Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Quantz, Johann Joachim: Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen. Berlin, 1752.

Bild:
<< vorherige Seite
Das XVII. Hauptstück.
Von den Pflichten derer, welche accompagniren,
oder die einer concertirenden Stimme zugeselleten Begleitungs- oder Ripienstimmen ausführen.
1. §.

Wer die alte Musik gegen die neue, und den Unterschied, der sich nur seit einem halben Jahrhunderte her, von zehn zu zehn Jahren, darinne geäussert hat, betrachtet: der wird finden, daß die Componisten, in Erfindung der, zu lebhafter Ausdrückung der Leidenschaften erfoderlichen Gedanken, seit verschiedenen Jahren, mehr als jemals nachsuchen, und sie ins Feine zu bringen, sich bemühen. Dieses Nachsuchen in der Setzkunst aber, würde von wenig Nutzen seyn, so ferne es nicht auch zu gleicher Zeit, in Ansehung der Ausführung (execution) geschähe.

2. §.

Ein jeder Gedanke kann auf verschiedene Art, schlecht, mittelmäßig, und gut vorgetragen werden. Ein guter und deutlicher, und jeder Sache gemäßer Vortrag kann einer mittelmäßigen Composition aufhelfen; ein undeutlicher und schlechter hingegen, kann die beste Composition verderben.

3. §.

Da nun die Erfahrung zeiget, daß es, durch der Componisten Bemühen neue Gedanken zu erfinden, dahin gekommen ist, daß den Ripienstimmen itziger Zeit weit mehr zugemuthet wird, als vor diesem; und daß in gegenwärtigen Zeiten manche Ripienstimme schwerer zu spielen ist, als vor Alters vielleicht ein Solo war: so folget nothwendig hieraus, daß auch die Ausführer der Ripienstimmen, so ferne die Componisten ihren Entzweck

Das XVII. Hauptstück.
Von den Pflichten derer, welche accompagniren,
oder die einer concertirenden Stimme zugeselleten Begleitungs- oder Ripienstimmen ausführen.
1. §.

Wer die alte Musik gegen die neue, und den Unterschied, der sich nur seit einem halben Jahrhunderte her, von zehn zu zehn Jahren, darinne geäussert hat, betrachtet: der wird finden, daß die Componisten, in Erfindung der, zu lebhafter Ausdrückung der Leidenschaften erfoderlichen Gedanken, seit verschiedenen Jahren, mehr als jemals nachsuchen, und sie ins Feine zu bringen, sich bemühen. Dieses Nachsuchen in der Setzkunst aber, würde von wenig Nutzen seyn, so ferne es nicht auch zu gleicher Zeit, in Ansehung der Ausführung (execution) geschähe.

2. §.

Ein jeder Gedanke kann auf verschiedene Art, schlecht, mittelmäßig, und gut vorgetragen werden. Ein guter und deutlicher, und jeder Sache gemäßer Vortrag kann einer mittelmäßigen Composition aufhelfen; ein undeutlicher und schlechter hingegen, kann die beste Composition verderben.

3. §.

Da nun die Erfahrung zeiget, daß es, durch der Componisten Bemühen neue Gedanken zu erfinden, dahin gekommen ist, daß den Ripienstimmen itziger Zeit weit mehr zugemuthet wird, als vor diesem; und daß in gegenwärtigen Zeiten manche Ripienstimme schwerer zu spielen ist, als vor Alters vielleicht ein Solo war: so folget nothwendig hieraus, daß auch die Ausführer der Ripienstimmen, so ferne die Componisten ihren Entzweck

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0189" n="175"/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#fr">Das XVII. Hauptstück.</hi><lb/>
          </head>
          <head> <hi rendition="#fr">Von den Pflichten derer, welche accompagniren,<lb/>
oder die einer concertirenden Stimme zugeselleten Begleitungs- oder Ripienstimmen ausführen.</hi> </head>
          <div n="3">
            <head>1. §.</head><lb/>
            <p>Wer die alte Musik gegen die neue, und den Unterschied, der sich nur seit einem halben Jahrhunderte her, von zehn zu zehn Jahren, darinne geäussert hat, betrachtet: der wird finden, daß die Componisten, in Erfindung der, zu lebhafter Ausdrückung der Leidenschaften erfoderlichen Gedanken, seit verschiedenen Jahren, mehr als jemals nachsuchen, und sie ins Feine zu bringen, sich bemühen. Dieses Nachsuchen in der Setzkunst aber, würde von wenig Nutzen seyn, so ferne es nicht auch zu gleicher Zeit, in Ansehung der Ausführung (<hi rendition="#aq">execution</hi>) geschähe.</p>
          </div>
          <div n="3">
            <head>2. §.</head><lb/>
            <p>Ein jeder Gedanke kann auf verschiedene Art, schlecht, mittelmäßig, und gut vorgetragen werden. Ein guter und deutlicher, und jeder Sache gemäßer Vortrag kann einer mittelmäßigen Composition aufhelfen; ein undeutlicher und schlechter hingegen, kann die beste Composition verderben.</p>
          </div>
          <div n="3">
            <head>3. §.</head><lb/>
            <p>Da nun die Erfahrung zeiget, daß es, durch der Componisten Bemühen neue Gedanken zu erfinden, dahin gekommen ist, daß den Ripienstimmen itziger Zeit weit mehr zugemuthet wird, als vor diesem; und daß in gegenwärtigen Zeiten manche Ripienstimme schwerer zu spielen ist, als vor Alters vielleicht ein Solo war: so folget nothwendig hieraus, daß auch die Ausführer der Ripienstimmen, so ferne die Componisten ihren Entzweck
</p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[175/0189] Das XVII. Hauptstück. Von den Pflichten derer, welche accompagniren, oder die einer concertirenden Stimme zugeselleten Begleitungs- oder Ripienstimmen ausführen. 1. §. Wer die alte Musik gegen die neue, und den Unterschied, der sich nur seit einem halben Jahrhunderte her, von zehn zu zehn Jahren, darinne geäussert hat, betrachtet: der wird finden, daß die Componisten, in Erfindung der, zu lebhafter Ausdrückung der Leidenschaften erfoderlichen Gedanken, seit verschiedenen Jahren, mehr als jemals nachsuchen, und sie ins Feine zu bringen, sich bemühen. Dieses Nachsuchen in der Setzkunst aber, würde von wenig Nutzen seyn, so ferne es nicht auch zu gleicher Zeit, in Ansehung der Ausführung (execution) geschähe. 2. §. Ein jeder Gedanke kann auf verschiedene Art, schlecht, mittelmäßig, und gut vorgetragen werden. Ein guter und deutlicher, und jeder Sache gemäßer Vortrag kann einer mittelmäßigen Composition aufhelfen; ein undeutlicher und schlechter hingegen, kann die beste Composition verderben. 3. §. Da nun die Erfahrung zeiget, daß es, durch der Componisten Bemühen neue Gedanken zu erfinden, dahin gekommen ist, daß den Ripienstimmen itziger Zeit weit mehr zugemuthet wird, als vor diesem; und daß in gegenwärtigen Zeiten manche Ripienstimme schwerer zu spielen ist, als vor Alters vielleicht ein Solo war: so folget nothwendig hieraus, daß auch die Ausführer der Ripienstimmen, so ferne die Componisten ihren Entzweck

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-30T10:17:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-30T10:17:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-30T10:17:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/quantz_versuchws_1752
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/quantz_versuchws_1752/189
Zitationshilfe: Quantz, Johann Joachim: Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen. Berlin, 1752, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/quantz_versuchws_1752/189>, abgerufen am 20.11.2024.