Ich machte gestern dem Lord Lieutenant meinen Besuch im Phönirpark, der mich auf heute zu Tische einlud, wo ich eine ziemlich glänzende Gesellschaft an- traf. Er ist beliebt in Irland, weil er partheilos verfährt, und die Emancipation zu wünschen scheint. Seine Thaten als Feldherr sind bekannt, Niemand aber repräsentirt auch besser, und ein künstlicher ge- machtes falsches Bein als das seine, sah ich auch noch nie. Der Marquis, obgleich nicht mehr jung, ist noch immer sehr schön gewachsen, und das falsche Bein, wie der Fuß, rivalisiren mit dem ächten a s'y me- prendre. Nur beim Gehen bemerkt man einige Schwierigkeit. Im Ganzen kenne ich wenig Englän- der, die eine so gute tournore haben, als der jetzige Lord Lieutenant Irlands. Wenn er in der Stadt residirt, wird eine ganz strenge Etikette, wie an einem kleinen Hofe aufrecht erhalten, auf dem Lande aber betrachtet er sich als Privatmann. Macht und An- sehn eines Lord Lieutenants sind ziemlich groß, da er den König repräsentirt, obgleich sie das Ministe- rium gehörig beschneidet. Er darf unter andern Ba- ronets machen, und es ist schon in früheren Zeiten vorgekommen, daß Gastwirthen, und noch weniger Qualificirten, diese Ehre zu Theil geworden ist. Hö- ren seine Funktionen auf, so giebt ihm ihre frühere Aus- übung keinen fernern erhöhten Rang. Während der Amtsführung beläuft sich die Besoldung des Lord Lieutenants auf 50,000 Pfd. Sterl. jährlich, und dem
Den 25ſten.
Ich machte geſtern dem Lord Lieutenant meinen Beſuch im Phönirpark, der mich auf heute zu Tiſche einlud, wo ich eine ziemlich glänzende Geſellſchaft an- traf. Er iſt beliebt in Irland, weil er partheilos verfährt, und die Emancipation zu wünſchen ſcheint. Seine Thaten als Feldherr ſind bekannt, Niemand aber repräſentirt auch beſſer, und ein künſtlicher ge- machtes falſches Bein als das ſeine, ſah ich auch noch nie. Der Marquis, obgleich nicht mehr jung, iſt noch immer ſehr ſchön gewachſen, und das falſche Bein, wie der Fuß, rivaliſiren mit dem ächten à s’y mé- prendre. Nur beim Gehen bemerkt man einige Schwierigkeit. Im Ganzen kenne ich wenig Englän- der, die eine ſo gute tournôre haben, als der jetzige Lord Lieutenant Irlands. Wenn er in der Stadt reſidirt, wird eine ganz ſtrenge Etikette, wie an einem kleinen Hofe aufrecht erhalten, auf dem Lande aber betrachtet er ſich als Privatmann. Macht und An- ſehn eines Lord Lieutenants ſind ziemlich groß, da er den König repräſentirt, obgleich ſie das Miniſte- rium gehörig beſchneidet. Er darf unter andern Ba- ronets machen, und es iſt ſchon in früheren Zeiten vorgekommen, daß Gaſtwirthen, und noch weniger Qualificirten, dieſe Ehre zu Theil geworden iſt. Hö- ren ſeine Funktionen auf, ſo giebt ihm ihre frühere Aus- übung keinen fernern erhöhten Rang. Während der Amtsführung beläuft ſich die Beſoldung des Lord Lieutenants auf 50,000 Pfd. Sterl. jährlich, und dem
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0170"n="148"/><divn="2"><opener><dateline><hirendition="#et">Den 25<hirendition="#sup">ſten.</hi></hi></dateline></opener><lb/><p>Ich machte geſtern dem Lord Lieutenant meinen<lb/>
Beſuch im Phönirpark, der mich auf heute zu Tiſche<lb/>
einlud, wo ich eine ziemlich glänzende Geſellſchaft an-<lb/>
traf. Er iſt beliebt in Irland, weil er partheilos<lb/>
verfährt, und die Emancipation zu wünſchen ſcheint.<lb/>
Seine Thaten als Feldherr ſind bekannt, Niemand<lb/>
aber repräſentirt auch beſſer, und ein künſtlicher ge-<lb/>
machtes falſches Bein als das ſeine, ſah ich auch noch<lb/>
nie. Der Marquis, obgleich nicht mehr jung, iſt noch<lb/>
immer ſehr ſchön gewachſen, und das falſche Bein,<lb/>
wie der Fuß, rivaliſiren mit dem ächten <hirendition="#aq">à s’y mé-<lb/>
prendre.</hi> Nur beim Gehen bemerkt man einige<lb/>
Schwierigkeit. Im Ganzen kenne ich wenig Englän-<lb/>
der, die eine ſo gute <hirendition="#aq">tournôre</hi> haben, als der jetzige<lb/>
Lord Lieutenant Irlands. Wenn er in der Stadt<lb/>
reſidirt, wird eine ganz ſtrenge Etikette, wie an einem<lb/>
kleinen Hofe aufrecht erhalten, auf dem Lande aber<lb/>
betrachtet er ſich als Privatmann. Macht und An-<lb/>ſehn eines Lord Lieutenants ſind ziemlich groß, da<lb/>
er den König repräſentirt, obgleich ſie das Miniſte-<lb/>
rium <choice><sic>gehöṙig</sic><corr>gehörig</corr></choice> beſchneidet. Er darf unter andern Ba-<lb/>
ronets machen, und es iſt ſchon in früheren Zeiten<lb/>
vorgekommen, daß Gaſtwirthen, und noch weniger<lb/>
Qualificirten, dieſe Ehre zu Theil geworden iſt. Hö-<lb/>
ren ſeine Funktionen auf, ſo giebt ihm ihre frühere Aus-<lb/>
übung keinen fernern erhöhten Rang. <choice><sic>Wȧhrend</sic><corr>Während</corr></choice> der<lb/>
Amtsführung beläuft ſich die Beſoldung des Lord<lb/>
Lieutenants auf 50,000 Pfd. Sterl. <choice><sic>jȧhrlich</sic><corr>jährlich</corr></choice>, und dem<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[148/0170]
Den 25ſten.
Ich machte geſtern dem Lord Lieutenant meinen
Beſuch im Phönirpark, der mich auf heute zu Tiſche
einlud, wo ich eine ziemlich glänzende Geſellſchaft an-
traf. Er iſt beliebt in Irland, weil er partheilos
verfährt, und die Emancipation zu wünſchen ſcheint.
Seine Thaten als Feldherr ſind bekannt, Niemand
aber repräſentirt auch beſſer, und ein künſtlicher ge-
machtes falſches Bein als das ſeine, ſah ich auch noch
nie. Der Marquis, obgleich nicht mehr jung, iſt noch
immer ſehr ſchön gewachſen, und das falſche Bein,
wie der Fuß, rivaliſiren mit dem ächten à s’y mé-
prendre. Nur beim Gehen bemerkt man einige
Schwierigkeit. Im Ganzen kenne ich wenig Englän-
der, die eine ſo gute tournôre haben, als der jetzige
Lord Lieutenant Irlands. Wenn er in der Stadt
reſidirt, wird eine ganz ſtrenge Etikette, wie an einem
kleinen Hofe aufrecht erhalten, auf dem Lande aber
betrachtet er ſich als Privatmann. Macht und An-
ſehn eines Lord Lieutenants ſind ziemlich groß, da
er den König repräſentirt, obgleich ſie das Miniſte-
rium gehörig beſchneidet. Er darf unter andern Ba-
ronets machen, und es iſt ſchon in früheren Zeiten
vorgekommen, daß Gaſtwirthen, und noch weniger
Qualificirten, dieſe Ehre zu Theil geworden iſt. Hö-
ren ſeine Funktionen auf, ſo giebt ihm ihre frühere Aus-
übung keinen fernern erhöhten Rang. Während der
Amtsführung beläuft ſich die Beſoldung des Lord
Lieutenants auf 50,000 Pfd. Sterl. jährlich, und dem
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/170>, abgerufen am 21.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.