Quantz, Johann Joachim: Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen. Berlin, 1752.ein Anfänger zwo Stunden Vormittags, und eben so viele Nachmittags, zu seiner Uebung aussetzete: aber auch unter währender Uebung, immer ein wenig ausruhete. Wer es aber endlich dahin gebracht hat, daß er alle vorkommende Passagien, ohne Mühe, reinlich und deutlich heraus bringen kann: für den ist zu seinen besondern Uebungen eine Stunde des Tages zulänglich; um den Ansatz, die Zunge, und die Finger in gehöriger Ordnung zu erhalten. Denn durch das überflüßige Spielen, zumal wenn man schon gewiße Jahre erreichet hat, entkräftet man den Leib; man nutzet die Sinne ab; und verliehret die Lust und Begierde eine Sache mit rechtem Eifer auszuführen. Durch das allzulange anhaltende Schlagen der Triller, werden die Nerven der Finger steif: so wie ein Messer scharticht wird, wenn man es immerfort schleift, ohne zuweilen damit zu schneiden. Wer sich nun in allem diesem zu mäßigen weis, der genießet den Vortheil, die Flöte einige Jahre länger, als sonst, zu spielen. Das XI. Hauptstück. Vom guten Vortrage im Singen und Spielen überhaupt. 1. §. Der musikalische Vortrag kann mit dem Vortrage eines Redners verglichen werden. Ein Redner und ein Musikus haben sowohl in Ansehung der Ausarbeitung der vorzutragenden Sachen, als des Vortrages selbst, einerley Absicht zum Grunde, nämlich: sich der Herzen zu bemeistern, die Leidenschaften zu erregen oder zu stillen, und die Zuhörer bald in diesen, bald in jenen Affect zu versetzen. Es ist vor beyde ein Vortheil, wenn einer von den Pflichten des andern einige Erkenntniß hat. 2. §. Man weis, was bey einer Rede ein guter Vortrag für Wirkung auf die Gemüther der Zuhörer thut; man weis auch, wie viel ein schlechter ein Anfänger zwo Stunden Vormittags, und eben so viele Nachmittags, zu seiner Uebung aussetzete: aber auch unter währender Uebung, immer ein wenig ausruhete. Wer es aber endlich dahin gebracht hat, daß er alle vorkommende Passagien, ohne Mühe, reinlich und deutlich heraus bringen kann: für den ist zu seinen besondern Uebungen eine Stunde des Tages zulänglich; um den Ansatz, die Zunge, und die Finger in gehöriger Ordnung zu erhalten. Denn durch das überflüßige Spielen, zumal wenn man schon gewiße Jahre erreichet hat, entkräftet man den Leib; man nutzet die Sinne ab; und verliehret die Lust und Begierde eine Sache mit rechtem Eifer auszuführen. Durch das allzulange anhaltende Schlagen der Triller, werden die Nerven der Finger steif: so wie ein Messer scharticht wird, wenn man es immerfort schleift, ohne zuweilen damit zu schneiden. Wer sich nun in allem diesem zu mäßigen weis, der genießet den Vortheil, die Flöte einige Jahre länger, als sonst, zu spielen. Das XI. Hauptstück. Vom guten Vortrage im Singen und Spielen überhaupt. 1. §. Der musikalische Vortrag kann mit dem Vortrage eines Redners verglichen werden. Ein Redner und ein Musikus haben sowohl in Ansehung der Ausarbeitung der vorzutragenden Sachen, als des Vortrages selbst, einerley Absicht zum Grunde, nämlich: sich der Herzen zu bemeistern, die Leidenschaften zu erregen oder zu stillen, und die Zuhörer bald in diesen, bald in jenen Affect zu versetzen. Es ist vor beyde ein Vortheil, wenn einer von den Pflichten des andern einige Erkenntniß hat. 2. §. Man weis, was bey einer Rede ein guter Vortrag für Wirkung auf die Gemüther der Zuhörer thut; man weis auch, wie viel ein schlechter <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0114" n="100"/> ein Anfänger zwo Stunden Vormittags, und eben so viele Nachmittags, zu seiner Uebung aussetzete: aber auch unter währender Uebung, immer ein wenig ausruhete. Wer es aber endlich dahin gebracht hat, daß er alle vorkommende Passagien, ohne Mühe, reinlich und deutlich heraus bringen kann: für den ist zu seinen besondern Uebungen eine Stunde des Tages zulänglich; um den Ansatz, die Zunge, und die Finger in gehöriger Ordnung zu erhalten. Denn durch das überflüßige Spielen, zumal wenn man schon gewiße Jahre erreichet hat, entkräftet man den Leib; man nutzet die Sinne ab; und verliehret die Lust und Begierde eine Sache mit rechtem Eifer auszuführen. Durch das allzulange anhaltende Schlagen der Triller, werden die Nerven der Finger steif: so wie ein Messer scharticht wird, wenn man es immerfort schleift, ohne zuweilen damit zu schneiden. Wer sich nun in allem diesem zu mäßigen weis, der genießet den Vortheil, die Flöte einige Jahre länger, als sonst, zu spielen.</p> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> <div n="2"> <head> <hi rendition="#fr">Das XI. 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ein Anfänger zwo Stunden Vormittags, und eben so viele Nachmittags, zu seiner Uebung aussetzete: aber auch unter währender Uebung, immer ein wenig ausruhete. Wer es aber endlich dahin gebracht hat, daß er alle vorkommende Passagien, ohne Mühe, reinlich und deutlich heraus bringen kann: für den ist zu seinen besondern Uebungen eine Stunde des Tages zulänglich; um den Ansatz, die Zunge, und die Finger in gehöriger Ordnung zu erhalten. Denn durch das überflüßige Spielen, zumal wenn man schon gewiße Jahre erreichet hat, entkräftet man den Leib; man nutzet die Sinne ab; und verliehret die Lust und Begierde eine Sache mit rechtem Eifer auszuführen. Durch das allzulange anhaltende Schlagen der Triller, werden die Nerven der Finger steif: so wie ein Messer scharticht wird, wenn man es immerfort schleift, ohne zuweilen damit zu schneiden. Wer sich nun in allem diesem zu mäßigen weis, der genießet den Vortheil, die Flöte einige Jahre länger, als sonst, zu spielen.
Das XI. Hauptstück.
Vom guten Vortrage im Singen und Spielen überhaupt.
1. §.
Der musikalische Vortrag kann mit dem Vortrage eines Redners verglichen werden. Ein Redner und ein Musikus haben sowohl in Ansehung der Ausarbeitung der vorzutragenden Sachen, als des Vortrages selbst, einerley Absicht zum Grunde, nämlich: sich der Herzen zu bemeistern, die Leidenschaften zu erregen oder zu stillen, und die Zuhörer bald in diesen, bald in jenen Affect zu versetzen. Es ist vor beyde ein Vortheil, wenn einer von den Pflichten des andern einige Erkenntniß hat.
2. §.
Man weis, was bey einer Rede ein guter Vortrag für Wirkung auf die Gemüther der Zuhörer thut; man weis auch, wie viel ein schlechter
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