Mit der rechten Hand muß der Accompagnist im Adagio weder har- peggiren, noch melodiös spielen: es wäre denn daß der Solospieler hal- tende Noten oder Pausen hätte. Die accompagnirenden Stimmen darf er nicht vor dem Basse hervor ragen lassen. Jn einem Adagio im gemei- nen geraden Tacte, kann er zu einem jeden Achttheile mit der rechten Hand anschlagen. Jn einem Arioso aber, wenn der Baß eine geschwin- dere Bewegung zu machen hat, sie bestehe aus Achttheilen, Sechzehnthei- len oder Triolen, von beyderley Art Noten, klingt es nicht so gut, wenn er zu einer jeden Note mit der rechten Hand anschlägt, als wenn er bey gleichen Noten, eine, und bey Triolen, zwo, vorbey gehen läßt: wenn anders über den durchgehenden Noten keine eigenen Ziffern stehen.
24. §.
Wenn ein Sänger oder Solospieler, im Adagio, eine lange Note im Tone wachsen und wieder abnehmen läßt, und der Baß unter dersel- ben eine Bewegung von verschiedenen Noten zu machen hat: so ist es gut, wenn der Accompagnist ebenfalls, nach Maaßgebung der Hauptstimme, Note vor Note stärker und wieder schwächer anschlägt.
25. §.
Wenn die Hauptstimme, in einem Adagio, durch ein Paar ge- schwinde punctirte Noten, etwas besonderes auszudrücken, und der Baß solches mit eben dergleichen Noten nachzumachen hat; so muß der Ac- compagnist dieselben, es mögen Consonanzen oder Dissonanzen seyn, ganz vollstimmig und erhaben anschlagen. Hat aber die Hauptstimme einen traurigen oder schmeichelnden Gesang; so muß der Accompagnist im An- schlage sich mäßigen, die Stimmen vermindern, und also bey allen Fäl- len sich der Hauptstimme bequemen, und mit derselben alle Leidenschaf- ten, eben so gut als wenn er selbst Solo spielete, zu Herzen nehmen. Wä- re von dem Componisten, zum Unglücke, wenig oder gar kein Affect aus- gedrücket worden: so kann der Accompagnist dennoch, wechselsweise, eini- ge Noten, nach eigenem Gutbefinden, durch einen stärkern Anschlag er- heben, und die folgenden wieder mäßigen. Dieses läßt sich am besten, bey einer Aehnlichkeit oder Wiederholung der Gedanken, anbringen; es geschehe in demselben Tone, oder in der Versetzung, oder, wie bereits ge- meldet worden, wenn Dissonanzen vorkommen.
26. §. Nach-
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Von dem Clavieriſten insbeſondere.
23. §.
Mit der rechten Hand muß der Accompagniſt im Adagio weder har- peggiren, noch melodioͤs ſpielen: es waͤre denn daß der Soloſpieler hal- tende Noten oder Pauſen haͤtte. Die accompagnirenden Stimmen darf er nicht vor dem Baſſe hervor ragen laſſen. Jn einem Adagio im gemei- nen geraden Tacte, kann er zu einem jeden Achttheile mit der rechten Hand anſchlagen. Jn einem Arioſo aber, wenn der Baß eine geſchwin- dere Bewegung zu machen hat, ſie beſtehe aus Achttheilen, Sechzehnthei- len oder Triolen, von beyderley Art Noten, klingt es nicht ſo gut, wenn er zu einer jeden Note mit der rechten Hand anſchlaͤgt, als wenn er bey gleichen Noten, eine, und bey Triolen, zwo, vorbey gehen laͤßt: wenn anders uͤber den durchgehenden Noten keine eigenen Ziffern ſtehen.
24. §.
Wenn ein Saͤnger oder Soloſpieler, im Adagio, eine lange Note im Tone wachſen und wieder abnehmen laͤßt, und der Baß unter derſel- ben eine Bewegung von verſchiedenen Noten zu machen hat: ſo iſt es gut, wenn der Accompagniſt ebenfalls, nach Maaßgebung der Hauptſtimme, Note vor Note ſtaͤrker und wieder ſchwaͤcher anſchlaͤgt.
25. §.
Wenn die Hauptſtimme, in einem Adagio, durch ein Paar ge- ſchwinde punctirte Noten, etwas beſonderes auszudruͤcken, und der Baß ſolches mit eben dergleichen Noten nachzumachen hat; ſo muß der Ac- compagniſt dieſelben, es moͤgen Conſonanzen oder Diſſonanzen ſeyn, ganz vollſtimmig und erhaben anſchlagen. Hat aber die Hauptſtimme einen traurigen oder ſchmeichelnden Geſang; ſo muß der Accompagniſt im An- ſchlage ſich maͤßigen, die Stimmen vermindern, und alſo bey allen Faͤl- len ſich der Hauptſtimme bequemen, und mit derſelben alle Leidenſchaf- ten, eben ſo gut als wenn er ſelbſt Solo ſpielete, zu Herzen nehmen. Waͤ- re von dem Componiſten, zum Ungluͤcke, wenig oder gar kein Affect aus- gedruͤcket worden: ſo kann der Accompagniſt dennoch, wechſelsweiſe, eini- ge Noten, nach eigenem Gutbefinden, durch einen ſtaͤrkern Anſchlag er- heben, und die folgenden wieder maͤßigen. Dieſes laͤßt ſich am beſten, bey einer Aehnlichkeit oder Wiederholung der Gedanken, anbringen; es geſchehe in demſelben Tone, oder in der Verſetzung, oder, wie bereits ge- meldet worden, wenn Diſſonanzen vorkommen.
26. §. Nach-
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Von dem Clavieriſten insbeſondere.
23. §.
Mit der rechten Hand muß der Accompagniſt im Adagio weder har-
peggiren, noch melodioͤs ſpielen: es waͤre denn daß der Soloſpieler hal-
tende Noten oder Pauſen haͤtte. Die accompagnirenden Stimmen darf
er nicht vor dem Baſſe hervor ragen laſſen. Jn einem Adagio im gemei-
nen geraden Tacte, kann er zu einem jeden Achttheile mit der rechten
Hand anſchlagen. Jn einem Arioſo aber, wenn der Baß eine geſchwin-
dere Bewegung zu machen hat, ſie beſtehe aus Achttheilen, Sechzehnthei-
len oder Triolen, von beyderley Art Noten, klingt es nicht ſo gut, wenn
er zu einer jeden Note mit der rechten Hand anſchlaͤgt, als wenn er
bey gleichen Noten, eine, und bey Triolen, zwo, vorbey gehen laͤßt:
wenn anders uͤber den durchgehenden Noten keine eigenen Ziffern ſtehen.
24. §.
Wenn ein Saͤnger oder Soloſpieler, im Adagio, eine lange Note
im Tone wachſen und wieder abnehmen laͤßt, und der Baß unter derſel-
ben eine Bewegung von verſchiedenen Noten zu machen hat: ſo iſt es gut,
wenn der Accompagniſt ebenfalls, nach Maaßgebung der Hauptſtimme,
Note vor Note ſtaͤrker und wieder ſchwaͤcher anſchlaͤgt.
25. §.
Wenn die Hauptſtimme, in einem Adagio, durch ein Paar ge-
ſchwinde punctirte Noten, etwas beſonderes auszudruͤcken, und der Baß
ſolches mit eben dergleichen Noten nachzumachen hat; ſo muß der Ac-
compagniſt dieſelben, es moͤgen Conſonanzen oder Diſſonanzen ſeyn, ganz
vollſtimmig und erhaben anſchlagen. Hat aber die Hauptſtimme einen
traurigen oder ſchmeichelnden Geſang; ſo muß der Accompagniſt im An-
ſchlage ſich maͤßigen, die Stimmen vermindern, und alſo bey allen Faͤl-
len ſich der Hauptſtimme bequemen, und mit derſelben alle Leidenſchaf-
ten, eben ſo gut als wenn er ſelbſt Solo ſpielete, zu Herzen nehmen. Waͤ-
re von dem Componiſten, zum Ungluͤcke, wenig oder gar kein Affect aus-
gedruͤcket worden: ſo kann der Accompagniſt dennoch, wechſelsweiſe, eini-
ge Noten, nach eigenem Gutbefinden, durch einen ſtaͤrkern Anſchlag er-
heben, und die folgenden wieder maͤßigen. Dieſes laͤßt ſich am beſten,
bey einer Aehnlichkeit oder Wiederholung der Gedanken, anbringen; es
geſchehe in demſelben Tone, oder in der Verſetzung, oder, wie bereits ge-
meldet worden, wenn Diſſonanzen vorkommen.
26. §. Nach-
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Quantz, Johann Joachim: Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen. Berlin, 1752, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/quantz_versuch_1752/253>, abgerufen am 22.07.2024.
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