Ich habe eine sehr unglückliche Ueberfahrt gehabt. Eine Bouraske, die leidige Seekrankheit, 40 Stun- den Dauer statt 20, und zu guter letzt noch das Fest- sitzen auf einer Sandbank in der Themse, wo wir 6 Stunden verweilen mußten, ehe uns die Fluth wieder flott machte, waren die unangenehmen Eve- nements dieser Reise.
Ich weiß nicht, ob ich früher (es sind 10 Jahre, seit ich England zum letztenmal verließ), Alles mit verschönernden Augen ansah, oder meine Einbildungs- kraft seitdem, mir unbewußt, das entfernte Bild sich mit reizenderen Farben ausmalte -- ich fand dies- mal alle Ansichten, die wir von beiden Ufern erhiel- ten, weder so frisch noch pittoresk als sonst, obgleich zuweilen doch herrliche Baumgruppen und freundliche Landsitze sichtbar wurden. Auch hier verstellt, wie im nördlichen Deutschland, das Lauben der Bäume gar oft die Landschaft, nur daß ihre Menge in den vielfachen Hecken, die alle Felder umgeben, und die
Dritter Brief.
London, den 5ten Oktober 1826.
Ich habe eine ſehr unglückliche Ueberfahrt gehabt. Eine Bouraske, die leidige Seekrankheit, 40 Stun- den Dauer ſtatt 20, und zu guter letzt noch das Feſt- ſitzen auf einer Sandbank in der Themſe, wo wir 6 Stunden verweilen mußten, ehe uns die Fluth wieder flott machte, waren die unangenehmen Evé- nements dieſer Reiſe.
Ich weiß nicht, ob ich früher (es ſind 10 Jahre, ſeit ich England zum letztenmal verließ), Alles mit verſchönernden Augen anſah, oder meine Einbildungs- kraft ſeitdem, mir unbewußt, das entfernte Bild ſich mit reizenderen Farben ausmalte — ich fand dies- mal alle Anſichten, die wir von beiden Ufern erhiel- ten, weder ſo friſch noch pittoresk als ſonſt, obgleich zuweilen doch herrliche Baumgruppen und freundliche Landſitze ſichtbar wurden. Auch hier verſtellt, wie im nördlichen Deutſchland, das Lauben der Bäume gar oft die Landſchaft, nur daß ihre Menge in den vielfachen Hecken, die alle Felder umgeben, und die
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[[38]/0078]
Dritter Brief.
London, den 5ten Oktober 1826.
Ich habe eine ſehr unglückliche Ueberfahrt gehabt.
Eine Bouraske, die leidige Seekrankheit, 40 Stun-
den Dauer ſtatt 20, und zu guter letzt noch das Feſt-
ſitzen auf einer Sandbank in der Themſe, wo wir
6 Stunden verweilen mußten, ehe uns die Fluth
wieder flott machte, waren die unangenehmen Evé-
nements dieſer Reiſe.
Ich weiß nicht, ob ich früher (es ſind 10 Jahre,
ſeit ich England zum letztenmal verließ), Alles mit
verſchönernden Augen anſah, oder meine Einbildungs-
kraft ſeitdem, mir unbewußt, das entfernte Bild ſich
mit reizenderen Farben ausmalte — ich fand dies-
mal alle Anſichten, die wir von beiden Ufern erhiel-
ten, weder ſo friſch noch pittoresk als ſonſt, obgleich
zuweilen doch herrliche Baumgruppen und freundliche
Landſitze ſichtbar wurden. Auch hier verſtellt, wie
im nördlichen Deutſchland, das Lauben der Bäume
gar oft die Landſchaft, nur daß ihre Menge in den
vielfachen Hecken, die alle Felder umgeben, und die
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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. [38]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/78>, abgerufen am 21.12.2024.
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