Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830.

Bild:
<< vorherige Seite

vielverschlungene Steinverzierungen wirklich der künst-
lichsten Drechslerarbeit gleichkommen. Auf der einen
Seite der Kapelle sind fünf Reihen kleine Portrait-
Figuren über einander angebracht. Die Rangord-
nung ist folgende: Unten Aebtissinnen; auf ihnen
Bischöffe; über diesen Könige; dann Heilige, und
ganz oben Engel. Quant a moi, qui ne suis encore
ni saint, ni ange, souffrez, que je vous quitte pour
mon diner
.



Wenn ich die Ehre hätte der ewige Jude zu seyn,
(und Geld muß dieser doch wenigstens ad libitum
haben) so würde ich ohne Zweifel einen großen Theil
meiner Unsterblichkeit auf der Landstraße zubringen,
und dies namentlich in England. His so delight-
fall
für Jemand der fühlt und denkt wie ich. Fürs
erste stört und genirt mich keine menschliche Seele;
ich bin, wo ich gut bezahle, überall der Erste (den
herrschsüchtigen Menschenkindern immer ein angeneh-
mes Gefühl) und habe nur mit freundlichen Gesich-
tern, und Leuten zu verkehren, die voll Eifer sind,
mir zu dienen. Fortwährende Bewegung, ohne Ue-
bermüdung, erhält den Körper gesund, und die stete
Veränderung in schöner freier Natur, hat dieselbe
stärkende Wirkung auf den Geist. Dazu, gestehe ich,
geht es mir zum Theil wie dem Doctor Johnson,
der behauptete: das größte menschliche Glück sey,
in einer guten englischen Postchaise mit einem schö-

vielverſchlungene Steinverzierungen wirklich der künſt-
lichſten Drechslerarbeit gleichkommen. Auf der einen
Seite der Kapelle ſind fünf Reihen kleine Portrait-
Figuren über einander angebracht. Die Rangord-
nung iſt folgende: Unten Aebtiſſinnen; auf ihnen
Biſchöffe; über dieſen Könige; dann Heilige, und
ganz oben Engel. Quant à moi, qui ne suis encore
ni saint, ni ange, souffrez, que je vous quitte pour
mon diner
.



Wenn ich die Ehre hätte der ewige Jude zu ſeyn,
(und Geld muß dieſer doch wenigſtens ad libitum
haben) ſo würde ich ohne Zweifel einen großen Theil
meiner Unſterblichkeit auf der Landſtraße zubringen,
und dies namentlich in England. His so delight-
fall
für Jemand der fühlt und denkt wie ich. Fürs
erſte ſtört und genirt mich keine menſchliche Seele;
ich bin, wo ich gut bezahle, überall der Erſte (den
herrſchſüchtigen Menſchenkindern immer ein angeneh-
mes Gefühl) und habe nur mit freundlichen Geſich-
tern, und Leuten zu verkehren, die voll Eifer ſind,
mir zu dienen. Fortwährende Bewegung, ohne Ue-
bermüdung, erhält den Körper geſund, und die ſtete
Veränderung in ſchöner freier Natur, hat dieſelbe
ſtärkende Wirkung auf den Geiſt. Dazu, geſtehe ich,
geht es mir zum Theil wie dem Doctor Johnſon,
der behauptete: das größte menſchliche Glück ſey,
in einer guten engliſchen Poſtchaiſe mit einem ſchö-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0037" n="13"/>
vielver&#x017F;chlungene Steinverzierungen wirklich der kün&#x017F;t-<lb/>
lich&#x017F;ten Drechslerarbeit gleichkommen. Auf der einen<lb/>
Seite der Kapelle &#x017F;ind fünf Reihen kleine Portrait-<lb/>
Figuren über einander angebracht. Die Rangord-<lb/>
nung i&#x017F;t folgende: Unten Aebti&#x017F;&#x017F;innen; auf ihnen<lb/>
Bi&#x017F;chöffe; über die&#x017F;en Könige; dann Heilige, und<lb/>
ganz oben Engel. <hi rendition="#aq">Quant à moi, qui ne suis encore<lb/>
ni saint, ni ange, souffrez, que je vous quitte pour<lb/>
mon diner</hi>.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <opener>
            <dateline> <hi rendition="#et">Llangollen, den 15<hi rendition="#sup">ten</hi></hi> </dateline>
          </opener><lb/>
          <p>Wenn ich die Ehre <choice><sic>ha&#x0307;tte</sic><corr>hätte</corr></choice> der ewige Jude zu &#x017F;eyn,<lb/>
(und Geld muß die&#x017F;er doch wenig&#x017F;tens <hi rendition="#aq">ad libitum</hi><lb/>
haben) &#x017F;o würde ich ohne Zweifel einen großen Theil<lb/>
meiner Un&#x017F;terblichkeit auf der Land&#x017F;traße zubringen,<lb/>
und dies namentlich in England. <hi rendition="#aq">His so delight-<lb/>
fall</hi> für Jemand der fühlt und denkt wie ich. Fürs<lb/>
er&#x017F;te <choice><sic>&#x017F;to&#x0307;rt</sic><corr>&#x017F;tört</corr></choice> und genirt mich keine men&#x017F;chliche Seele;<lb/>
ich bin, wo ich gut bezahle, überall der Er&#x017F;te (den<lb/>
herr&#x017F;ch&#x017F;üchtigen Men&#x017F;chenkindern immer ein angeneh-<lb/>
mes Gefühl) und habe nur mit freundlichen Ge&#x017F;ich-<lb/>
tern, und Leuten zu verkehren, die voll Eifer &#x017F;ind,<lb/>
mir zu dienen. Fortwährende Bewegung, ohne Ue-<lb/>
bermüdung, erhält den Körper ge&#x017F;und, und die &#x017F;tete<lb/>
Veränderung in &#x017F;chöner freier Natur, hat die&#x017F;elbe<lb/>
&#x017F;tärkende Wirkung auf den Gei&#x017F;t. Dazu, ge&#x017F;tehe ich,<lb/>
geht es mir zum Theil wie dem Doctor John&#x017F;on,<lb/>
der behauptete: das größte men&#x017F;chliche Glück &#x017F;ey,<lb/>
in einer guten engli&#x017F;chen Po&#x017F;tchai&#x017F;e mit einem &#x017F;chö-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[13/0037] vielverſchlungene Steinverzierungen wirklich der künſt- lichſten Drechslerarbeit gleichkommen. Auf der einen Seite der Kapelle ſind fünf Reihen kleine Portrait- Figuren über einander angebracht. Die Rangord- nung iſt folgende: Unten Aebtiſſinnen; auf ihnen Biſchöffe; über dieſen Könige; dann Heilige, und ganz oben Engel. Quant à moi, qui ne suis encore ni saint, ni ange, souffrez, que je vous quitte pour mon diner. Llangollen, den 15ten Wenn ich die Ehre hätte der ewige Jude zu ſeyn, (und Geld muß dieſer doch wenigſtens ad libitum haben) ſo würde ich ohne Zweifel einen großen Theil meiner Unſterblichkeit auf der Landſtraße zubringen, und dies namentlich in England. His so delight- fall für Jemand der fühlt und denkt wie ich. Fürs erſte ſtört und genirt mich keine menſchliche Seele; ich bin, wo ich gut bezahle, überall der Erſte (den herrſchſüchtigen Menſchenkindern immer ein angeneh- mes Gefühl) und habe nur mit freundlichen Geſich- tern, und Leuten zu verkehren, die voll Eifer ſind, mir zu dienen. Fortwährende Bewegung, ohne Ue- bermüdung, erhält den Körper geſund, und die ſtete Veränderung in ſchöner freier Natur, hat dieſelbe ſtärkende Wirkung auf den Geiſt. Dazu, geſtehe ich, geht es mir zum Theil wie dem Doctor Johnſon, der behauptete: das größte menſchliche Glück ſey, in einer guten engliſchen Poſtchaiſe mit einem ſchö-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830/37
Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830/37>, abgerufen am 21.11.2024.