Quantz, Johann Joachim: Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen. Berlin, 1752.15. §. Der gute Vortrag muß endlich: ausdrückend, und jeder vorkommenden Leidenschaft gemäß seyn. Im Allegro, und allen dahin gehörigen muntern Stücken muß Lebhaftigkeit; im Adagio, und denen ihm gleichenden Stücken aber, Zärtlichkeit, und ein angenehmes Ziehen oder Tragen der Stimme herrschen. Der Ausführer eines Stückes muß sich selbst in die Haupt- und Nebenleidenschaften, die er ausdrücken soll, zu versetzen suchen. Und weil in den meisten Stücken immer eine Leidenschaft mit der andern abwechselt; so muß auch der Ausführer jeden Gedanken zu beurtheilen wissen, was für eine Leidenschaft er in sich enthalte, und seinen Vortrag immer derselben gleichförmig machen. Auf diese Art nur wird er den Absichten des Componisten, und den Vorstellungen so sich dieser bey Verfertigung des Stückes gemacht hat, eine Gnüge leisten. Es giebt selbst verschiedene Grade der Lebhaftigkeit oder der Traurigkeit. Z. E. Wo ein wütender Affect herrschet, da muß der Vortrag weit mehr Feuer haben, als bey scherzenden Stücken, ob er gleich bey beyden lebhaft seyn muß: und so auch bey dem Gegentheile. Man muß sich auch mit dem Zusatze der Auszierungen, mit denen man den vorgeschriebenen Gesang, oder eine simple Melodie, zu bereichern, und noch mehr zu erheben suchet, darnach richten. Diese Auszierungen, sie mögen nothwendig oder willkührlich seyn, müssen niemals dem in der Hauptmelodie herrschenden Affecte widersprechen; und folglich muß das Unterhaltene und Gezogene, mit dem Tändelnden, Gefälligen, Halblustigen und Lebhaften, das Freche mit dem Schmeichelnden, u. s. w. nicht verwirret werden. Die Vorschläge machen die Melodie an einander hangend, und vermehren die Harmonie; die Triller und übrigen kleinen Auszierungen, als: halbe Triller, Mordanten, Doppelschläge und battemens, muntern auf. Das abwechselnde Piano und Forte aber, erhebt theils einige Noten, theils erreget es Zärtlichkeit. Schmeichelnde Gänge im Adagio dürfen im Spielen mit dem Zungenstoße und Bogenstriche nicht zu hart; und hingegen im Allegro, lustige und erhabene Gedanken, nicht schleppend, schleifend, oder zu weich angestoßen werden. 16. §. Ich will einige Kennzeichen angeben, aus denen zusammen genommen, man, wo nicht allezeit, doch meistentheils wird abnehmen können, was für ein Affect herrsche, und wie folglich der Vortrag beschaffen seyn, ob er schmeichelnd, traurig, zärtlich, lustig, frech, ernsthaft, u. s. w. 15. §. Der gute Vortrag muß endlich: ausdrückend, und jeder vorkommenden Leidenschaft gemäß seyn. Im Allegro, und allen dahin gehörigen muntern Stücken muß Lebhaftigkeit; im Adagio, und denen ihm gleichenden Stücken aber, Zärtlichkeit, und ein angenehmes Ziehen oder Tragen der Stimme herrschen. Der Ausführer eines Stückes muß sich selbst in die Haupt- und Nebenleidenschaften, die er ausdrücken soll, zu versetzen suchen. Und weil in den meisten Stücken immer eine Leidenschaft mit der andern abwechselt; so muß auch der Ausführer jeden Gedanken zu beurtheilen wissen, was für eine Leidenschaft er in sich enthalte, und seinen Vortrag immer derselben gleichförmig machen. Auf diese Art nur wird er den Absichten des Componisten, und den Vorstellungen so sich dieser bey Verfertigung des Stückes gemacht hat, eine Gnüge leisten. Es giebt selbst verschiedene Grade der Lebhaftigkeit oder der Traurigkeit. Z. E. Wo ein wütender Affect herrschet, da muß der Vortrag weit mehr Feuer haben, als bey scherzenden Stücken, ob er gleich bey beyden lebhaft seyn muß: und so auch bey dem Gegentheile. Man muß sich auch mit dem Zusatze der Auszierungen, mit denen man den vorgeschriebenen Gesang, oder eine simple Melodie, zu bereichern, und noch mehr zu erheben suchet, darnach richten. Diese Auszierungen, sie mögen nothwendig oder willkührlich seyn, müssen niemals dem in der Hauptmelodie herrschenden Affecte widersprechen; und folglich muß das Unterhaltene und Gezogene, mit dem Tändelnden, Gefälligen, Halblustigen und Lebhaften, das Freche mit dem Schmeichelnden, u. s. w. nicht verwirret werden. Die Vorschläge machen die Melodie an einander hangend, und vermehren die Harmonie; die Triller und übrigen kleinen Auszierungen, als: halbe Triller, Mordanten, Doppelschläge und battemens, muntern auf. Das abwechselnde Piano und Forte aber, erhebt theils einige Noten, theils erreget es Zärtlichkeit. Schmeichelnde Gänge im Adagio dürfen im Spielen mit dem Zungenstoße und Bogenstriche nicht zu hart; und hingegen im Allegro, lustige und erhabene Gedanken, nicht schleppend, schleifend, oder zu weich angestoßen werden. 16. §. Ich will einige Kennzeichen angeben, aus denen zusammen genommen, man, wo nicht allezeit, doch meistentheils wird abnehmen können, was für ein Affect herrsche, und wie folglich der Vortrag beschaffen seyn, ob er schmeichelnd, traurig, zärtlich, lustig, frech, ernsthaft, u. s. w. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0121" n="107"/> <div n="3"> <head>15. §.</head><lb/> <p>Der gute Vortrag muß endlich: <hi rendition="#fr">ausdrückend, und jeder vorkommenden Leidenschaft gemäß seyn</hi>. Im Allegro, und allen dahin gehörigen muntern Stücken muß Lebhaftigkeit; im Adagio, und denen ihm gleichenden Stücken aber, Zärtlichkeit, und ein angenehmes Ziehen oder Tragen der Stimme herrschen. Der Ausführer eines Stückes muß sich selbst in die Haupt- und Nebenleidenschaften, die er ausdrücken soll, zu versetzen suchen. Und weil in den meisten Stücken immer eine Leidenschaft mit der andern abwechselt; so muß auch der Ausführer jeden Gedanken zu beurtheilen wissen, was für eine Leidenschaft er in sich enthalte, und seinen Vortrag immer derselben gleichförmig machen. Auf diese Art nur wird er den Absichten des Componisten, und den Vorstellungen so sich dieser bey Verfertigung des Stückes gemacht hat, eine Gnüge leisten. Es giebt selbst verschiedene Grade der Lebhaftigkeit oder der Traurigkeit. Z. E. Wo ein wütender Affect herrschet, da muß der Vortrag weit mehr Feuer haben, als bey scherzenden Stücken, ob er gleich bey beyden lebhaft seyn muß: und so auch bey dem Gegentheile. Man muß sich auch mit dem Zusatze der Auszierungen, mit denen man den vorgeschriebenen Gesang, oder eine simple Melodie, zu bereichern, und noch mehr zu erheben suchet, darnach richten. Diese Auszierungen, sie mögen nothwendig oder willkührlich seyn, müssen niemals dem in der Hauptmelodie herrschenden Affecte widersprechen; und folglich muß das Unterhaltene und Gezogene, mit dem Tändelnden, Gefälligen, Halblustigen und Lebhaften, das Freche mit dem Schmeichelnden, u. s. w. nicht verwirret werden. Die Vorschläge machen die Melodie an einander hangend, und vermehren die Harmonie; die Triller und übrigen kleinen Auszierungen, als: halbe Triller, Mordanten, Doppelschläge und <hi rendition="#aq">battemens</hi>, muntern auf. Das abwechselnde Piano und Forte aber, erhebt theils einige Noten, theils erreget es Zärtlichkeit. 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15. §.
Der gute Vortrag muß endlich: ausdrückend, und jeder vorkommenden Leidenschaft gemäß seyn. Im Allegro, und allen dahin gehörigen muntern Stücken muß Lebhaftigkeit; im Adagio, und denen ihm gleichenden Stücken aber, Zärtlichkeit, und ein angenehmes Ziehen oder Tragen der Stimme herrschen. Der Ausführer eines Stückes muß sich selbst in die Haupt- und Nebenleidenschaften, die er ausdrücken soll, zu versetzen suchen. Und weil in den meisten Stücken immer eine Leidenschaft mit der andern abwechselt; so muß auch der Ausführer jeden Gedanken zu beurtheilen wissen, was für eine Leidenschaft er in sich enthalte, und seinen Vortrag immer derselben gleichförmig machen. Auf diese Art nur wird er den Absichten des Componisten, und den Vorstellungen so sich dieser bey Verfertigung des Stückes gemacht hat, eine Gnüge leisten. Es giebt selbst verschiedene Grade der Lebhaftigkeit oder der Traurigkeit. Z. E. Wo ein wütender Affect herrschet, da muß der Vortrag weit mehr Feuer haben, als bey scherzenden Stücken, ob er gleich bey beyden lebhaft seyn muß: und so auch bey dem Gegentheile. Man muß sich auch mit dem Zusatze der Auszierungen, mit denen man den vorgeschriebenen Gesang, oder eine simple Melodie, zu bereichern, und noch mehr zu erheben suchet, darnach richten. Diese Auszierungen, sie mögen nothwendig oder willkührlich seyn, müssen niemals dem in der Hauptmelodie herrschenden Affecte widersprechen; und folglich muß das Unterhaltene und Gezogene, mit dem Tändelnden, Gefälligen, Halblustigen und Lebhaften, das Freche mit dem Schmeichelnden, u. s. w. nicht verwirret werden. Die Vorschläge machen die Melodie an einander hangend, und vermehren die Harmonie; die Triller und übrigen kleinen Auszierungen, als: halbe Triller, Mordanten, Doppelschläge und battemens, muntern auf. Das abwechselnde Piano und Forte aber, erhebt theils einige Noten, theils erreget es Zärtlichkeit. Schmeichelnde Gänge im Adagio dürfen im Spielen mit dem Zungenstoße und Bogenstriche nicht zu hart; und hingegen im Allegro, lustige und erhabene Gedanken, nicht schleppend, schleifend, oder zu weich angestoßen werden.
16. §.
Ich will einige Kennzeichen angeben, aus denen zusammen genommen, man, wo nicht allezeit, doch meistentheils wird abnehmen können, was für ein Affect herrsche, und wie folglich der Vortrag beschaffen seyn, ob er schmeichelnd, traurig, zärtlich, lustig, frech, ernsthaft, u. s. w.
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