Quantz, Johann Joachim: Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen. Berlin, 1752.aus wissen, ohne jede Note besonders anzusehen: welches bey einer großen Geschwindigkeit nicht allezeit möglich ist. 17. §. Hat sich nun ein Anfänger eine geraume Zeit mit Passagien, und gearbeiteten Stücken geübet; die Zunge und die Finger geläufig, und das, was ich bisher gelehret habe, sich so bekannt gemacht, daß es ihm gleichsam zur andern Natur geworden: so kan er alsdenn einige im italiänischen Geschmacke gesetzete Solo und Concerten vornehmen; doch solche, in denen das Adagio nicht gar zu langsam geht, und die Allegro mit kurzen und leichten Passagien gesetzet sind. Er suche den simpeln Gesang im Adagio, mit Vorschlägen, Trillern, und kleinen Manieren, so wie in den beyden vorigen Hauptstücken gelehret worden, auszuzieren; und fahre damit so lange fort, bis ihm der Gebrauch davon geläufig wird, und er im Stande ist einen simpeln Gesang, ohne vielen willkührlichen Zusatz, proper und gefällig zu spielen. Scheint ihm aber diese Art der Auszierung, bey manchem Adagio, das etwan sehr platt und trocken gesetzet ist, nicht zulänglich zu seyn; so will ich ihm auf das XIII. und XIV. Hauptstück, von den willkührlichen Veränderungen, und von der Art das Adagio zu spielen, verwiesen haben, woraus er sich mehrern Rath wird erholen können. 18. §. Hierbey wird er zu desto größerer Vollkommenheit gelangen, wenn er nebst der Flöte, wo nicht die Setzkunst, doch zum wenigsten die Wissenschaft des Generalbasses erlernet. Hat er Gelegenheit die Singkunst entweder vor, oder wenigstens gleich mit der Flöte zu erlernen: so will ich ihm dieses besonders anrathen. Er wird dadurch desto leichter einen guten Vortrag im Spielen erlangen; und bey vernünftiger Auszierung eines Adagio, wird ihm die Einsicht in die Singkunst besonders großen Vortheil geben. Er wird also nicht ein purer Flötenspieler allein bleiben; sondern dadurch sich auch den Weg bahnen, mit der Zeit ein Musikus, in eigentlichem Verstande, zu werden. 19. §. Damit aber ein Anfänger auch von dem Unterschiede des Geschmackes in der Musik einen allgemeinen Begriff erlangen möge, ist nicht genug, daß er nur Stücke, so für die Flöte gesetzet sind, in Uebung bringe: er muß sich vielmehr auch verschiedener Nationen und Provinzen ihre charakterisirten Stücke bekannt machen; und jedes davon in seiner Art aus wissen, ohne jede Note besonders anzusehen: welches bey einer großen Geschwindigkeit nicht allezeit möglich ist. 17. §. Hat sich nun ein Anfänger eine geraume Zeit mit Passagien, und gearbeiteten Stücken geübet; die Zunge und die Finger geläufig, und das, was ich bisher gelehret habe, sich so bekannt gemacht, daß es ihm gleichsam zur andern Natur geworden: so kan er alsdenn einige im italiänischen Geschmacke gesetzete Solo und Concerten vornehmen; doch solche, in denen das Adagio nicht gar zu langsam geht, und die Allegro mit kurzen und leichten Passagien gesetzet sind. Er suche den simpeln Gesang im Adagio, mit Vorschlägen, Trillern, und kleinen Manieren, so wie in den beyden vorigen Hauptstücken gelehret worden, auszuzieren; und fahre damit so lange fort, bis ihm der Gebrauch davon geläufig wird, und er im Stande ist einen simpeln Gesang, ohne vielen willkührlichen Zusatz, proper und gefällig zu spielen. Scheint ihm aber diese Art der Auszierung, bey manchem Adagio, das etwan sehr platt und trocken gesetzet ist, nicht zulänglich zu seyn; so will ich ihm auf das XIII. und XIV. Hauptstück, von den willkührlichen Veränderungen, und von der Art das Adagio zu spielen, verwiesen haben, woraus er sich mehrern Rath wird erholen können. 18. §. Hierbey wird er zu desto größerer Vollkommenheit gelangen, wenn er nebst der Flöte, wo nicht die Setzkunst, doch zum wenigsten die Wissenschaft des Generalbasses erlernet. Hat er Gelegenheit die Singkunst entweder vor, oder wenigstens gleich mit der Flöte zu erlernen: so will ich ihm dieses besonders anrathen. Er wird dadurch desto leichter einen guten Vortrag im Spielen erlangen; und bey vernünftiger Auszierung eines Adagio, wird ihm die Einsicht in die Singkunst besonders großen Vortheil geben. Er wird also nicht ein purer Flötenspieler allein bleiben; sondern dadurch sich auch den Weg bahnen, mit der Zeit ein Musikus, in eigentlichem Verstande, zu werden. 19. §. Damit aber ein Anfänger auch von dem Unterschiede des Geschmackes in der Musik einen allgemeinen Begriff erlangen möge, ist nicht genug, daß er nur Stücke, so für die Flöte gesetzet sind, in Uebung bringe: er muß sich vielmehr auch verschiedener Nationen und Provinzen ihre charakterisirten Stücke bekannt machen; und jedes davon in seiner Art <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0110" n="96"/> aus wissen, ohne jede Note besonders anzusehen: welches bey einer großen Geschwindigkeit nicht allezeit möglich ist.</p> </div> <div n="3"> <head>17. §.</head><lb/> <p>Hat sich nun ein Anfänger eine geraume Zeit mit Passagien, und gearbeiteten Stücken geübet; die Zunge und die Finger geläufig, und das, was ich bisher gelehret habe, sich so bekannt gemacht, daß es ihm gleichsam zur andern Natur geworden: so kan er alsdenn einige im italiänischen Geschmacke gesetzete Solo und Concerten vornehmen; doch solche, in denen das Adagio nicht gar zu langsam geht, und die Allegro mit kurzen und leichten Passagien gesetzet sind. Er suche den simpeln Gesang im Adagio, mit Vorschlägen, Trillern, und kleinen Manieren, so wie in den beyden vorigen Hauptstücken gelehret worden, auszuzieren; und fahre damit so lange fort, bis ihm der Gebrauch davon geläufig wird, und er im Stande ist einen simpeln Gesang, ohne vielen willkührlichen Zusatz, proper und gefällig zu spielen. Scheint ihm aber diese Art der Auszierung, bey manchem Adagio, das etwan sehr platt und trocken gesetzet ist, nicht zulänglich zu seyn; so will ich ihm auf das <ref target="#f0132">XIII.</ref> und <ref target="#f0150">XIV. Hauptstück</ref>, von den willkührlichen Veränderungen, und von der Art das Adagio zu spielen, verwiesen haben, woraus er sich mehrern Rath wird erholen können.</p> </div> <div n="3"> <head>18. §.</head><lb/> <p>Hierbey wird er zu desto größerer Vollkommenheit gelangen, wenn er nebst der Flöte, wo nicht die Setzkunst, doch zum wenigsten die Wissenschaft des Generalbasses erlernet. 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aus wissen, ohne jede Note besonders anzusehen: welches bey einer großen Geschwindigkeit nicht allezeit möglich ist.
17. §.
Hat sich nun ein Anfänger eine geraume Zeit mit Passagien, und gearbeiteten Stücken geübet; die Zunge und die Finger geläufig, und das, was ich bisher gelehret habe, sich so bekannt gemacht, daß es ihm gleichsam zur andern Natur geworden: so kan er alsdenn einige im italiänischen Geschmacke gesetzete Solo und Concerten vornehmen; doch solche, in denen das Adagio nicht gar zu langsam geht, und die Allegro mit kurzen und leichten Passagien gesetzet sind. Er suche den simpeln Gesang im Adagio, mit Vorschlägen, Trillern, und kleinen Manieren, so wie in den beyden vorigen Hauptstücken gelehret worden, auszuzieren; und fahre damit so lange fort, bis ihm der Gebrauch davon geläufig wird, und er im Stande ist einen simpeln Gesang, ohne vielen willkührlichen Zusatz, proper und gefällig zu spielen. Scheint ihm aber diese Art der Auszierung, bey manchem Adagio, das etwan sehr platt und trocken gesetzet ist, nicht zulänglich zu seyn; so will ich ihm auf das XIII. und XIV. Hauptstück, von den willkührlichen Veränderungen, und von der Art das Adagio zu spielen, verwiesen haben, woraus er sich mehrern Rath wird erholen können.
18. §.
Hierbey wird er zu desto größerer Vollkommenheit gelangen, wenn er nebst der Flöte, wo nicht die Setzkunst, doch zum wenigsten die Wissenschaft des Generalbasses erlernet. Hat er Gelegenheit die Singkunst entweder vor, oder wenigstens gleich mit der Flöte zu erlernen: so will ich ihm dieses besonders anrathen. Er wird dadurch desto leichter einen guten Vortrag im Spielen erlangen; und bey vernünftiger Auszierung eines Adagio, wird ihm die Einsicht in die Singkunst besonders großen Vortheil geben. Er wird also nicht ein purer Flötenspieler allein bleiben; sondern dadurch sich auch den Weg bahnen, mit der Zeit ein Musikus, in eigentlichem Verstande, zu werden.
19. §.
Damit aber ein Anfänger auch von dem Unterschiede des Geschmackes in der Musik einen allgemeinen Begriff erlangen möge, ist nicht genug, daß er nur Stücke, so für die Flöte gesetzet sind, in Uebung bringe: er muß sich vielmehr auch verschiedener Nationen und Provinzen ihre charakterisirten Stücke bekannt machen; und jedes davon in seiner Art
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