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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 3: Von 1740 bis 1786. Göttingen, 1787.

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XI. Carl VII. u. Franz 1740-1748.
dem Rechte der Erbfolge und der Ordnung dersel-
ben noch ein großer Unterschied obwaltet. Auch
im Mannsstamme eines fürstlichen Hauses geht
das Recht der Erbfolge unmittelbar vom ersten
Erwerber auf alle seine Nachkommen, deren kei-
nem es benommen oder an Fremde zu seinem Nach-
theile es übertragen werden kann. Aber deswe-
gen müßen doch nachgebohrne Herren in Häusern,
wo die Erstgebuhrt gilt, oder entferntere Linien,
so lange noch nähere da sind, in der Ordnung zu-
rückstehen, bis auch darin die Reihe an sie kömmt;
oder, wenn sie das nicht erleben, ist das eine Sa-
che des Schicksals, wenn sie die Reihe nicht trifft.
Eben so kann es gar wohl mit einander bestehen,
daß mit Erlöschung eines Mannsstamms das
Recht der Erbfolge allen weiblichen Nachkommen
eröffnet wird, d. i. daß keinem derselben mehr ih-
re bisherige Unfähigkeit der Erbfolge, die nur auf
dem Vorzuge des Mannsstamms beruhete, ent-
gegengesetzt werden kann. Aber sollen sie deswe-
gen nun alle auf einmal auch in der Ordnung der
Erbfolge einander gleich seyn? Das ist keine Fol-
ge. Sollten nach Carls des VI. Tode alle Nach-
kommen ehemaliger Oesterreichischer Prinzessinnen
ohne Unterschied auf einmal zur Succession gelan-
gen können? Das wird wohl niemand behaupten.


V.

Allein nach welchem Verhältnisse sollte nun die
Ordnung der Erbfolge ihre richtige Bestimmung
erhalten? -- Da ist wieder eine ausgemachte
Sache, daß zwar das Recht der Erbfolge jedes-
mal ohne Unterschied immer vom ersten Erwerber
herzuleiten ist, weil keiner der nachherigen Besitzer
eben dieses Recht den übrigen Nachkommen des

ersten

XI. Carl VII. u. Franz 1740-1748.
dem Rechte der Erbfolge und der Ordnung derſel-
ben noch ein großer Unterſchied obwaltet. Auch
im Mannsſtamme eines fuͤrſtlichen Hauſes geht
das Recht der Erbfolge unmittelbar vom erſten
Erwerber auf alle ſeine Nachkommen, deren kei-
nem es benommen oder an Fremde zu ſeinem Nach-
theile es uͤbertragen werden kann. Aber deswe-
gen muͤßen doch nachgebohrne Herren in Haͤuſern,
wo die Erſtgebuhrt gilt, oder entferntere Linien,
ſo lange noch naͤhere da ſind, in der Ordnung zu-
ruͤckſtehen, bis auch darin die Reihe an ſie koͤmmt;
oder, wenn ſie das nicht erleben, iſt das eine Sa-
che des Schickſals, wenn ſie die Reihe nicht trifft.
Eben ſo kann es gar wohl mit einander beſtehen,
daß mit Erloͤſchung eines Mannsſtamms das
Recht der Erbfolge allen weiblichen Nachkommen
eroͤffnet wird, d. i. daß keinem derſelben mehr ih-
re bisherige Unfaͤhigkeit der Erbfolge, die nur auf
dem Vorzuge des Mannsſtamms beruhete, ent-
gegengeſetzt werden kann. Aber ſollen ſie deswe-
gen nun alle auf einmal auch in der Ordnung der
Erbfolge einander gleich ſeyn? Das iſt keine Fol-
ge. Sollten nach Carls des VI. Tode alle Nach-
kommen ehemaliger Oeſterreichiſcher Prinzeſſinnen
ohne Unterſchied auf einmal zur Succeſſion gelan-
gen koͤnnen? Das wird wohl niemand behaupten.


V.

Allein nach welchem Verhaͤltniſſe ſollte nun die
Ordnung der Erbfolge ihre richtige Beſtimmung
erhalten? — Da iſt wieder eine ausgemachte
Sache, daß zwar das Recht der Erbfolge jedes-
mal ohne Unterſchied immer vom erſten Erwerber
herzuleiten iſt, weil keiner der nachherigen Beſitzer
eben dieſes Recht den uͤbrigen Nachkommen des

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[10/0044] XI. Carl VII. u. Franz 1740-1748. dem Rechte der Erbfolge und der Ordnung derſel- ben noch ein großer Unterſchied obwaltet. Auch im Mannsſtamme eines fuͤrſtlichen Hauſes geht das Recht der Erbfolge unmittelbar vom erſten Erwerber auf alle ſeine Nachkommen, deren kei- nem es benommen oder an Fremde zu ſeinem Nach- theile es uͤbertragen werden kann. Aber deswe- gen muͤßen doch nachgebohrne Herren in Haͤuſern, wo die Erſtgebuhrt gilt, oder entferntere Linien, ſo lange noch naͤhere da ſind, in der Ordnung zu- ruͤckſtehen, bis auch darin die Reihe an ſie koͤmmt; oder, wenn ſie das nicht erleben, iſt das eine Sa- che des Schickſals, wenn ſie die Reihe nicht trifft. Eben ſo kann es gar wohl mit einander beſtehen, daß mit Erloͤſchung eines Mannsſtamms das Recht der Erbfolge allen weiblichen Nachkommen eroͤffnet wird, d. i. daß keinem derſelben mehr ih- re bisherige Unfaͤhigkeit der Erbfolge, die nur auf dem Vorzuge des Mannsſtamms beruhete, ent- gegengeſetzt werden kann. Aber ſollen ſie deswe- gen nun alle auf einmal auch in der Ordnung der Erbfolge einander gleich ſeyn? Das iſt keine Fol- ge. Sollten nach Carls des VI. Tode alle Nach- kommen ehemaliger Oeſterreichiſcher Prinzeſſinnen ohne Unterſchied auf einmal zur Succeſſion gelan- gen koͤnnen? Das wird wohl niemand behaupten. Allein nach welchem Verhaͤltniſſe ſollte nun die Ordnung der Erbfolge ihre richtige Beſtimmung erhalten? — Da iſt wieder eine ausgemachte Sache, daß zwar das Recht der Erbfolge jedes- mal ohne Unterſchied immer vom erſten Erwerber herzuleiten iſt, weil keiner der nachherigen Beſitzer eben dieſes Recht den uͤbrigen Nachkommen des erſten

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Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 3: Von 1740 bis 1786. Göttingen, 1787, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung03_1787/44>, abgerufen am 26.04.2024.