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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830.

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ligiösität in Liebe, und im aufrichtigen Streben nach
Wahrheit besteht. In einer solchen frommen, frohen
Stimmung, begrüßte ich betend und dankend den
frischen Morgen, und die innere Heiterkeit durchdrang
wohlthuend den häßlichen feuchten Nebel, der mich
umgab, denn das Wetter war herzlich schlecht. Auch
der Weg war öde und traurig, aber Geduld! Sonne
und Schönheit brachte dennoch der Abend. -- Für
jetzt war nur dürre Haide und Torfmoor um mich,
so weit das Auge reichte, und ein Sturm pfiff stoß-
weise darüber hin, und trieb nasse Nebelwolken vor
sich her, die, wenn ich in ihren Bereich kam, mich
wie ein starker Regen durchnäßten. Nur schwache
kurze Sonnenblicke gaben momentane Hoffnung, bis,
gegen Mittag, sich die Wolken theilten, und grade
als ich auf der Bergspitze über den prächtigen See
und Thal von Luggenlaw anlangte, die Sonne die
Gegend vor mir herrlich vergoldete, obgleich die Häup-
ter der Berge noch alle verschleiert blieben. Auch die-
ses Thal gehört einem reichen Besitzer, der einen rei-
zenden Park daraus gemacht hat. Es ist originell
gestaltet, und ich will versuchen, Dir eine anschauliche
Ansicht davon zu geben. Es bildet einen fast regel-
mäßigen länglich ovalen Kessel. Die erste Hälfte des
Grundes vor Dir füllt, bis dicht an den Fuß der
Berge, Wasser; die zweite ist eine mit Baumgruppen
bedeckte Wiesenfläche, durch die ein Bergstrom sich
mäandrisch schlängelt, und in deren Mitte, an einen
einzeln stehenden Felsen gelehnt, sich eine elegante
shooting lodge (Jagdhaus) zeigt. Die das Thal

Briese eines Verstorbenen. I. 13

ligiöſität in Liebe, und im aufrichtigen Streben nach
Wahrheit beſteht. In einer ſolchen frommen, frohen
Stimmung, begrüßte ich betend und dankend den
friſchen Morgen, und die innere Heiterkeit durchdrang
wohlthuend den häßlichen feuchten Nebel, der mich
umgab, denn das Wetter war herzlich ſchlecht. Auch
der Weg war öde und traurig, aber Geduld! Sonne
und Schönheit brachte dennoch der Abend. — Für
jetzt war nur dürre Haide und Torfmoor um mich,
ſo weit das Auge reichte, und ein Sturm pfiff ſtoß-
weiſe darüber hin, und trieb naſſe Nebelwolken vor
ſich her, die, wenn ich in ihren Bereich kam, mich
wie ein ſtarker Regen durchnäßten. Nur ſchwache
kurze Sonnenblicke gaben momentane Hoffnung, bis,
gegen Mittag, ſich die Wolken theilten, und grade
als ich auf der Bergſpitze über den prächtigen See
und Thal von Luggenlaw anlangte, die Sonne die
Gegend vor mir herrlich vergoldete, obgleich die Häup-
ter der Berge noch alle verſchleiert blieben. Auch die-
ſes Thal gehört einem reichen Beſitzer, der einen rei-
zenden Park daraus gemacht hat. Es iſt originell
geſtaltet, und ich will verſuchen, Dir eine anſchauliche
Anſicht davon zu geben. Es bildet einen faſt regel-
mäßigen länglich ovalen Keſſel. Die erſte Hälfte des
Grundes vor Dir füllt, bis dicht an den Fuß der
Berge, Waſſer; die zweite iſt eine mit Baumgruppen
bedeckte Wieſenfläche, durch die ein Bergſtrom ſich
mäandriſch ſchlängelt, und in deren Mitte, an einen
einzeln ſtehenden Felſen gelehnt, ſich eine elegante
shooting lodge (Jagdhaus) zeigt. Die das Thal

Brieſe eines Verſtorbenen. I. 13
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[193/0217] ligiöſität in Liebe, und im aufrichtigen Streben nach Wahrheit beſteht. In einer ſolchen frommen, frohen Stimmung, begrüßte ich betend und dankend den friſchen Morgen, und die innere Heiterkeit durchdrang wohlthuend den häßlichen feuchten Nebel, der mich umgab, denn das Wetter war herzlich ſchlecht. Auch der Weg war öde und traurig, aber Geduld! Sonne und Schönheit brachte dennoch der Abend. — Für jetzt war nur dürre Haide und Torfmoor um mich, ſo weit das Auge reichte, und ein Sturm pfiff ſtoß- weiſe darüber hin, und trieb naſſe Nebelwolken vor ſich her, die, wenn ich in ihren Bereich kam, mich wie ein ſtarker Regen durchnäßten. Nur ſchwache kurze Sonnenblicke gaben momentane Hoffnung, bis, gegen Mittag, ſich die Wolken theilten, und grade als ich auf der Bergſpitze über den prächtigen See und Thal von Luggenlaw anlangte, die Sonne die Gegend vor mir herrlich vergoldete, obgleich die Häup- ter der Berge noch alle verſchleiert blieben. Auch die- ſes Thal gehört einem reichen Beſitzer, der einen rei- zenden Park daraus gemacht hat. Es iſt originell geſtaltet, und ich will verſuchen, Dir eine anſchauliche Anſicht davon zu geben. Es bildet einen faſt regel- mäßigen länglich ovalen Keſſel. Die erſte Hälfte des Grundes vor Dir füllt, bis dicht an den Fuß der Berge, Waſſer; die zweite iſt eine mit Baumgruppen bedeckte Wieſenfläche, durch die ein Bergſtrom ſich mäandriſch ſchlängelt, und in deren Mitte, an einen einzeln ſtehenden Felſen gelehnt, ſich eine elegante shooting lodge (Jagdhaus) zeigt. Die das Thal Brieſe eines Verſtorbenen. I. 13

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830/217>, abgerufen am 27.04.2024.