Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831.

Bild:
<< vorherige Seite

voll die ihm gebührende ehrfurchtsvolle Attitüde wie-
der einnimmt, nicht aber mit dem Könige wie mit
seines Gleichen fraternisirt.

Auf diese Weise kann man sich der Illusion hinge-
ben, einen Hof vor sich zu sehen; bei der andern
glaubt man sich immer in Eastcheap. Die hiesigen
Schauspieler leben in besserer Gesellschaft, und haben
daher mehr Takt.



Es ist seltsam genug, daß der Mensch bloß das
als Wunder anstaunen will, was im Raum oder
der Zeit entfernt von ihm steht, die täglichen Wun-
der neben sich aber ganz unbeachtet läßt. Dennoch
müssen wir in der Zeit der Tausend und einen Nacht
noch wirklich leben, da ich heute ein Wesen gesehen,
was alle Phantasiegebilde jener Epoche zu überbieten
scheint.

Höre, was das erwähnte Ungethüm alles leistet.

Zuvörderst ist seine Nahrung die wohlfeilste, denn
es frißt nichts als Holz oder Kohlen. Es braucht
aber gar keine, so bald es nicht arbeitet. Es wird
nie müde, und schläft nie. Es ist keinen Krankhei-
ten unterworfen, wenn von Anfang an nur organi-
sirt, und versagt nur dann die Arbeit, wenn es
nach langer, langer Zeit vor Alter unbrauchbar wird.
Es ist gleich thätig in allen Climaten, und unter-

voll die ihm gebührende ehrfurchtsvolle Attitüde wie-
der einnimmt, nicht aber mit dem Könige wie mit
ſeines Gleichen fraterniſirt.

Auf dieſe Weiſe kann man ſich der Illuſion hinge-
ben, einen Hof vor ſich zu ſehen; bei der andern
glaubt man ſich immer in Eaſtcheap. Die hieſigen
Schauſpieler leben in beſſerer Geſellſchaft, und haben
daher mehr Takt.



Es iſt ſeltſam genug, daß der Menſch bloß das
als Wunder anſtaunen will, was im Raum oder
der Zeit entfernt von ihm ſteht, die täglichen Wun-
der neben ſich aber ganz unbeachtet läßt. Dennoch
müſſen wir in der Zeit der Tauſend und einen Nacht
noch wirklich leben, da ich heute ein Weſen geſehen,
was alle Phantaſiegebilde jener Epoche zu überbieten
ſcheint.

Höre, was das erwähnte Ungethüm alles leiſtet.

Zuvörderſt iſt ſeine Nahrung die wohlfeilſte, denn
es frißt nichts als Holz oder Kohlen. Es braucht
aber gar keine, ſo bald es nicht arbeitet. Es wird
nie müde, und ſchläft nie. Es iſt keinen Krankhei-
ten unterworfen, wenn von Anfang an nur organi-
ſirt, und verſagt nur dann die Arbeit, wenn es
nach langer, langer Zeit vor Alter unbrauchbar wird.
Es iſt gleich thätig in allen Climaten, und unter-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0267" n="251"/>
voll die ihm gebührende ehrfurchtsvolle Attitüde wie-<lb/>
der einnimmt, nicht aber mit dem Könige wie mit<lb/>
&#x017F;eines Gleichen fraterni&#x017F;irt.</p><lb/>
          <p>Auf die&#x017F;e Wei&#x017F;e kann man &#x017F;ich der Illu&#x017F;ion hinge-<lb/>
ben, einen Hof vor &#x017F;ich zu &#x017F;ehen; bei der andern<lb/>
glaubt man &#x017F;ich immer in Ea&#x017F;tcheap. Die hie&#x017F;igen<lb/>
Schau&#x017F;pieler leben in be&#x017F;&#x017F;erer Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft, und haben<lb/>
daher mehr Takt.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <opener>
            <dateline> <hi rendition="#et">Den 23&#x017F;ten.</hi> </dateline>
          </opener><lb/>
          <p>Es i&#x017F;t &#x017F;elt&#x017F;am genug, daß der Men&#x017F;ch bloß das<lb/>
als Wunder an&#x017F;taunen will, was im Raum oder<lb/>
der Zeit entfernt von ihm &#x017F;teht, die täglichen Wun-<lb/>
der neben &#x017F;ich aber ganz unbeachtet läßt. Dennoch<lb/>&#x017F;&#x017F;en wir in der Zeit der Tau&#x017F;end und einen Nacht<lb/>
noch wirklich leben, da ich heute ein We&#x017F;en ge&#x017F;ehen,<lb/>
was alle Phanta&#x017F;iegebilde jener Epoche zu überbieten<lb/>
&#x017F;cheint.</p><lb/>
          <p>Höre, was das erwähnte Ungethüm alles lei&#x017F;tet.</p><lb/>
          <p>Zuvörder&#x017F;t i&#x017F;t &#x017F;eine Nahrung die wohlfeil&#x017F;te, denn<lb/>
es frißt nichts als Holz oder Kohlen. Es braucht<lb/>
aber gar keine, &#x017F;o bald es nicht arbeitet. Es wird<lb/>
nie müde, und &#x017F;chläft nie. Es i&#x017F;t keinen Krankhei-<lb/>
ten unterworfen, wenn von Anfang an nur organi-<lb/>
&#x017F;irt, und ver&#x017F;agt nur dann die Arbeit, wenn es<lb/>
nach langer, langer Zeit vor Alter unbrauchbar wird.<lb/>
Es i&#x017F;t gleich thätig in allen Climaten, und unter-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[251/0267] voll die ihm gebührende ehrfurchtsvolle Attitüde wie- der einnimmt, nicht aber mit dem Könige wie mit ſeines Gleichen fraterniſirt. Auf dieſe Weiſe kann man ſich der Illuſion hinge- ben, einen Hof vor ſich zu ſehen; bei der andern glaubt man ſich immer in Eaſtcheap. Die hieſigen Schauſpieler leben in beſſerer Geſellſchaft, und haben daher mehr Takt. Den 23ſten. Es iſt ſeltſam genug, daß der Menſch bloß das als Wunder anſtaunen will, was im Raum oder der Zeit entfernt von ihm ſteht, die täglichen Wun- der neben ſich aber ganz unbeachtet läßt. Dennoch müſſen wir in der Zeit der Tauſend und einen Nacht noch wirklich leben, da ich heute ein Weſen geſehen, was alle Phantaſiegebilde jener Epoche zu überbieten ſcheint. Höre, was das erwähnte Ungethüm alles leiſtet. Zuvörderſt iſt ſeine Nahrung die wohlfeilſte, denn es frißt nichts als Holz oder Kohlen. Es braucht aber gar keine, ſo bald es nicht arbeitet. Es wird nie müde, und ſchläft nie. Es iſt keinen Krankhei- ten unterworfen, wenn von Anfang an nur organi- ſirt, und verſagt nur dann die Arbeit, wenn es nach langer, langer Zeit vor Alter unbrauchbar wird. Es iſt gleich thätig in allen Climaten, und unter-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/267
Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/267>, abgerufen am 13.11.2024.