Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Quantz, Johann Joachim: Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen. Berlin, 1752.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

Das XIV. Hauptstück.
gen ist sehr nöthig, auf die Bewegung der begleitenden Stimmen wohl
Achtung zu geben, und sich von denselben lieber fortreiben zu lassen, als
daß man ihnen zuvor komme.

17. §.

Ein Grave, da der Gesang aus punctirten Noten besteht, muß
etwas erhaben und lebhaft gespielet, auch bisweilen, mit, durch die Har-
monie gebrochenen, Passagien, ausgezieret werden. Die Noten mit den
Puncten, muß man bis an den Punct immer verstärken; und die darauf
folgenden, wenn das Jntervall nicht allzugroß ist, an die vorhergehende
lange Note, kurz und schwach anschleifen: bey sehr weiten Sprüngen
aber, muß eine jede Note besonders angestoßen werden. Gehen derglei-
chen Noten stufenweise auf- oder unterwärts; so kann man vor die lan-
gen Noten, welche mehrentheils Consonanzen sind, und dem Gehöre in
die Länge misfallen dürften, Vorschläge machen.

18. §.

Ein Adagio spiritoso wird mehrentheils im Tripeltacte, mit
punctirten Noten, auch öfters mit vielen Einschnitten gesetzet; welches
im Spielen noch mehr Lebhaftigkeit, als vom vorigen gesaget worden,
erfodert. Deswegen müssen die Noten mehr gestoßen als geschleifet, auch
weniger Manieren angebracht werden: und können also, die durch halbe
Triller geendigten Vorschläge, hierzu besonders angewendet werden.
Sollten aber, außer dieser Art, einige cantable Gedanken, so wie es der
ins feine gebrachte Geschmack in der Setzkunst erfodert, mit untergemi-
schet seyn; so muß man sich alsdenn im Spielen auch darnach richten,
und das Ernsthafte mit dem Schmeichelnden abwechseln.

19. §.

Daß diese und die übrigen Arten von langsamen Stücken, als:
Cantabile, Arioso, Andante, Andantino, Affettuoso, Largo, Lar-
ghetto, u. s. w. von einem traurigen und pathetischen Adagio, im Spie-
len sehr zu unterscheiden sind, ist, weil es schon oben gesaget worden,
hier nicht nöthig zu wiederholen.

20. §.

Sind in einem Cantabile oder Arioso im Dreyachtheiltacte,
viele Sechzehntheile, so stufenweise auf- oder unterwärts einander folgen,
befindlich; und der Baß geht in beständiger Bewegung, von einem Tone
zum andern fort; so kann man nicht, wie bey einem platten Gesange,
viel zusetzen: sondern man muß solche Art Noten, auf eine simple und

schmei-

Das XIV. Hauptſtuͤck.
gen iſt ſehr noͤthig, auf die Bewegung der begleitenden Stimmen wohl
Achtung zu geben, und ſich von denſelben lieber fortreiben zu laſſen, als
daß man ihnen zuvor komme.

17. §.

Ein Grave, da der Geſang aus punctirten Noten beſteht, muß
etwas erhaben und lebhaft geſpielet, auch bisweilen, mit, durch die Har-
monie gebrochenen, Paſſagien, ausgezieret werden. Die Noten mit den
Puncten, muß man bis an den Punct immer verſtaͤrken; und die darauf
folgenden, wenn das Jntervall nicht allzugroß iſt, an die vorhergehende
lange Note, kurz und ſchwach anſchleifen: bey ſehr weiten Spruͤngen
aber, muß eine jede Note beſonders angeſtoßen werden. Gehen derglei-
chen Noten ſtufenweiſe auf- oder unterwaͤrts; ſo kann man vor die lan-
gen Noten, welche mehrentheils Conſonanzen ſind, und dem Gehoͤre in
die Laͤnge misfallen duͤrften, Vorſchlaͤge machen.

18. §.

Ein Adagio ſpiritoſo wird mehrentheils im Tripeltacte, mit
punctirten Noten, auch oͤfters mit vielen Einſchnitten geſetzet; welches
im Spielen noch mehr Lebhaftigkeit, als vom vorigen geſaget worden,
erfodert. Deswegen muͤſſen die Noten mehr geſtoßen als geſchleifet, auch
weniger Manieren angebracht werden: und koͤnnen alſo, die durch halbe
Triller geendigten Vorſchlaͤge, hierzu beſonders angewendet werden.
Sollten aber, außer dieſer Art, einige cantable Gedanken, ſo wie es der
ins feine gebrachte Geſchmack in der Setzkunſt erfodert, mit untergemi-
ſchet ſeyn; ſo muß man ſich alsdenn im Spielen auch darnach richten,
und das Ernſthafte mit dem Schmeichelnden abwechſeln.

19. §.

Daß dieſe und die uͤbrigen Arten von langſamen Stuͤcken, als:
Cantabile, Arioſo, Andante, Andantino, Affettuoſo, Largo, Lar-
ghetto, u. ſ. w. von einem traurigen und pathetiſchen Adagio, im Spie-
len ſehr zu unterſcheiden ſind, iſt, weil es ſchon oben geſaget worden,
hier nicht noͤthig zu wiederholen.

20. §.

Sind in einem Cantabile oder Arioſo im Dreyachtheiltacte,
viele Sechzehntheile, ſo ſtufenweiſe auf- oder unterwaͤrts einander folgen,
befindlich; und der Baß geht in beſtaͤndiger Bewegung, von einem Tone
zum andern fort; ſo kann man nicht, wie bey einem platten Geſange,
viel zuſetzen: ſondern man muß ſolche Art Noten, auf eine ſimple und

ſchmei-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0160" n="142"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das <hi rendition="#aq">XIV.</hi> Haupt&#x017F;tu&#x0364;ck.</hi></fw><lb/>
gen i&#x017F;t &#x017F;ehr no&#x0364;thig, auf die Bewegung der begleitenden Stimmen wohl<lb/>
Achtung zu geben, und &#x017F;ich von den&#x017F;elben lieber fortreiben zu la&#x017F;&#x017F;en, als<lb/>
daß man ihnen zuvor komme.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>17. §.</head><lb/>
            <p>Ein <hi rendition="#fr">Grave,</hi> da der Ge&#x017F;ang aus punctirten Noten be&#x017F;teht, muß<lb/>
etwas erhaben und lebhaft ge&#x017F;pielet, auch bisweilen, mit, durch die Har-<lb/>
monie gebrochenen, Pa&#x017F;&#x017F;agien, ausgezieret werden. Die Noten mit den<lb/>
Puncten, muß man bis an den Punct immer ver&#x017F;ta&#x0364;rken; und die darauf<lb/>
folgenden, wenn das Jntervall nicht allzugroß i&#x017F;t, an die vorhergehende<lb/>
lange Note, kurz und &#x017F;chwach an&#x017F;chleifen: bey &#x017F;ehr weiten Spru&#x0364;ngen<lb/>
aber, muß eine jede Note be&#x017F;onders ange&#x017F;toßen werden. Gehen derglei-<lb/>
chen Noten &#x017F;tufenwei&#x017F;e auf- oder unterwa&#x0364;rts; &#x017F;o kann man vor die lan-<lb/>
gen Noten, welche mehrentheils Con&#x017F;onanzen &#x017F;ind, und dem Geho&#x0364;re in<lb/>
die La&#x0364;nge misfallen du&#x0364;rften, Vor&#x017F;chla&#x0364;ge machen.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>18. §.</head><lb/>
            <p>Ein <hi rendition="#fr">Adagio &#x017F;pirito&#x017F;o</hi> wird mehrentheils im Tripeltacte, mit<lb/>
punctirten Noten, auch o&#x0364;fters mit vielen Ein&#x017F;chnitten ge&#x017F;etzet; welches<lb/>
im Spielen noch mehr Lebhaftigkeit, als vom vorigen ge&#x017F;aget worden,<lb/>
erfodert. Deswegen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en die Noten mehr ge&#x017F;toßen als ge&#x017F;chleifet, auch<lb/>
weniger Manieren angebracht werden: und ko&#x0364;nnen al&#x017F;o, die durch halbe<lb/>
Triller geendigten Vor&#x017F;chla&#x0364;ge, hierzu be&#x017F;onders angewendet werden.<lb/>
Sollten aber, außer die&#x017F;er Art, einige cantable Gedanken, &#x017F;o wie es der<lb/>
ins feine gebrachte Ge&#x017F;chmack in der Setzkun&#x017F;t erfodert, mit untergemi-<lb/>
&#x017F;chet &#x017F;eyn; &#x017F;o muß man &#x017F;ich alsdenn im Spielen auch darnach richten,<lb/>
und das Ern&#x017F;thafte mit dem Schmeichelnden abwech&#x017F;eln.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>19. §.</head><lb/>
            <p>Daß die&#x017F;e und die u&#x0364;brigen Arten von lang&#x017F;amen Stu&#x0364;cken, als:<lb/>
Cantabile, Ario&#x017F;o, Andante, Andantino, Affettuo&#x017F;o, Largo, Lar-<lb/>
ghetto, u. &#x017F;. w. von einem traurigen und patheti&#x017F;chen Adagio, im Spie-<lb/>
len &#x017F;ehr zu unter&#x017F;cheiden &#x017F;ind, i&#x017F;t, weil es &#x017F;chon oben ge&#x017F;aget worden,<lb/>
hier nicht no&#x0364;thig zu wiederholen.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>20. §.</head><lb/>
            <p>Sind in einem <hi rendition="#fr">Cantabile</hi> oder <hi rendition="#fr">Ario&#x017F;o</hi> im Dreyachtheiltacte,<lb/>
viele Sechzehntheile, &#x017F;o &#x017F;tufenwei&#x017F;e auf- oder unterwa&#x0364;rts einander folgen,<lb/>
befindlich; und der Baß geht in be&#x017F;ta&#x0364;ndiger Bewegung, von einem Tone<lb/>
zum andern fort; &#x017F;o kann man nicht, wie bey einem platten Ge&#x017F;ange,<lb/>
viel zu&#x017F;etzen: &#x017F;ondern man muß &#x017F;olche Art Noten, auf eine &#x017F;imple und<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;chmei-</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[142/0160] Das XIV. Hauptſtuͤck. gen iſt ſehr noͤthig, auf die Bewegung der begleitenden Stimmen wohl Achtung zu geben, und ſich von denſelben lieber fortreiben zu laſſen, als daß man ihnen zuvor komme. 17. §. Ein Grave, da der Geſang aus punctirten Noten beſteht, muß etwas erhaben und lebhaft geſpielet, auch bisweilen, mit, durch die Har- monie gebrochenen, Paſſagien, ausgezieret werden. Die Noten mit den Puncten, muß man bis an den Punct immer verſtaͤrken; und die darauf folgenden, wenn das Jntervall nicht allzugroß iſt, an die vorhergehende lange Note, kurz und ſchwach anſchleifen: bey ſehr weiten Spruͤngen aber, muß eine jede Note beſonders angeſtoßen werden. Gehen derglei- chen Noten ſtufenweiſe auf- oder unterwaͤrts; ſo kann man vor die lan- gen Noten, welche mehrentheils Conſonanzen ſind, und dem Gehoͤre in die Laͤnge misfallen duͤrften, Vorſchlaͤge machen. 18. §. Ein Adagio ſpiritoſo wird mehrentheils im Tripeltacte, mit punctirten Noten, auch oͤfters mit vielen Einſchnitten geſetzet; welches im Spielen noch mehr Lebhaftigkeit, als vom vorigen geſaget worden, erfodert. Deswegen muͤſſen die Noten mehr geſtoßen als geſchleifet, auch weniger Manieren angebracht werden: und koͤnnen alſo, die durch halbe Triller geendigten Vorſchlaͤge, hierzu beſonders angewendet werden. Sollten aber, außer dieſer Art, einige cantable Gedanken, ſo wie es der ins feine gebrachte Geſchmack in der Setzkunſt erfodert, mit untergemi- ſchet ſeyn; ſo muß man ſich alsdenn im Spielen auch darnach richten, und das Ernſthafte mit dem Schmeichelnden abwechſeln. 19. §. Daß dieſe und die uͤbrigen Arten von langſamen Stuͤcken, als: Cantabile, Arioſo, Andante, Andantino, Affettuoſo, Largo, Lar- ghetto, u. ſ. w. von einem traurigen und pathetiſchen Adagio, im Spie- len ſehr zu unterſcheiden ſind, iſt, weil es ſchon oben geſaget worden, hier nicht noͤthig zu wiederholen. 20. §. Sind in einem Cantabile oder Arioſo im Dreyachtheiltacte, viele Sechzehntheile, ſo ſtufenweiſe auf- oder unterwaͤrts einander folgen, befindlich; und der Baß geht in beſtaͤndiger Bewegung, von einem Tone zum andern fort; ſo kann man nicht, wie bey einem platten Geſange, viel zuſetzen: ſondern man muß ſolche Art Noten, auf eine ſimple und ſchmei-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/quantz_versuch_1752
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/quantz_versuch_1752/160
Zitationshilfe: Quantz, Johann Joachim: Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen. Berlin, 1752, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/quantz_versuch_1752/160>, abgerufen am 21.12.2024.