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Quantz, Johann Joachim: Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen. Berlin, 1752.

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Das XV. Hauptstück.
Violine herausgegeben hat, in den Brauch gekommen sind. * Die si-
cherste Nachricht die man vom Ursprunge der Cadenzen geben könnte, ist
diese, daß man einige Jahre vor dem Ende des vorigen Jahrhunderts,
und die ersten zehn Jahre des itzigen, den Schluß einer concertirenden
Stimme, durch eine kleine Passagie, über dem fortgehenden Basse, und
durch einen daran gehengeten guten Triller gemacht hat: daß aber ohnge-
gefähr zwischen 1710. und 1716. die itzo üblichen Cadenzen, bey denen
sich der Baß aufhalten muß, Mode geworden sind. Die Fermaten, oder
so genannten Aufhaltungen ad Libitum in der Mitte eines Stücks aber,
mögen wohl etwas ältern Ursprunges seyn.

3. §.

Ob die Cadenzen, mit ihrer Geburth, zugleich auch Regeln, worinn
sie eigentlich bestehen sollen, mitgebracht haben; oder ob sie nur, von ei-
nigen geschikten Leuten, willkührlich und ohne Regeln erfunden worden
sind, ist mir unbekannt. Doch glaube ich das letztere. Denn schon vor
etlichen und zwanzig Jahren eiferten die Componisten in Jtalien, wider
den Misbrauch, der in diesem Puncte, in Opern, so häufig von den
mittelmäßigen Sängern begangen wurde. Die Componisten beschlossen
deswegen, um den ungeschikten Sängern die Gelegenheit zum Caden-
ziren zu benehmen, die meisten Arien mit Baßmäßigen Gängen, im
Unison.

4. §.

Der Misbrauch der Cadenzen besteht nicht allein darinne, wenn sie,
wie gemeiniglich geschieht, an sich selbst nicht viel taugen: sondern auch
wenn sie bey der Jnstrumentalmusik, bey solchen Stücken angebracht wer-
den, wohin sich gar keine schicken; z. E. bey lustigen und geschwinden
Stücken die im , 3/4, 3/8 , , und Tacte gesetzet sind. Sie finden

nur
* Bald nach der ersten Ausgabe erschienen diese Sonaten, unter des Urhebers Na-
men, von neuem in Kupfer, und bey den zwölf Adagio der ersten sechs Sona-
ten befanden sich die Veränderungen dabey gestochen. Es war aber keine einige
Cadenz ad Libitum darbey. Kurze Zeit darauf setzete der ehemals in Oesterrei-
chischen Diensten gestandene, berühmte Violinist, Nicola Mattei noch andere
Manieren zu eben diesen zwölf Adagio. Dieser hat zwar etwas mehr gethan als
Corelli selbst, indem er dieselben mit einer Art von kurzer Auszierung beschlos-
sen. Sie sind aber noch keine Cadenzen ad Libitum wie man itziger Zeit machet,
sondern sie gehen nach der Strenge des Tactes, ohne Aufhalten des Basses fort.
Beyde Exemplare habe ich schon seit dreyßig und mehr Jahren in Händen.

Das XV. Hauptſtuͤck.
Violine herausgegeben hat, in den Brauch gekommen ſind. * Die ſi-
cherſte Nachricht die man vom Urſprunge der Cadenzen geben koͤnnte, iſt
dieſe, daß man einige Jahre vor dem Ende des vorigen Jahrhunderts,
und die erſten zehn Jahre des itzigen, den Schluß einer concertirenden
Stimme, durch eine kleine Paſſagie, uͤber dem fortgehenden Baſſe, und
durch einen daran gehengeten guten Triller gemacht hat: daß aber ohnge-
gefaͤhr zwiſchen 1710. und 1716. die itzo uͤblichen Cadenzen, bey denen
ſich der Baß aufhalten muß, Mode geworden ſind. Die Fermaten, oder
ſo genannten Aufhaltungen ad Libitum in der Mitte eines Stuͤcks aber,
moͤgen wohl etwas aͤltern Urſprunges ſeyn.

3. §.

Ob die Cadenzen, mit ihrer Geburth, zugleich auch Regeln, worinn
ſie eigentlich beſtehen ſollen, mitgebracht haben; oder ob ſie nur, von ei-
nigen geſchikten Leuten, willkuͤhrlich und ohne Regeln erfunden worden
ſind, iſt mir unbekannt. Doch glaube ich das letztere. Denn ſchon vor
etlichen und zwanzig Jahren eiferten die Componiſten in Jtalien, wider
den Misbrauch, der in dieſem Puncte, in Opern, ſo haͤufig von den
mittelmaͤßigen Saͤngern begangen wurde. Die Componiſten beſchloſſen
deswegen, um den ungeſchikten Saͤngern die Gelegenheit zum Caden-
ziren zu benehmen, die meiſten Arien mit Baßmaͤßigen Gaͤngen, im
Uniſon.

4. §.

Der Misbrauch der Cadenzen beſteht nicht allein darinne, wenn ſie,
wie gemeiniglich geſchieht, an ſich ſelbſt nicht viel taugen: ſondern auch
wenn ſie bey der Jnſtrumentalmuſik, bey ſolchen Stuͤcken angebracht wer-
den, wohin ſich gar keine ſchicken; z. E. bey luſtigen und geſchwinden
Stuͤcken die im , ¾, ⅜, , und Tacte geſetzet ſind. Sie finden

nur
* Bald nach der erſten Ausgabe erſchienen dieſe Sonaten, unter des Urhebers Na-
men, von neuem in Kupfer, und bey den zwoͤlf Adagio der erſten ſechs Sona-
ten befanden ſich die Veraͤnderungen dabey geſtochen. Es war aber keine einige
Cadenz ad Libitum darbey. Kurze Zeit darauf ſetzete der ehemals in Oeſterrei-
chiſchen Dienſten geſtandene, beruͤhmte Violiniſt, Nicola Mattei noch andere
Manieren zu eben dieſen zwoͤlf Adagio. Dieſer hat zwar etwas mehr gethan als
Corelli ſelbſt, indem er dieſelben mit einer Art von kurzer Auszierung beſchloſ-
ſen. Sie ſind aber noch keine Cadenzen ad Libitum wie man itziger Zeit machet,
ſondern ſie gehen nach der Strenge des Tactes, ohne Aufhalten des Baſſes fort.
Beyde Exemplare habe ich ſchon ſeit dreyßig und mehr Jahren in Haͤnden.
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[152/0170] Das XV. Hauptſtuͤck. Violine herausgegeben hat, in den Brauch gekommen ſind. * Die ſi- cherſte Nachricht die man vom Urſprunge der Cadenzen geben koͤnnte, iſt dieſe, daß man einige Jahre vor dem Ende des vorigen Jahrhunderts, und die erſten zehn Jahre des itzigen, den Schluß einer concertirenden Stimme, durch eine kleine Paſſagie, uͤber dem fortgehenden Baſſe, und durch einen daran gehengeten guten Triller gemacht hat: daß aber ohnge- gefaͤhr zwiſchen 1710. und 1716. die itzo uͤblichen Cadenzen, bey denen ſich der Baß aufhalten muß, Mode geworden ſind. Die Fermaten, oder ſo genannten Aufhaltungen ad Libitum in der Mitte eines Stuͤcks aber, moͤgen wohl etwas aͤltern Urſprunges ſeyn. 3. §. Ob die Cadenzen, mit ihrer Geburth, zugleich auch Regeln, worinn ſie eigentlich beſtehen ſollen, mitgebracht haben; oder ob ſie nur, von ei- nigen geſchikten Leuten, willkuͤhrlich und ohne Regeln erfunden worden ſind, iſt mir unbekannt. Doch glaube ich das letztere. Denn ſchon vor etlichen und zwanzig Jahren eiferten die Componiſten in Jtalien, wider den Misbrauch, der in dieſem Puncte, in Opern, ſo haͤufig von den mittelmaͤßigen Saͤngern begangen wurde. Die Componiſten beſchloſſen deswegen, um den ungeſchikten Saͤngern die Gelegenheit zum Caden- ziren zu benehmen, die meiſten Arien mit Baßmaͤßigen Gaͤngen, im Uniſon. 4. §. Der Misbrauch der Cadenzen beſteht nicht allein darinne, wenn ſie, wie gemeiniglich geſchieht, an ſich ſelbſt nicht viel taugen: ſondern auch wenn ſie bey der Jnſtrumentalmuſik, bey ſolchen Stuͤcken angebracht wer- den, wohin ſich gar keine ſchicken; z. E. bey luſtigen und geſchwinden Stuͤcken die im [FORMEL], ¾, ⅜, [FORMEL], und [FORMEL] Tacte geſetzet ſind. Sie finden nur * Bald nach der erſten Ausgabe erſchienen dieſe Sonaten, unter des Urhebers Na- men, von neuem in Kupfer, und bey den zwoͤlf Adagio der erſten ſechs Sona- ten befanden ſich die Veraͤnderungen dabey geſtochen. Es war aber keine einige Cadenz ad Libitum darbey. Kurze Zeit darauf ſetzete der ehemals in Oeſterrei- chiſchen Dienſten geſtandene, beruͤhmte Violiniſt, Nicola Mattei noch andere Manieren zu eben dieſen zwoͤlf Adagio. Dieſer hat zwar etwas mehr gethan als Corelli ſelbſt, indem er dieſelben mit einer Art von kurzer Auszierung beſchloſ- ſen. Sie ſind aber noch keine Cadenzen ad Libitum wie man itziger Zeit machet, ſondern ſie gehen nach der Strenge des Tactes, ohne Aufhalten des Baſſes fort. Beyde Exemplare habe ich ſchon ſeit dreyßig und mehr Jahren in Haͤnden.

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Zitationshilfe: Quantz, Johann Joachim: Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen. Berlin, 1752, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/quantz_versuch_1752/170>, abgerufen am 13.11.2024.