Quantz, Johann Joachim: Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen. Berlin, 1752.spielen anfangen, die französische Musik aber bequemer zu spielen finden, als die italiänische. 74. §. Man hat sich zwar seit etlichen und zwanzig Jahren, insonderheit in Paris, bemühet, den italiänischen Geschmack mit dem französischen zu vermischen. Allein man findet von dem guten Erfolge bis itzo noch keine sonderlichen Merkmaale. In der Singmusik entschuldiget man sich immer mit der Sprache, daß dieselbe zu der italiänischen Singart nicht bequem sey. Vielleicht aber hat es noch an geschikten Componisten, und guten Sängern gefehlet, um es gehörig ins Werk zu setzen. Man hat ja wohl über deutsche und engländische Worte, welche bey den Franzosen noch weniger im Credite stehen, mit gutem Erfolge im italiänischen Geschmacke Musik gesetzet; warum sollte es denn nicht auch über die so sehr beliebte französische Sprache angehen? Um den Franzosen dieses Vorurtheil zu benehmen, sollte man durch einen Componisten, der in der italiänischen Art eine schöne Arie zu machen weis, und der die französische Sprache so gut, als die italiänische versteht, über französische Worte, die nach der italiänischen Weise eingerichtet wären, eine Arie verfertigen, und dieselbe durch einen guten italiänischen Sänger, der aber eine gute französische Aussprache haben müßte, absingen lassen. Dieses könnte zu einer Probe dienen, ob die Schuld an der Sprache, oder an der Unwissenheit der französischen Componisten liege, wenn Musik im italiänischen Geschmacke sich nicht zur französischen Sprache schicken will. 75. §. In der Instrumentalmusik möchten es die Franzosen noch eher zu etwas bringen, wenn sie sowohl in Ansehung der Composition, als der Ausführung, gute Muster von andern Völkern bey sich hätten: oder wenn ihre Componisten, Sänger, und Instrumentisten mehr Liebhaber wären, andere Länder zu besuchen, um eine vernünftige Vermischung im Geschmacke zu machen. So lange sie sich aber noch von Vorurtheilen vor ihr eigenes Land beherrschen lassen; auch keine rechten echten und guten Beyspiele von Italiänern, oder andern Nationen, die schon in einem vermischeten Geschmacke setzen, singen oder spielen, in ihrem Lande haben; so lange sie den vermischeten Geschmack in andern Ländern nicht zu erlangen suchen: werden sie entweder bleiben wie sie vor langen Zeiten gewesen sind; oder es steht zu befürchten, daß sie, wegen des Mangels guter Muster, wenn sie ja was neues einführen wollen, aus der allzugroßen spielen anfangen, die französische Musik aber bequemer zu spielen finden, als die italiänische. 74. §. Man hat sich zwar seit etlichen und zwanzig Jahren, insonderheit in Paris, bemühet, den italiänischen Geschmack mit dem französischen zu vermischen. Allein man findet von dem guten Erfolge bis itzo noch keine sonderlichen Merkmaale. In der Singmusik entschuldiget man sich immer mit der Sprache, daß dieselbe zu der italiänischen Singart nicht bequem sey. Vielleicht aber hat es noch an geschikten Componisten, und guten Sängern gefehlet, um es gehörig ins Werk zu setzen. Man hat ja wohl über deutsche und engländische Worte, welche bey den Franzosen noch weniger im Credite stehen, mit gutem Erfolge im italiänischen Geschmacke Musik gesetzet; warum sollte es denn nicht auch über die so sehr beliebte französische Sprache angehen? Um den Franzosen dieses Vorurtheil zu benehmen, sollte man durch einen Componisten, der in der italiänischen Art eine schöne Arie zu machen weis, und der die französische Sprache so gut, als die italiänische versteht, über französische Worte, die nach der italiänischen Weise eingerichtet wären, eine Arie verfertigen, und dieselbe durch einen guten italiänischen Sänger, der aber eine gute französische Aussprache haben müßte, absingen lassen. Dieses könnte zu einer Probe dienen, ob die Schuld an der Sprache, oder an der Unwissenheit der französischen Componisten liege, wenn Musik im italiänischen Geschmacke sich nicht zur französischen Sprache schicken will. 75. §. In der Instrumentalmusik möchten es die Franzosen noch eher zu etwas bringen, wenn sie sowohl in Ansehung der Composition, als der Ausführung, gute Muster von andern Völkern bey sich hätten: oder wenn ihre Componisten, Sänger, und Instrumentisten mehr Liebhaber wären, andere Länder zu besuchen, um eine vernünftige Vermischung im Geschmacke zu machen. So lange sie sich aber noch von Vorurtheilen vor ihr eigenes Land beherrschen lassen; auch keine rechten echten und guten Beyspiele von Italiänern, oder andern Nationen, die schon in einem vermischeten Geschmacke setzen, singen oder spielen, in ihrem Lande haben; so lange sie den vermischeten Geschmack in andern Ländern nicht zu erlangen suchen: werden sie entweder bleiben wie sie vor langen Zeiten gewesen sind; oder es steht zu befürchten, daß sie, wegen des Mangels guter Muster, wenn sie ja was neues einführen wollen, aus der allzugroßen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0336" n="322"/> spielen anfangen, die französische Musik aber bequemer zu spielen finden, als die italiänische.</p> </div> <div n="3"> <head>74. §.</head><lb/> <p>Man hat sich zwar seit etlichen und zwanzig Jahren, insonderheit in Paris, bemühet, den italiänischen Geschmack mit dem französischen zu vermischen. 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Um den Franzosen dieses Vorurtheil zu benehmen, sollte man durch einen Componisten, der in der italiänischen Art eine schöne Arie zu machen weis, und der die französische Sprache so gut, als die italiänische versteht, über französische Worte, die nach der italiänischen Weise eingerichtet wären, eine Arie verfertigen, und dieselbe durch einen guten italiänischen Sänger, der aber eine gute französische Aussprache haben müßte, absingen lassen. 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So lange sie sich aber noch von Vorurtheilen vor ihr eigenes Land beherrschen lassen; auch keine rechten echten und guten Beyspiele von Italiänern, oder andern Nationen, die schon in einem vermischeten Geschmacke setzen, singen oder spielen, in ihrem Lande haben; so lange sie den vermischeten Geschmack in andern Ländern nicht zu erlangen suchen: werden sie entweder bleiben wie sie vor langen Zeiten gewesen sind; oder es steht zu befürchten, daß sie, wegen des Mangels guter Muster, wenn sie ja was neues einführen wollen, aus der allzugroßen </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [322/0336]
spielen anfangen, die französische Musik aber bequemer zu spielen finden, als die italiänische.
74. §.
Man hat sich zwar seit etlichen und zwanzig Jahren, insonderheit in Paris, bemühet, den italiänischen Geschmack mit dem französischen zu vermischen. Allein man findet von dem guten Erfolge bis itzo noch keine sonderlichen Merkmaale. In der Singmusik entschuldiget man sich immer mit der Sprache, daß dieselbe zu der italiänischen Singart nicht bequem sey. Vielleicht aber hat es noch an geschikten Componisten, und guten Sängern gefehlet, um es gehörig ins Werk zu setzen. Man hat ja wohl über deutsche und engländische Worte, welche bey den Franzosen noch weniger im Credite stehen, mit gutem Erfolge im italiänischen Geschmacke Musik gesetzet; warum sollte es denn nicht auch über die so sehr beliebte französische Sprache angehen? Um den Franzosen dieses Vorurtheil zu benehmen, sollte man durch einen Componisten, der in der italiänischen Art eine schöne Arie zu machen weis, und der die französische Sprache so gut, als die italiänische versteht, über französische Worte, die nach der italiänischen Weise eingerichtet wären, eine Arie verfertigen, und dieselbe durch einen guten italiänischen Sänger, der aber eine gute französische Aussprache haben müßte, absingen lassen. Dieses könnte zu einer Probe dienen, ob die Schuld an der Sprache, oder an der Unwissenheit der französischen Componisten liege, wenn Musik im italiänischen Geschmacke sich nicht zur französischen Sprache schicken will.
75. §.
In der Instrumentalmusik möchten es die Franzosen noch eher zu etwas bringen, wenn sie sowohl in Ansehung der Composition, als der Ausführung, gute Muster von andern Völkern bey sich hätten: oder wenn ihre Componisten, Sänger, und Instrumentisten mehr Liebhaber wären, andere Länder zu besuchen, um eine vernünftige Vermischung im Geschmacke zu machen. So lange sie sich aber noch von Vorurtheilen vor ihr eigenes Land beherrschen lassen; auch keine rechten echten und guten Beyspiele von Italiänern, oder andern Nationen, die schon in einem vermischeten Geschmacke setzen, singen oder spielen, in ihrem Lande haben; so lange sie den vermischeten Geschmack in andern Ländern nicht zu erlangen suchen: werden sie entweder bleiben wie sie vor langen Zeiten gewesen sind; oder es steht zu befürchten, daß sie, wegen des Mangels guter Muster, wenn sie ja was neues einführen wollen, aus der allzugroßen
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