Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889.

Bild:
<< vorherige Seite

"Wieschen, wir kommen noch einmal durch," rief der
Knecht. "Einen Büchsenschuß noch und wir sind zu
Hause. Halt aus, Krakke, und nachher verrecke!"

Magister Buchius blickte sich nur einen Moment auf
das letzte Wort hin um; dann stieg er und schleppte sich
und die Andern weiter. Er machte auch nicht die
Menschheit anders als sie war. Aber dem dampfenden
Thier strich er die triefende Mähne:

"Halt aus, Freund, wie wir Andern auch -- nur
noch fünf Minuten!"

Dolomit -- Rautenspath, Braun-Bitterspath, Bitter¬
kalk, Mineral, farblos oder gefärbt, besteht aus kohlen¬
saurem Kalk mit kohlensaurer Magnesia; ist als Braun¬
spath eisenhaltig und bildet als Gestein groteske Fels¬
bildungen und ist höhlenreich, sagt heute die Wissen¬
schaft oder das Conversationslexikon; und der Magister
Buchius, der weder in seiner Bibliothek ein Conversa¬
tionslexion besaß, noch irgend viel von Mineralogie
verstand, stand plötzlich mitten in dem wilden Wald
des achtzehnten Säkulums und mitten unter den wun¬
derlichen Steingebilden des Idistavisus still und stieß
sein spanisch Rohr in den Boden. Knecht Schelze im
Arm Wieschens auf des Klosteramtmanns Reitthier
nickte allein ortsverständig; doch dazu mit scheu und
schämern aufgezogenen Schultern und winselte weiner¬
lich:

"Herr Magister, auf Eid und Gewissen, wahrhaf¬
tigen Gottes nicht aus bösem Willen und auch nicht

„Wieſchen, wir kommen noch einmal durch,“ rief der
Knecht. „Einen Büchſenſchuß noch und wir ſind zu
Hauſe. Halt aus, Krakke, und nachher verrecke!“

Magiſter Buchius blickte ſich nur einen Moment auf
das letzte Wort hin um; dann ſtieg er und ſchleppte ſich
und die Andern weiter. Er machte auch nicht die
Menſchheit anders als ſie war. Aber dem dampfenden
Thier ſtrich er die triefende Mähne:

„Halt aus, Freund, wie wir Andern auch — nur
noch fünf Minuten!“

Dolomit — Rautenſpath, Braun-Bitterſpath, Bitter¬
kalk, Mineral, farblos oder gefärbt, beſteht aus kohlen¬
ſaurem Kalk mit kohlenſaurer Magneſia; iſt als Braun¬
ſpath eiſenhaltig und bildet als Geſtein groteske Fels¬
bildungen und iſt höhlenreich, ſagt heute die Wiſſen¬
ſchaft oder das Converſationslexikon; und der Magiſter
Buchius, der weder in ſeiner Bibliothek ein Converſa¬
tionslexion beſaß, noch irgend viel von Mineralogie
verſtand, ſtand plötzlich mitten in dem wilden Wald
des achtzehnten Säkulums und mitten unter den wun¬
derlichen Steingebilden des Idiſtaviſus ſtill und ſtieß
ſein ſpaniſch Rohr in den Boden. Knecht Schelze im
Arm Wieſchens auf des Kloſteramtmanns Reitthier
nickte allein ortsverſtändig; doch dazu mit ſcheu und
ſchämern aufgezogenen Schultern und winſelte weiner¬
lich:

„Herr Magiſter, auf Eid und Gewiſſen, wahrhaf¬
tigen Gottes nicht aus böſem Willen und auch nicht

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0198" n="190"/>
        <p>&#x201E;Wie&#x017F;chen, wir kommen noch einmal durch,&#x201C; rief der<lb/>
Knecht. &#x201E;Einen Büch&#x017F;en&#x017F;chuß noch und wir &#x017F;ind zu<lb/>
Hau&#x017F;e. Halt aus, Krakke, und nachher verrecke!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Magi&#x017F;ter Buchius blickte &#x017F;ich nur einen Moment auf<lb/>
das letzte Wort hin um; dann &#x017F;tieg er und &#x017F;chleppte &#x017F;ich<lb/>
und die Andern weiter. Er machte auch nicht die<lb/>
Men&#x017F;chheit anders als &#x017F;ie war. Aber dem dampfenden<lb/>
Thier &#x017F;trich er die triefende Mähne:</p><lb/>
        <p>&#x201E;Halt aus, Freund, wie wir Andern auch &#x2014; nur<lb/>
noch fünf Minuten!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Dolomit &#x2014; Rauten&#x017F;path, Braun-Bitter&#x017F;path, Bitter¬<lb/>
kalk, Mineral, farblos oder gefärbt, be&#x017F;teht aus kohlen¬<lb/>
&#x017F;aurem Kalk mit kohlen&#x017F;aurer Magne&#x017F;ia; i&#x017F;t als Braun¬<lb/>
&#x017F;path ei&#x017F;enhaltig und bildet als Ge&#x017F;tein groteske Fels¬<lb/>
bildungen und i&#x017F;t <hi rendition="#g">höhlenreich</hi>, &#x017F;agt heute die Wi&#x017F;&#x017F;en¬<lb/>
&#x017F;chaft oder das Conver&#x017F;ationslexikon; und der Magi&#x017F;ter<lb/>
Buchius, der weder in &#x017F;einer Bibliothek ein Conver&#x017F;<lb/>
tionslexion be&#x017F;aß, noch irgend viel von Mineralogie<lb/>
ver&#x017F;tand, &#x017F;tand plötzlich mitten in dem wilden Wald<lb/>
des achtzehnten Säkulums und mitten unter den wun¬<lb/>
derlichen Steingebilden des Idi&#x017F;tavi&#x017F;us &#x017F;till und &#x017F;tieß<lb/>
&#x017F;ein &#x017F;pani&#x017F;ch Rohr in den Boden. Knecht Schelze im<lb/>
Arm Wie&#x017F;chens auf des Klo&#x017F;teramtmanns Reitthier<lb/>
nickte allein ortsver&#x017F;tändig; doch dazu mit &#x017F;cheu und<lb/>
&#x017F;chämern aufgezogenen Schultern und win&#x017F;elte weiner¬<lb/>
lich:</p><lb/>
        <p>&#x201E;Herr Magi&#x017F;ter, auf Eid und Gewi&#x017F;&#x017F;en, wahrhaf¬<lb/>
tigen Gottes nicht aus bö&#x017F;em Willen und auch nicht<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[190/0198] „Wieſchen, wir kommen noch einmal durch,“ rief der Knecht. „Einen Büchſenſchuß noch und wir ſind zu Hauſe. Halt aus, Krakke, und nachher verrecke!“ Magiſter Buchius blickte ſich nur einen Moment auf das letzte Wort hin um; dann ſtieg er und ſchleppte ſich und die Andern weiter. Er machte auch nicht die Menſchheit anders als ſie war. Aber dem dampfenden Thier ſtrich er die triefende Mähne: „Halt aus, Freund, wie wir Andern auch — nur noch fünf Minuten!“ Dolomit — Rautenſpath, Braun-Bitterſpath, Bitter¬ kalk, Mineral, farblos oder gefärbt, beſteht aus kohlen¬ ſaurem Kalk mit kohlenſaurer Magneſia; iſt als Braun¬ ſpath eiſenhaltig und bildet als Geſtein groteske Fels¬ bildungen und iſt höhlenreich, ſagt heute die Wiſſen¬ ſchaft oder das Converſationslexikon; und der Magiſter Buchius, der weder in ſeiner Bibliothek ein Converſa¬ tionslexion beſaß, noch irgend viel von Mineralogie verſtand, ſtand plötzlich mitten in dem wilden Wald des achtzehnten Säkulums und mitten unter den wun¬ derlichen Steingebilden des Idiſtaviſus ſtill und ſtieß ſein ſpaniſch Rohr in den Boden. Knecht Schelze im Arm Wieſchens auf des Kloſteramtmanns Reitthier nickte allein ortsverſtändig; doch dazu mit ſcheu und ſchämern aufgezogenen Schultern und winſelte weiner¬ lich: „Herr Magiſter, auf Eid und Gewiſſen, wahrhaf¬ tigen Gottes nicht aus böſem Willen und auch nicht

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889/198
Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889/198>, abgerufen am 26.04.2024.