Quantz, Johann Joachim: Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen. Berlin, 1752.daß an verschiedenen deutschen Höfen, als: in Wien, Dresden, Berlin, Hannover, München, Anspach, u. a. m. schon von hundert Jahren her, italiänische und französische Componisten, Sänger und Instrumentisten in Diensten gestanden sind, und Opern aufgeführet haben. Es ist bekannt, daß einige große Herren viele von ihren Tonkünstlern nach Italien und Frankreich haben reisen lassen, und daß, wie ich schon oben gesaget habe, viele der Verbesserer des Geschmackes der Deutschen, entweder eines, oder beyde dieser Länder besuchet haben. Diese haben also, sowohl von dem einen als von dem andern den Geschmack angenommen, und eine solche Vermischung getroffen, welche sie fähig gemachet hat, nicht nur deutsche, sondern auch italiänische, französische, und engländische Opern, und andere Singspiele, eine jede in ihrer Sprache und Geschmacke zu componiren, und mit großem Beyfalle aufzuführen. Weder von den italiänischen noch französischen Tonkünstlern kann man dergleichen sagen. Nicht daß es ihnen am Talente dazu fehlete: sondern weil sie sich wenig Mühe geben, fremde Sprachen zu erlernen; weil sie allzusehr von Vorurtheilen eingenommen sind; und weil sie sich nicht überreden können, daß außer ihnen, und ohne ihre Sprache, etwas Gutes in der Singmusik hervorgebracht werden könne. 87. §. Wenn man aus verschiedener Völker ihrem Geschmacke in der Musik, mit gehöriger Beurtheilung, das Beste zu wählen weis: so fließt daraus ein vermischter Geschmack, welchen man, ohne die Gränzen der Bescheidenheit zu überschreiten, nunmehr sehr wohl: den deutschen Geschmack nennen könnte: nicht allein weil die Deutschen zuerst darauf gefallen sind; sondern auch, weil er schon seit vielen Jahren, an unterschiedenen Orten Deutschlands, eingeführet worden ist, und noch blühet, auch weder in Italien, noch in Frankreich, noch in andern Ländern misfällt. 88. §. Wofern nun die deutsche Nation von diesem Geschmacke nicht wieder abgeht: wenn sie sich bemühet, wie bishero ihre berühmtesten Componisten gethan haben, darinne immer weiter nachzuforschen; wenn ihre neuangehenden Componisten sich mehr, als itziger Zeit leider geschieht, befleißigen, nebst ihrem vermischeten Geschmacke, die Regeln der Setzkunst, so wie ihre Vorfahren, gründlich zu erlernen; wenn sie sich nicht an der puren Melodie, und an der Verfertigung theatralischer daß an verschiedenen deutschen Höfen, als: in Wien, Dresden, Berlin, Hannover, München, Anspach, u. a. m. schon von hundert Jahren her, italiänische und französische Componisten, Sänger und Instrumentisten in Diensten gestanden sind, und Opern aufgeführet haben. Es ist bekannt, daß einige große Herren viele von ihren Tonkünstlern nach Italien und Frankreich haben reisen lassen, und daß, wie ich schon oben gesaget habe, viele der Verbesserer des Geschmackes der Deutschen, entweder eines, oder beyde dieser Länder besuchet haben. Diese haben also, sowohl von dem einen als von dem andern den Geschmack angenommen, und eine solche Vermischung getroffen, welche sie fähig gemachet hat, nicht nur deutsche, sondern auch italiänische, französische, und engländische Opern, und andere Singspiele, eine jede in ihrer Sprache und Geschmacke zu componiren, und mit großem Beyfalle aufzuführen. Weder von den italiänischen noch französischen Tonkünstlern kann man dergleichen sagen. Nicht daß es ihnen am Talente dazu fehlete: sondern weil sie sich wenig Mühe geben, fremde Sprachen zu erlernen; weil sie allzusehr von Vorurtheilen eingenommen sind; und weil sie sich nicht überreden können, daß außer ihnen, und ohne ihre Sprache, etwas Gutes in der Singmusik hervorgebracht werden könne. 87. §. Wenn man aus verschiedener Völker ihrem Geschmacke in der Musik, mit gehöriger Beurtheilung, das Beste zu wählen weis: so fließt daraus ein vermischter Geschmack, welchen man, ohne die Gränzen der Bescheidenheit zu überschreiten, nunmehr sehr wohl: den deutschen Geschmack nennen könnte: nicht allein weil die Deutschen zuerst darauf gefallen sind; sondern auch, weil er schon seit vielen Jahren, an unterschiedenen Orten Deutschlands, eingeführet worden ist, und noch blühet, auch weder in Italien, noch in Frankreich, noch in andern Ländern misfällt. 88. §. Wofern nun die deutsche Nation von diesem Geschmacke nicht wieder abgeht: wenn sie sich bemühet, wie bishero ihre berühmtesten Componisten gethan haben, darinne immer weiter nachzuforschen; wenn ihre neuangehenden Componisten sich mehr, als itziger Zeit leider geschieht, befleißigen, nebst ihrem vermischeten Geschmacke, die Regeln der Setzkunst, so wie ihre Vorfahren, gründlich zu erlernen; wenn sie sich nicht an der puren Melodie, und an der Verfertigung theatralischer <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0346" n="332"/> daß an verschiedenen deutschen Höfen, als: in Wien, Dresden, Berlin, Hannover, München, Anspach, u. a. m. schon von hundert Jahren her, italiänische und französische Componisten, Sänger und Instrumentisten in Diensten gestanden sind, und Opern aufgeführet haben. Es ist bekannt, daß einige große Herren viele von ihren Tonkünstlern nach Italien und Frankreich haben reisen lassen, und daß, wie ich schon oben gesaget habe, viele der Verbesserer des Geschmackes der Deutschen, entweder eines, oder beyde dieser Länder besuchet haben. Diese haben also, sowohl von dem einen als von dem andern den Geschmack angenommen, und eine solche Vermischung getroffen, welche sie fähig gemachet hat, nicht nur deutsche, sondern auch italiänische, französische, und engländische Opern, und andere Singspiele, eine jede in ihrer Sprache und Geschmacke zu componiren, und mit großem Beyfalle aufzuführen. Weder von den italiänischen noch französischen Tonkünstlern kann man dergleichen sagen. Nicht daß es ihnen am Talente dazu fehlete: sondern weil sie sich wenig Mühe geben, fremde Sprachen zu erlernen; weil sie allzusehr von Vorurtheilen eingenommen sind; und weil sie sich nicht überreden können, daß außer ihnen, und ohne ihre Sprache, etwas Gutes in der Singmusik hervorgebracht werden könne.</p> </div> <div n="3"> <head>87. §.</head><lb/> <p>Wenn man aus verschiedener Völker ihrem Geschmacke in der Musik, mit gehöriger Beurtheilung, das Beste zu wählen weis: so fließt daraus ein <hi rendition="#fr">vermischter Geschmack,</hi> welchen man, ohne die Gränzen der Bescheidenheit zu überschreiten, nunmehr sehr wohl: <hi rendition="#fr">den deutschen Geschmack</hi> nennen könnte: nicht allein weil die Deutschen zuerst darauf gefallen sind; sondern auch, weil er schon seit vielen Jahren, an unterschiedenen Orten Deutschlands, eingeführet worden ist, und noch blühet, auch weder in Italien, noch in Frankreich, noch in andern Ländern misfällt.</p> </div> <div n="3"> <head>88. §.</head><lb/> <p>Wofern nun die <hi rendition="#fr">deutsche Nation</hi> von diesem Geschmacke nicht wieder abgeht: wenn sie sich bemühet, wie bishero <hi rendition="#fr">ihre berühmtesten Componisten</hi> gethan haben, darinne immer weiter nachzuforschen; wenn <hi rendition="#fr">ihre neuangehenden Componisten</hi> sich mehr, als itziger Zeit leider geschieht, befleißigen, nebst ihrem vermischeten Geschmacke, die Regeln der Setzkunst, so wie ihre Vorfahren, gründlich zu erlernen; wenn sie sich nicht an der puren Melodie, und an der Verfertigung theatralischer </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [332/0346]
daß an verschiedenen deutschen Höfen, als: in Wien, Dresden, Berlin, Hannover, München, Anspach, u. a. m. schon von hundert Jahren her, italiänische und französische Componisten, Sänger und Instrumentisten in Diensten gestanden sind, und Opern aufgeführet haben. Es ist bekannt, daß einige große Herren viele von ihren Tonkünstlern nach Italien und Frankreich haben reisen lassen, und daß, wie ich schon oben gesaget habe, viele der Verbesserer des Geschmackes der Deutschen, entweder eines, oder beyde dieser Länder besuchet haben. Diese haben also, sowohl von dem einen als von dem andern den Geschmack angenommen, und eine solche Vermischung getroffen, welche sie fähig gemachet hat, nicht nur deutsche, sondern auch italiänische, französische, und engländische Opern, und andere Singspiele, eine jede in ihrer Sprache und Geschmacke zu componiren, und mit großem Beyfalle aufzuführen. Weder von den italiänischen noch französischen Tonkünstlern kann man dergleichen sagen. Nicht daß es ihnen am Talente dazu fehlete: sondern weil sie sich wenig Mühe geben, fremde Sprachen zu erlernen; weil sie allzusehr von Vorurtheilen eingenommen sind; und weil sie sich nicht überreden können, daß außer ihnen, und ohne ihre Sprache, etwas Gutes in der Singmusik hervorgebracht werden könne.
87. §.
Wenn man aus verschiedener Völker ihrem Geschmacke in der Musik, mit gehöriger Beurtheilung, das Beste zu wählen weis: so fließt daraus ein vermischter Geschmack, welchen man, ohne die Gränzen der Bescheidenheit zu überschreiten, nunmehr sehr wohl: den deutschen Geschmack nennen könnte: nicht allein weil die Deutschen zuerst darauf gefallen sind; sondern auch, weil er schon seit vielen Jahren, an unterschiedenen Orten Deutschlands, eingeführet worden ist, und noch blühet, auch weder in Italien, noch in Frankreich, noch in andern Ländern misfällt.
88. §.
Wofern nun die deutsche Nation von diesem Geschmacke nicht wieder abgeht: wenn sie sich bemühet, wie bishero ihre berühmtesten Componisten gethan haben, darinne immer weiter nachzuforschen; wenn ihre neuangehenden Componisten sich mehr, als itziger Zeit leider geschieht, befleißigen, nebst ihrem vermischeten Geschmacke, die Regeln der Setzkunst, so wie ihre Vorfahren, gründlich zu erlernen; wenn sie sich nicht an der puren Melodie, und an der Verfertigung theatralischer
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-10-30T10:17:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-10-30T10:17:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-10-30T10:17:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |