Mein Freund James fängt an, etwas eifersüchtig auf mich zu werden, und unterhält mich nicht mehr so viel von den reizenden Eigenschaften der Mistriß L ... und ihrem Temper. Ich gebe ihr jetzt Unter- richt im Pistolenschießen. Als sie das erstemal los- drückte, erschrack sie so kindisch, daß sie mir fast ohnmächtig in die Arme sank, und bitterlich zu wei- nen anfing. James kam in diesem kritischen Augen- blick hinzu, und erschien nichts weniger als erbaut davon zu seyn. Ich gab ihm indeß schnell die Pistole in die Hand, proponirte eine kleine Wette zur Unter- haltung unsrer Freundin, bis sie sich wieder vom gehabten Schreck erholt haben würde. Der arme James konnte aber nichts treffen, während ich, mit eingeübter Sicherheit, ein ziemlich leserliches H auf die Scheibe zeichnete -- denn ihr Name ist Henriette -- "Harriet" wie sie hier genannt wird. Besser ans Feuer gewöhnt -- schoß sie nachher selbst recht gut, und beschämte die jungen Männer, welche sich alle ziemlich ungeschickt dabei anstellten.
Nachher ritten wir aus, sie und ich, Miß Kitty und einer ihrer Brüder. Wir waren ein wenig vor- aus, und sprachen von englischer Literatur. Sie er- wähnte eines bekannten anmuthigen Liedes von Moore, wo der Dichter abwechselnd sich bald für die schwarzen, bald für die blauen Augen erklärt, und frug mich neckend, welcher Art ich denn den Vorzug gäbe? Ach, rief ich, den blauen unter schwarzem
Den 16ten.
Mein Freund James fängt an, etwas eiferſüchtig auf mich zu werden, und unterhält mich nicht mehr ſo viel von den reizenden Eigenſchaften der Miſtriß L … und ihrem Temper. Ich gebe ihr jetzt Unter- richt im Piſtolenſchießen. Als ſie das erſtemal los- drückte, erſchrack ſie ſo kindiſch, daß ſie mir faſt ohnmächtig in die Arme ſank, und bitterlich zu wei- nen anfing. James kam in dieſem kritiſchen Augen- blick hinzu, und erſchien nichts weniger als erbaut davon zu ſeyn. Ich gab ihm indeß ſchnell die Piſtole in die Hand, proponirte eine kleine Wette zur Unter- haltung unſrer Freundin, bis ſie ſich wieder vom gehabten Schreck erholt haben würde. Der arme James konnte aber nichts treffen, während ich, mit eingeübter Sicherheit, ein ziemlich leſerliches H auf die Scheibe zeichnete — denn ihr Name iſt Henriette — „Harriet“ wie ſie hier genannt wird. Beſſer ans Feuer gewöhnt — ſchoß ſie nachher ſelbſt recht gut, und beſchämte die jungen Männer, welche ſich alle ziemlich ungeſchickt dabei anſtellten.
Nachher ritten wir aus, ſie und ich, Miß Kitty und einer ihrer Brüder. Wir waren ein wenig vor- aus, und ſprachen von engliſcher Literatur. Sie er- wähnte eines bekannten anmuthigen Liedes von Moore, wo der Dichter abwechſelnd ſich bald für die ſchwarzen, bald für die blauen Augen erklärt, und frug mich neckend, welcher Art ich denn den Vorzug gäbe? Ach, rief ich, den blauen unter ſchwarzem
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Den 16ten.
Mein Freund James fängt an, etwas eiferſüchtig
auf mich zu werden, und unterhält mich nicht mehr
ſo viel von den reizenden Eigenſchaften der Miſtriß
L … und ihrem Temper. Ich gebe ihr jetzt Unter-
richt im Piſtolenſchießen. Als ſie das erſtemal los-
drückte, erſchrack ſie ſo kindiſch, daß ſie mir faſt
ohnmächtig in die Arme ſank, und bitterlich zu wei-
nen anfing. James kam in dieſem kritiſchen Augen-
blick hinzu, und erſchien nichts weniger als erbaut
davon zu ſeyn. Ich gab ihm indeß ſchnell die Piſtole
in die Hand, proponirte eine kleine Wette zur Unter-
haltung unſrer Freundin, bis ſie ſich wieder vom
gehabten Schreck erholt haben würde. Der arme
James konnte aber nichts treffen, während ich, mit
eingeübter Sicherheit, ein ziemlich leſerliches H auf
die Scheibe zeichnete — denn ihr Name iſt Henriette
— „Harriet“ wie ſie hier genannt wird. Beſſer ans
Feuer gewöhnt — ſchoß ſie nachher ſelbſt recht gut,
und beſchämte die jungen Männer, welche ſich alle
ziemlich ungeſchickt dabei anſtellten.
Nachher ritten wir aus, ſie und ich, Miß Kitty
und einer ihrer Brüder. Wir waren ein wenig vor-
aus, und ſprachen von engliſcher Literatur. Sie er-
wähnte eines bekannten anmuthigen Liedes von
Moore, wo der Dichter abwechſelnd ſich bald für die
ſchwarzen, bald für die blauen Augen erklärt, und
frug mich neckend, welcher Art ich denn den Vorzug
gäbe? Ach, rief ich, den blauen unter ſchwarzem
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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830/280>, abgerufen am 21.11.2024.
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