel zuerkannt worden iſt. Sie koͤnnen glau- „ben, mein Herr, daß der Verluſt einer ſo an- „ſehnlichen Rechtsſache mir nicht ſo empfindlich iſt, „als der Eifer, mit welchem Sie Klaͤgern wider „mich gedient haben. So gewiß ich auch von der „Billigkeit meiner Sache uͤberzeugt war: ſo we- nig

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/276
Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752, S. 248. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/276>, abgerufen am 20.11.2024.