Quantz, Johann Joachim: Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen. Berlin, 1752.Das XIV. Hauptstück. Von der Art das Adagio zu spielen. 1. §. Das Adagio machet gemeiniglich den bloßen Liebhabern der Musik das wenigste Vergnügen, und sind so wohl die meisten Liebhaber, als auch oft gar die Ausführer der Musik selbst, wofern es ihnen an der gehörigen Empfindung und Einsicht fehlet, froh, wenn das Adagio in einem Stücke zu Ende ist. Ein wahrer Musikus aber kann sich im Adagio sehr hervor thun, und Kennern seine Wissenschaft zeigen. Weil es aber nichts destoweniger ein Stein des Anstoßes bleibt, so werden kluge Tonkünstler ohne mein Anrathen sich nach ihren Zuhörern und Liebhabern bequemen; um hierdurch so viel leichter, nicht nur die ihren Wissenschaften zukommende Achtung zu erwerben, sondern auch ihre Person beliebt zu machen. 2. §. Man kann das Adagio, in Ansehung der Art dasselbe zu spielen, und wie es nöthig ist, mit Manieren auszuzieren, auf zweyerley Art betrachten; entweder im französischen, oder im italiänischen Geschmacke. Die erste Art erfodert einen netten und an einander hangenden Vortrag des Gesanges, und eine Auszierung desselben mit den wesentlichen Manieren, als Vorschlägen, ganzen und halben Trillern, Mordanten, Doppelschlägen, battemens, flattemens, u. d. gl.; sonst aber keine weitläuftigen Passagien, oder großen Zusatz willkührlicher Verzierungen. Wer das Exempel Tab. VI. Fig. 26. langsam spielet, der hat daran ein Muster dieser Art zu spielen. Die zweyte, nämlich die italiänische Art besteht darinne, daß man in einem Adagio, so wohl diese kleinen französischen Auszierungen, als auch weitläuftige, doch mit der Harmonie übereinkommende gekünstelte Manieren anzubringen suchet. Das Exempel Tab. XVII. XVIII. XIX. wo diese willkührlichen Auszierungen alle mit Das XIV. Hauptstück. Von der Art das Adagio zu spielen. 1. §. Das Adagio machet gemeiniglich den bloßen Liebhabern der Musik das wenigste Vergnügen, und sind so wohl die meisten Liebhaber, als auch oft gar die Ausführer der Musik selbst, wofern es ihnen an der gehörigen Empfindung und Einsicht fehlet, froh, wenn das Adagio in einem Stücke zu Ende ist. Ein wahrer Musikus aber kann sich im Adagio sehr hervor thun, und Kennern seine Wissenschaft zeigen. Weil es aber nichts destoweniger ein Stein des Anstoßes bleibt, so werden kluge Tonkünstler ohne mein Anrathen sich nach ihren Zuhörern und Liebhabern bequemen; um hierdurch so viel leichter, nicht nur die ihren Wissenschaften zukommende Achtung zu erwerben, sondern auch ihre Person beliebt zu machen. 2. §. Man kann das Adagio, in Ansehung der Art dasselbe zu spielen, und wie es nöthig ist, mit Manieren auszuzieren, auf zweyerley Art betrachten; entweder im französischen, oder im italiänischen Geschmacke. Die erste Art erfodert einen netten und an einander hangenden Vortrag des Gesanges, und eine Auszierung desselben mit den wesentlichen Manieren, als Vorschlägen, ganzen und halben Trillern, Mordanten, Doppelschlägen, battemens, flattemens, u. d. gl.; sonst aber keine weitläuftigen Passagien, oder großen Zusatz willkührlicher Verzierungen. Wer das Exempel Tab. VI. Fig. 26. langsam spielet, der hat daran ein Muster dieser Art zu spielen. Die zweyte, nämlich die italiänische Art besteht darinne, daß man in einem Adagio, so wohl diese kleinen französischen Auszierungen, als auch weitläuftige, doch mit der Harmonie übereinkommende gekünstelte Manieren anzubringen suchet. Das Exempel Tab. XVII. XVIII. XIX. wo diese willkührlichen Auszierungen alle mit <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0150" n="136"/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#fr">Das XIV. 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Das XIV. Hauptstück.
Von der Art das Adagio zu spielen.
1. §.
Das Adagio machet gemeiniglich den bloßen Liebhabern der Musik das wenigste Vergnügen, und sind so wohl die meisten Liebhaber, als auch oft gar die Ausführer der Musik selbst, wofern es ihnen an der gehörigen Empfindung und Einsicht fehlet, froh, wenn das Adagio in einem Stücke zu Ende ist. Ein wahrer Musikus aber kann sich im Adagio sehr hervor thun, und Kennern seine Wissenschaft zeigen. Weil es aber nichts destoweniger ein Stein des Anstoßes bleibt, so werden kluge Tonkünstler ohne mein Anrathen sich nach ihren Zuhörern und Liebhabern bequemen; um hierdurch so viel leichter, nicht nur die ihren Wissenschaften zukommende Achtung zu erwerben, sondern auch ihre Person beliebt zu machen.
2. §.
Man kann das Adagio, in Ansehung der Art dasselbe zu spielen, und wie es nöthig ist, mit Manieren auszuzieren, auf zweyerley Art betrachten; entweder im französischen, oder im italiänischen Geschmacke. Die erste Art erfodert einen netten und an einander hangenden Vortrag des Gesanges, und eine Auszierung desselben mit den wesentlichen Manieren, als Vorschlägen, ganzen und halben Trillern, Mordanten, Doppelschlägen, battemens, flattemens, u. d. gl.; sonst aber keine weitläuftigen Passagien, oder großen Zusatz willkührlicher Verzierungen. Wer das Exempel Tab. VI. Fig. 26. langsam spielet, der hat daran ein Muster dieser Art zu spielen. Die zweyte, nämlich die italiänische Art besteht darinne, daß man in einem Adagio, so wohl diese kleinen französischen Auszierungen, als auch weitläuftige, doch mit der Harmonie übereinkommende gekünstelte Manieren anzubringen suchet. Das Exempel Tab. XVII. XVIII. XIX. wo diese willkührlichen Auszierungen alle mit
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Zitationshilfe: | Quantz, Johann Joachim: Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen. Berlin, 1752, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/quantz_versuchws_1752/150>, abgerufen am 22.02.2025. |