Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830.

Bild:
<< vorherige Seite

Ein und dreißigster Brief.

Gute Julie.

Du machst mich lachen mit Deiner Dankbarkeit für
mein fleißiges Schreiben. -- Erkennst Du nicht, daß
es keinen größeren Genuß für mich geben kann?
Nach den ersten Worten schon fühle ich mich wie zu
Hause
, und Trost und Kraft erfüllt mich von
Neuem. So wie ich immer gesund zu werden pflegte,
wenn ich einen Arzt konsultirt hatte, ehe ich noch
seine Medizin nahm, so brauche ich auch nur mit
der Feder in der Hand am Schreibtische die Worte
"Liebe Julie" zu zeichnen, um meine Seele gesunder
zu fühlen. Du bist übrigens in jeder Hinsicht der
bessere Arzt, denn statt Medizin, ernährst Du mich
mit Honig. Gare aux flatteurs! Vous me gatez. --

Erinnerst Du Dich noch des jungen Geistlichen
aus Bray, der den lieben Gott zum größten Tyran-
nen aller Wesen machte, selbst aber ein herzensgu-
ter Mensch ist, qui n'y entend pas malice? Nun
dieser hat mich so herzlich gebeten, ihn zu seinem


Ein und dreißigſter Brief.

Gute Julie.

Du machſt mich lachen mit Deiner Dankbarkeit für
mein fleißiges Schreiben. — Erkennſt Du nicht, daß
es keinen größeren Genuß für mich geben kann?
Nach den erſten Worten ſchon fühle ich mich wie zu
Hauſe
, und Troſt und Kraft erfüllt mich von
Neuem. So wie ich immer geſund zu werden pflegte,
wenn ich einen Arzt konſultirt hatte, ehe ich noch
ſeine Medizin nahm, ſo brauche ich auch nur mit
der Feder in der Hand am Schreibtiſche die Worte
„Liebe Julie“ zu zeichnen, um meine Seele geſunder
zu fühlen. Du biſt übrigens in jeder Hinſicht der
beſſere Arzt, denn ſtatt Medizin, ernährſt Du mich
mit Honig. Gare aux flatteurs! Vous me gâtez. —

Erinnerſt Du Dich noch des jungen Geiſtlichen
aus Bray, der den lieben Gott zum größten Tyran-
nen aller Weſen machte, ſelbſt aber ein herzensgu-
ter Menſch iſt, qui n’y entend pas malice? Nun
dieſer hat mich ſo herzlich gebeten, ihn zu ſeinem

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0240" n="[216]"/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Ein und dreißig&#x017F;ter Brief.</hi> </head><lb/>
        <div n="2">
          <opener>
            <dateline> <hi rendition="#et">B . . . . m im We&#x017F;ten Irlands,<lb/>
den 5 <hi rendition="#sup">ten</hi> September 1828.</hi> </dateline><lb/>
            <salute>Gute <hi rendition="#aq">Julie</hi>.</salute>
          </opener><lb/>
          <p>Du mach&#x017F;t mich lachen mit Deiner Dankbarkeit für<lb/>
mein fleißiges Schreiben. &#x2014; Erkenn&#x017F;t Du nicht, daß<lb/>
es keinen größeren Genuß für <hi rendition="#g">mich</hi> geben kann?<lb/>
Nach den er&#x017F;ten Worten &#x017F;chon fühle ich mich wie <hi rendition="#g">zu<lb/>
Hau&#x017F;e</hi>, und Tro&#x017F;t und Kraft erfüllt mich von<lb/>
Neuem. So wie ich immer ge&#x017F;und zu werden pflegte,<lb/>
wenn ich einen Arzt kon&#x017F;ultirt hatte, ehe ich noch<lb/>
&#x017F;eine Medizin nahm, &#x017F;o brauche ich auch nur mit<lb/>
der Feder in der Hand am Schreibti&#x017F;che die Worte<lb/>
&#x201E;Liebe <hi rendition="#aq">Julie</hi>&#x201C; zu zeichnen, um meine Seele ge&#x017F;under<lb/>
zu fühlen. Du bi&#x017F;t übrigens in jeder Hin&#x017F;icht der<lb/>
be&#x017F;&#x017F;ere Arzt, denn &#x017F;tatt Medizin, ernähr&#x017F;t Du mich<lb/>
mit Honig. <hi rendition="#aq">Gare aux flatteurs! Vous me gâtez</hi>. &#x2014;</p><lb/>
          <p>Erinner&#x017F;t Du Dich noch des jungen Gei&#x017F;tlichen<lb/>
aus Bray, der den lieben Gott zum größten Tyran-<lb/>
nen aller We&#x017F;en machte, &#x017F;elb&#x017F;t aber ein herzensgu-<lb/>
ter Men&#x017F;ch i&#x017F;t, <hi rendition="#aq">qui n&#x2019;y entend pas malice</hi>? Nun<lb/>
die&#x017F;er hat mich &#x017F;o herzlich gebeten, ihn zu &#x017F;einem<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[216]/0240] Ein und dreißigſter Brief. B . . . . m im Weſten Irlands, den 5 ten September 1828. Gute Julie. Du machſt mich lachen mit Deiner Dankbarkeit für mein fleißiges Schreiben. — Erkennſt Du nicht, daß es keinen größeren Genuß für mich geben kann? Nach den erſten Worten ſchon fühle ich mich wie zu Hauſe, und Troſt und Kraft erfüllt mich von Neuem. So wie ich immer geſund zu werden pflegte, wenn ich einen Arzt konſultirt hatte, ehe ich noch ſeine Medizin nahm, ſo brauche ich auch nur mit der Feder in der Hand am Schreibtiſche die Worte „Liebe Julie“ zu zeichnen, um meine Seele geſunder zu fühlen. Du biſt übrigens in jeder Hinſicht der beſſere Arzt, denn ſtatt Medizin, ernährſt Du mich mit Honig. Gare aux flatteurs! Vous me gâtez. — Erinnerſt Du Dich noch des jungen Geiſtlichen aus Bray, der den lieben Gott zum größten Tyran- nen aller Weſen machte, ſelbſt aber ein herzensgu- ter Menſch iſt, qui n’y entend pas malice? Nun dieſer hat mich ſo herzlich gebeten, ihn zu ſeinem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830/240
Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830, S. [216]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830/240>, abgerufen am 22.12.2024.