"innerlichen Beruf empfindet, zur Zierde des Va- "terlandes ein Rathsherr zu werden. Diejeni- "gen, welche an einer so problematischen Sache, "und an den Sitten der Nachwelt keinen Antheil "nehmen, können dieses Formular sicher über- "schlagen, ohne etwas dabey zu verlieren. Die "folgenden zween Briefe sind schon etwas wichti- "ger, und mehr praktisch.
Madame,
Jch habe das Glück, Jhr Pathe zu seyn. Die- ses giebt mir ein Recht, auf alle diejenigen Aemter Anspruch zu machen, welche durch die Hand Jhres Mannes vergeben werden. Die nur unlängst eröffnete Rathsstelle erinnert mich an dieses Vorrecht. Sie wissen, Madame, wie vorsichtig und zärtlich meine Aeltern mich iederzeit erzogen haben. Jhre Sorge, mich durch eine pöbelmäßige Strenge und einen unzeitigen Fleiß zu früh niederzudrücken, und zu dem Amte, das ich itzt suche, ungeschickt zu machen, diese liebrei- che Vorsorge meiner Aeltern hat mich in den Stand gesetzt, daß ich itzt bey einem gesunden, wohlgebauten, und gut genährten Körper das Vermögen, welches ich geerbt, ruhig genies- sen, und die kleinen Spöttereyen der Pedan- ten über den Mangel der Gelehrsamkeit und des Verstandes gelassen übersehen kann. Jch weiß, Madame, und Sie wissen es noch
besser
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Satyriſche Briefe.
„innerlichen Beruf empfindet, zur Zierde des Va- „terlandes ein Rathsherr zu werden. Diejeni- „gen, welche an einer ſo problematiſchen Sache, „und an den Sitten der Nachwelt keinen Antheil „nehmen, koͤnnen dieſes Formular ſicher uͤber- „ſchlagen, ohne etwas dabey zu verlieren. Die „folgenden zween Briefe ſind ſchon etwas wichti- „ger, und mehr praktiſch.
Madame,
Jch habe das Gluͤck, Jhr Pathe zu ſeyn. Die- ſes giebt mir ein Recht, auf alle diejenigen Aemter Anſpruch zu machen, welche durch die Hand Jhres Mannes vergeben werden. Die nur unlaͤngſt eroͤffnete Rathsſtelle erinnert mich an dieſes Vorrecht. Sie wiſſen, Madame, wie vorſichtig und zaͤrtlich meine Aeltern mich iederzeit erzogen haben. Jhre Sorge, mich durch eine poͤbelmaͤßige Strenge und einen unzeitigen Fleiß zu fruͤh niederzudruͤcken, und zu dem Amte, das ich itzt ſuche, ungeſchickt zu machen, dieſe liebrei- che Vorſorge meiner Aeltern hat mich in den Stand geſetzt, daß ich itzt bey einem geſunden, wohlgebauten, und gut genaͤhrten Koͤrper das Vermoͤgen, welches ich geerbt, ruhig genieſ- ſen, und die kleinen Spoͤttereyen der Pedan- ten uͤber den Mangel der Gelehrſamkeit und des Verſtandes gelaſſen uͤberſehen kann. Jch weiß, Madame, und Sie wiſſen es noch
beſſer
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Satyriſche Briefe.
„innerlichen Beruf empfindet, zur Zierde des Va-
„terlandes ein Rathsherr zu werden. Diejeni-
„gen, welche an einer ſo problematiſchen Sache,
„und an den Sitten der Nachwelt keinen Antheil
„nehmen, koͤnnen dieſes Formular ſicher uͤber-
„ſchlagen, ohne etwas dabey zu verlieren. Die
„folgenden zween Briefe ſind ſchon etwas wichti-
„ger, und mehr praktiſch.
Madame,
Jch habe das Gluͤck, Jhr Pathe zu ſeyn. Die-
ſes giebt mir ein Recht, auf alle diejenigen
Aemter Anſpruch zu machen, welche durch die
Hand Jhres Mannes vergeben werden. Die
nur unlaͤngſt eroͤffnete Rathsſtelle erinnert mich
an dieſes Vorrecht. Sie wiſſen, Madame, wie
vorſichtig und zaͤrtlich meine Aeltern mich iederzeit
erzogen haben. Jhre Sorge, mich durch eine
poͤbelmaͤßige Strenge und einen unzeitigen Fleiß
zu fruͤh niederzudruͤcken, und zu dem Amte, das
ich itzt ſuche, ungeſchickt zu machen, dieſe liebrei-
che Vorſorge meiner Aeltern hat mich in den
Stand geſetzt, daß ich itzt bey einem geſunden,
wohlgebauten, und gut genaͤhrten Koͤrper das
Vermoͤgen, welches ich geerbt, ruhig genieſ-
ſen, und die kleinen Spoͤttereyen der Pedan-
ten uͤber den Mangel der Gelehrſamkeit und
des Verſtandes gelaſſen uͤberſehen kann. Jch
weiß, Madame, und Sie wiſſen es noch
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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/163>, abgerufen am 22.02.2025.
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