Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830.

Bild:
<< vorherige Seite

Glücklicherweise hat Herrn L ...'s Visite nur ei-
nen Tag gedauert, und wir sind wieder -- unter
uns. Die gewonnene Freiheit wurde sogleich benutzt,
um eine zwanzig Meilen weite Excursion nach Mount
B . . . . . zu machen, dem schönen Besitzthum eines
Landedelmanns, und spät in der Nacht erst fuhren
wir wieder zurück, wo mir in meinem Reisewagen
Henriettens Gesellschaft, welche die kalte Luft nicht
vertragen konnte, zu Theil wurde -- mais honny
soit qui mal y pense
. Der Park in Mount B ...
bietet ein wahres Studium für die sinnreiche Anle-
gung großer Wasserparthien an, denen gehörige Be-
deutung und Natürlichkeit zu geben, so schwer ist.
Man muß, für die Details, die Formen der Natur
studiren, die Hauptsache ist aber, nie die ganze Was-
sermasse übersehen zu lassen, und das Wasser muß
sich auch sichtlich nach und nach, und wo möglich an
mehreren Stellen zugleich, verlieren, um der Phantasie
gehörigen Spielraum zu geben -- die wahre Kunst
bei allen landschaftlichen Anlagen.

Der Hausherr, welcher reich ist, besitzt auch eine
recht zahlreiche Bildergallerie mit einigen vortreffli-
chen Gemälden. Unter andern eine Winterlandschaft
von Ruisdael, die einzige dieser Art, die ich mich er-
innere von diesem Meister gesehen zu haben. Der
Ausdruck der kalten, nebligen Luft und des knistern-
den Schnees waren so treu, daß man fast Frostschauer
zu empfinden glaubte, wenigstens das flackernde Ka-


Glücklicherweiſe hat Herrn L …’s Viſite nur ei-
nen Tag gedauert, und wir ſind wieder — unter
uns. Die gewonnene Freiheit wurde ſogleich benutzt,
um eine zwanzig Meilen weite Excurſion nach Mount
B . . . . . zu machen, dem ſchönen Beſitzthum eines
Landedelmanns, und ſpät in der Nacht erſt fuhren
wir wieder zurück, wo mir in meinem Reiſewagen
Henriettens Geſellſchaft, welche die kalte Luft nicht
vertragen konnte, zu Theil wurde — mais honny
soit qui mal y pense
. Der Park in Mount B …
bietet ein wahres Studium für die ſinnreiche Anle-
gung großer Waſſerparthien an, denen gehörige Be-
deutung und Natürlichkeit zu geben, ſo ſchwer iſt.
Man muß, für die Details, die Formen der Natur
ſtudiren, die Hauptſache iſt aber, nie die ganze Waſ-
ſermaſſe überſehen zu laſſen, und das Waſſer muß
ſich auch ſichtlich nach und nach, und wo möglich an
mehreren Stellen zugleich, verlieren, um der Phantaſie
gehörigen Spielraum zu geben — die wahre Kunſt
bei allen landſchaftlichen Anlagen.

Der Hausherr, welcher reich iſt, beſitzt auch eine
recht zahlreiche Bildergallerie mit einigen vortreffli-
chen Gemälden. Unter andern eine Winterlandſchaft
von Ruisdael, die einzige dieſer Art, die ich mich er-
innere von dieſem Meiſter geſehen zu haben. Der
Ausdruck der kalten, nebligen Luft und des kniſtern-
den Schnees waren ſo treu, daß man faſt Froſtſchauer
zu empfinden glaubte, wenigſtens das flackernde Ka-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0285" n="261"/>
        <div n="2">
          <opener>
            <dateline> <hi rendition="#et">Den 18<hi rendition="#sup">ten.</hi></hi> </dateline>
          </opener><lb/>
          <p>Glücklicherwei&#x017F;e hat Herrn L &#x2026;&#x2019;s Vi&#x017F;ite nur ei-<lb/>
nen Tag gedauert, und wir &#x017F;ind wieder &#x2014; unter<lb/>
uns. Die gewonnene Freiheit wurde &#x017F;ogleich benutzt,<lb/>
um eine zwanzig Meilen weite Excur&#x017F;ion nach Mount<lb/>
B . . . . . zu machen, dem &#x017F;chönen Be&#x017F;itzthum eines<lb/>
Landedelmanns, und &#x017F;pät in der Nacht er&#x017F;t fuhren<lb/>
wir wieder zurück, wo mir in meinem Rei&#x017F;ewagen<lb/>
Henriettens Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft, welche die kalte Luft nicht<lb/>
vertragen konnte, zu Theil wurde &#x2014; <hi rendition="#aq">mais honny<lb/>
soit qui mal y pense</hi>. Der Park in Mount B &#x2026;<lb/>
bietet ein wahres Studium für die &#x017F;innreiche Anle-<lb/>
gung großer Wa&#x017F;&#x017F;erparthien an, denen gehörige Be-<lb/>
deutung und Natürlichkeit zu geben, &#x017F;o &#x017F;chwer i&#x017F;t.<lb/>
Man muß, für die Details, die Formen der Natur<lb/>
&#x017F;tudiren, die Haupt&#x017F;ache i&#x017F;t aber, nie die ganze Wa&#x017F;-<lb/>
&#x017F;erma&#x017F;&#x017F;e über&#x017F;ehen zu la&#x017F;&#x017F;en, und das Wa&#x017F;&#x017F;er muß<lb/>
&#x017F;ich auch &#x017F;ichtlich nach und nach, und wo möglich an<lb/>
mehreren Stellen zugleich, verlieren, um der Phanta&#x017F;ie<lb/>
gehörigen Spielraum zu geben &#x2014; die wahre Kun&#x017F;t<lb/>
bei allen land&#x017F;chaftlichen Anlagen.</p><lb/>
          <p>Der Hausherr, welcher reich i&#x017F;t, be&#x017F;itzt auch eine<lb/>
recht zahlreiche Bildergallerie mit einigen vortreffli-<lb/>
chen Gemälden. Unter andern eine Winterland&#x017F;chaft<lb/>
von Ruisdael, die einzige die&#x017F;er Art, die ich mich er-<lb/>
innere von die&#x017F;em Mei&#x017F;ter ge&#x017F;ehen zu haben. Der<lb/>
Ausdruck der kalten, nebligen Luft und des kni&#x017F;tern-<lb/>
den Schnees waren &#x017F;o treu, daß man fa&#x017F;t Fro&#x017F;t&#x017F;chauer<lb/>
zu empfinden glaubte, wenig&#x017F;tens das flackernde Ka-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[261/0285] Den 18ten. Glücklicherweiſe hat Herrn L …’s Viſite nur ei- nen Tag gedauert, und wir ſind wieder — unter uns. Die gewonnene Freiheit wurde ſogleich benutzt, um eine zwanzig Meilen weite Excurſion nach Mount B . . . . . zu machen, dem ſchönen Beſitzthum eines Landedelmanns, und ſpät in der Nacht erſt fuhren wir wieder zurück, wo mir in meinem Reiſewagen Henriettens Geſellſchaft, welche die kalte Luft nicht vertragen konnte, zu Theil wurde — mais honny soit qui mal y pense. Der Park in Mount B … bietet ein wahres Studium für die ſinnreiche Anle- gung großer Waſſerparthien an, denen gehörige Be- deutung und Natürlichkeit zu geben, ſo ſchwer iſt. Man muß, für die Details, die Formen der Natur ſtudiren, die Hauptſache iſt aber, nie die ganze Waſ- ſermaſſe überſehen zu laſſen, und das Waſſer muß ſich auch ſichtlich nach und nach, und wo möglich an mehreren Stellen zugleich, verlieren, um der Phantaſie gehörigen Spielraum zu geben — die wahre Kunſt bei allen landſchaftlichen Anlagen. Der Hausherr, welcher reich iſt, beſitzt auch eine recht zahlreiche Bildergallerie mit einigen vortreffli- chen Gemälden. Unter andern eine Winterlandſchaft von Ruisdael, die einzige dieſer Art, die ich mich er- innere von dieſem Meiſter geſehen zu haben. Der Ausdruck der kalten, nebligen Luft und des kniſtern- den Schnees waren ſo treu, daß man faſt Froſtſchauer zu empfinden glaubte, wenigſtens das flackernde Ka-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830/285
Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830/285>, abgerufen am 22.12.2024.