Der Magister sah von seinem kummervollen Abend¬ besuch nach der Thür und fragte nicht mehr genauer, wer da draußen stehe. Und der draußen Stehende wartete es auch nicht länger ab, daß man ihm herein rufe. Er klopfte aber doch höflich mit dem blutrünstigen Knöchel an der arbeitsharten Faust an, ehe er sich ver¬ legen-ungeschlacht hereinschob. Und dann stand er neben der Hausmagd der Frau Klosteramtmännin und sagte mit harter, stockigter, heiserer Stimme:
"Ja, nichts für ungut, Herr Magister, es ist so wie das Mädchen gesagt hat, und ich möchte wohl heute Abend noch mit Ihm reden von wegen gutem Rath und der Landkarte wegen, die Er wohl noch von Seiner ab¬ gegangenen Schule her auszulegen weiß."
"Also Er ist es, Schelze?" sagte Magister Buchius. "So wünsche ich Ihm vor Allem zuerst einen guten Abend zu Seinem Besuch."
"Schönen guten Abend, Herr," stotterte der zornige Knecht. "Und nehme Er's nicht übel, Herr, daß ich vergessen habe, Ihm den zu bieten! Aber Das soll
Sechſtes Kapitel.
Der Magiſter ſah von ſeinem kummervollen Abend¬ beſuch nach der Thür und fragte nicht mehr genauer, wer da draußen ſtehe. Und der draußen Stehende wartete es auch nicht länger ab, daß man ihm herein rufe. Er klopfte aber doch höflich mit dem blutrünſtigen Knöchel an der arbeitsharten Fauſt an, ehe er ſich ver¬ legen-ungeſchlacht hereinſchob. Und dann ſtand er neben der Hausmagd der Frau Kloſteramtmännin und ſagte mit harter, ſtockigter, heiſerer Stimme:
„Ja, nichts für ungut, Herr Magiſter, es iſt ſo wie das Mädchen geſagt hat, und ich möchte wohl heute Abend noch mit Ihm reden von wegen gutem Rath und der Landkarte wegen, die Er wohl noch von Seiner ab¬ gegangenen Schule her auszulegen weiß.“
„Alſo Er iſt es, Schelze?“ ſagte Magiſter Buchius. „So wünſche ich Ihm vor Allem zuerſt einen guten Abend zu Seinem Beſuch.“
„Schönen guten Abend, Herr,“ ſtotterte der zornige Knecht. „Und nehme Er's nicht übel, Herr, daß ich vergeſſen habe, Ihm den zu bieten! Aber Das ſoll
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[[62]/0070]
Sechſtes Kapitel.
Der Magiſter ſah von ſeinem kummervollen Abend¬
beſuch nach der Thür und fragte nicht mehr genauer,
wer da draußen ſtehe. Und der draußen Stehende
wartete es auch nicht länger ab, daß man ihm herein
rufe. Er klopfte aber doch höflich mit dem blutrünſtigen
Knöchel an der arbeitsharten Fauſt an, ehe er ſich ver¬
legen-ungeſchlacht hereinſchob. Und dann ſtand er neben
der Hausmagd der Frau Kloſteramtmännin und ſagte
mit harter, ſtockigter, heiſerer Stimme:
„Ja, nichts für ungut, Herr Magiſter, es iſt ſo
wie das Mädchen geſagt hat, und ich möchte wohl heute
Abend noch mit Ihm reden von wegen gutem Rath und
der Landkarte wegen, die Er wohl noch von Seiner ab¬
gegangenen Schule her auszulegen weiß.“
„Alſo Er iſt es, Schelze?“ ſagte Magiſter Buchius.
„So wünſche ich Ihm vor Allem zuerſt einen guten
Abend zu Seinem Beſuch.“
„Schönen guten Abend, Herr,“ ſtotterte der zornige
Knecht. „Und nehme Er's nicht übel, Herr, daß ich
vergeſſen habe, Ihm den zu bieten! Aber Das ſoll
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Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889, S. [62]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889/70>, abgerufen am 22.02.2025.
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