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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830.

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verlassene und schon baufällige Caserne, weder Baum noch
Strauch ist dabei zu sehen, und die Seiten der hohen
Berge sind nur mit zerbröckelten Steinen bedeckt.
Blos unterirdisch ist dieses Thal belebt, und selbst
dieses Leben bringt Tod. Es befinden sich nämlich
große Bleibergwerke hier, deren ungesunde Ausdün-
stungen man auf den bleichen Gesichtern der Arbei-
ter wahrnimmt. Ich fuhr, in einen schwarzen Kittel
gebüllt, in die Felsenschachten ein -- eine düstre schau-
rige Fahrt! Die Gänge waren kalt wie Eis, tiefe
Dunkelheit herrschte in ihnen und ein schneidender
Wind wehte uns mit Grabesdüften entgegen. Von
der niedrigen Decke, die zu gekrümmter Stellung
zwang, tropfte mit hohlem Klang taktmäßig Wasser
herab, und die unerträglichen Stöße des Karrens,
den ein Mann langsam über den holprigen Felsenbo-
den hinzog, vollendeten das Bild einer schrecklichen
Existenz! Der leidende Zustand meiner Brust er-
laubte mir hier keinen längeren Aufenthalt, und ich
gab daher die weitere Untersuchung auf, froh -- "wie
ich wieder begrüßte das rosige Licht."

Ich mußte nun auf einer neu gebauten schönen
Militairstraße (denn das Gouvernement ist, mit einem
üblen Gewissen, immer in Irland besorgt) über einen
der Bergcolossen hinüber, die das Thal verschließen. Die
Aussicht von der Höhe war weit und herrlich, und
doch in einem sehr verschiednen Charakter von dem
bisher Gesehenen, wozu die glücklichste Beleuchtung
viel beitrug, indem die Sonne hinter schwarzen Wol-
ken hervorblitzte. Nichts giebt fernen Gegenständen

verlaſſene und ſchon baufällige Caſerne, weder Baum noch
Strauch iſt dabei zu ſehen, und die Seiten der hohen
Berge ſind nur mit zerbröckelten Steinen bedeckt.
Blos unterirdiſch iſt dieſes Thal belebt, und ſelbſt
dieſes Leben bringt Tod. Es befinden ſich nämlich
große Bleibergwerke hier, deren ungeſunde Ausdün-
ſtungen man auf den bleichen Geſichtern der Arbei-
ter wahrnimmt. Ich fuhr, in einen ſchwarzen Kittel
gebüllt, in die Felſenſchachten ein — eine düſtre ſchau-
rige Fahrt! Die Gänge waren kalt wie Eis, tiefe
Dunkelheit herrſchte in ihnen und ein ſchneidender
Wind wehte uns mit Grabesdüften entgegen. Von
der niedrigen Decke, die zu gekrümmter Stellung
zwang, tropfte mit hohlem Klang taktmäßig Waſſer
herab, und die unerträglichen Stöße des Karrens,
den ein Mann langſam über den holprigen Felſenbo-
den hinzog, vollendeten das Bild einer ſchrecklichen
Exiſtenz! Der leidende Zuſtand meiner Bruſt er-
laubte mir hier keinen längeren Aufenthalt, und ich
gab daher die weitere Unterſuchung auf, froh — „wie
ich wieder begrüßte das roſige Licht.“

Ich mußte nun auf einer neu gebauten ſchönen
Militairſtraße (denn das Gouvernement iſt, mit einem
üblen Gewiſſen, immer in Irland beſorgt) über einen
der Bergcoloſſen hinüber, die das Thal verſchließen. Die
Ausſicht von der Höhe war weit und herrlich, und
doch in einem ſehr verſchiednen Charakter von dem
bisher Geſehenen, wozu die glücklichſte Beleuchtung
viel beitrug, indem die Sonne hinter ſchwarzen Wol-
ken hervorblitzte. Nichts giebt fernen Gegenſtänden

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[188/0212] verlaſſene und ſchon baufällige Caſerne, weder Baum noch Strauch iſt dabei zu ſehen, und die Seiten der hohen Berge ſind nur mit zerbröckelten Steinen bedeckt. Blos unterirdiſch iſt dieſes Thal belebt, und ſelbſt dieſes Leben bringt Tod. Es befinden ſich nämlich große Bleibergwerke hier, deren ungeſunde Ausdün- ſtungen man auf den bleichen Geſichtern der Arbei- ter wahrnimmt. Ich fuhr, in einen ſchwarzen Kittel gebüllt, in die Felſenſchachten ein — eine düſtre ſchau- rige Fahrt! Die Gänge waren kalt wie Eis, tiefe Dunkelheit herrſchte in ihnen und ein ſchneidender Wind wehte uns mit Grabesdüften entgegen. Von der niedrigen Decke, die zu gekrümmter Stellung zwang, tropfte mit hohlem Klang taktmäßig Waſſer herab, und die unerträglichen Stöße des Karrens, den ein Mann langſam über den holprigen Felſenbo- den hinzog, vollendeten das Bild einer ſchrecklichen Exiſtenz! Der leidende Zuſtand meiner Bruſt er- laubte mir hier keinen längeren Aufenthalt, und ich gab daher die weitere Unterſuchung auf, froh — „wie ich wieder begrüßte das roſige Licht.“ Ich mußte nun auf einer neu gebauten ſchönen Militairſtraße (denn das Gouvernement iſt, mit einem üblen Gewiſſen, immer in Irland beſorgt) über einen der Bergcoloſſen hinüber, die das Thal verſchließen. Die Ausſicht von der Höhe war weit und herrlich, und doch in einem ſehr verſchiednen Charakter von dem bisher Geſehenen, wozu die glücklichſte Beleuchtung viel beitrug, indem die Sonne hinter ſchwarzen Wol- ken hervorblitzte. Nichts giebt fernen Gegenſtänden

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830/212>, abgerufen am 26.04.2024.